Die VVN-BdA Bremen trauert um Esther Bejarano *15.12.1924 +10.07.2021
Wir werden unsere „Ehren-Präsidentin“, der VVN-BdA, in ewiger Erinnerung behalten und uns bemühen, ihren Kampf gegen den Antisemitismus und gegen Rechts auch in ihrem Namen weiterzuführen.
Unser Anteilnahme gilt ihrer Familie und ihren Freunden.
Esther Bejarano verstorben !
10. Juli 2021
Pressemitteilung
25. März 2021
VVN-BdA Bremen fordert Stopp der Planungen für den sog. „Russenfriedhof“
Erklärung der VVN-BdA Bremen zur geplanten Bebauung des als „Russenfriedhof“ bekannten Geländes in Bremen-Oslebshausen
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Bremen dankt den Verfassern für die umfangreiche und sorgfältige Recherche zu der Möglichkeit, dass sich auf dem Gelände des sogenannten „Russenfriedhofs“ in Oslebshausen noch sterbliche Überreste von dort beerdigten sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern befinden.
Aus Sicht der VVN-BdA kommt die beabsichtigte Überbauung des Geländes nur in Betracht, wenn sichergestellt ist, das dort keine sterblichen Überreste von Menschen mehr vorhanden sind und dass die Regelungen des Kriegsgräberabkommens mit der Russischen Föderation von 1992 eingehalten werden. Die festgestellte Differenz zwischen den Totenzahlen am Begräbnisort „Russenfriedhof“ und den Zahlen der nach dem Krieg dort exhumierten und auf dem Osterholzer Friedhof beerdigten Toten ist kein sicherer Hinweis auf weitere dort verbliebene Tote. Es kann aber ebenso wenig ausgeschlossen werden, dass von der Nachkriegsexhumierung sämtliche Überreste der dort unter dem Naziregime verscharrten Menschen erfasst worden sind. Eine ebenso gründliche wie zeitnahe Überprüfung ist deshalb geboten. Bis zu deren Abschluss sind alle Planungen zu unterlassen. Wir begrüßen es, dass die Landesarchäologin mit den Recherchen begonnen hat und gehen davon aus, dass die entsprechenden Gedenkstätten und das Staatsarchiv ihre Expertise zur Verfügung stellen.
Des Weiteren hält die VVN-BdA Bremen es für erforderlich sicherzustellen, dass der Zugang zu der zum Gedenken an die Toten errichtete Stätte dauerhaft frei bleibt. Es ist den Gedenkenden, die auch aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion anreisen, nicht zuzumuten sich vor dem Besuch der Stätte die Erlaubnis eines Unternehmens einzuholen.
Wir halten es zudem für angebracht, Hinweisschilder auf den Gedenkort anzubringen. Diese müssten in der Riedemannstraße und „Beim Industriehafen“ stehen.
Für den Landesvorstand
Marion Bonk
(stv. Landesvorsitzende)
Weitere Informationen sind zu finden unter: Bremer Friedensforum
Dankesrede Kurt Nelhiebel
24. März 2021
Lasst es nicht wieder geschehen
Dankesrede zur Verleihung des Habenhauser Friedenspreises 2020
Ich bedanke mich herzlich für die Zuerkennung des Habenhauser Friedenspreises, die mir zunächst die Sprache verschlagen hat. Bis auf die Mitgliedschaft in der Vereinigung zum Schutz Flugverkehrs-Geschädigter und einen Vortrag über Auschwitz in der Oberschule am Bunnsacker Weg kann ich nichts vorweisen, womit ich mich für Habenhausen und seine Bewohner nützlich gemacht haben könnte, es sei denn, ich riefe mich als Erfinder der plattdeutschen Nachrichten von Radio Bremen in Erinnerung. Ich bin als Journalist immer nur meinem Beruf nachgegangen, ohne dass meine Umwelt davon sonderlich Notiz genommen hätte. Zumindest war das bis vor einigen Jahren so.
Als es mich nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Antifa-Transport aus der Tschechoslowakischen Republik ins schwäbische Eislingen an der Fils verschlug, staunte der pensionierte Oberlehrer, mit dem ich dort anfänglich beim Wohnungsamt zu tun hatte, dass sich der Neubürger in vier Sprachen verständigen konnte. Er dachte wohl, ich sei irgendwo fern jeglicher Bildungseinrichtung in den weiten Steppen des Ostens aufgewachsen. Ähnliches erlebte ich später immer wieder, wenn ich die geografische Lage meines Geburtslandes zu erklären versuchte. Da verwechselte schnell jemand Tschechien mit Tschetschenien. Dabei liegt die tschechische Hauptstadt Prag in der Nähe desselben Längengrades, an dem auch Berlin liegt, also in der Mitte Europas.
Meine politische Prägung erhielt ich durch meinen Vater, der als Sozialist alter Schule zu jenen zehn Prozent der Deutschen in Böhmen und Mähren gehörte, die sich Hitler nicht in die Arme geworfen haben, als er die Randgebiete der Tschechoslowakischen Republik annektierte. Zur selben Zeit, da die Vertriebenen, darunter auch viele meiner sudetendeutschen Landsleute, 1950 in Bad Cannstatt feierlich die Charta der Heimatvertriebenen verkündeten, saß ich wenige Kilometer davon entfernt in einer Zelle der Haftanstalt Stuttgart und wartete auf meinen Prozess vor einem Gericht der amerikanischen Militärregierung für Deutschland. Ich hatte, wie es in der Vorladung hieß, zusammen mit zwei Jugendfreunden Plakate aufrührerischen Inhalts gegen den kurz davor ausgebrochenen Koreakrieg geklebt und damit die Sicherheit der Alliierten Streitkräfte gefährdet. Die Sache ging aber glimpflich für uns aus.
Damals arbeitete ich als junger Redakteur bei der Stuttgarter kommunistischen Tageszeitung Volksstimme. Meine Karriere bei der Neuen Württembergischen Zeitung in Göppingen, einer Zeitung ähnlich dem Weser-Kurier, hatte ich mir durch einen Artikel gegen die deutsche Wiederbewaffnung verbaut. Der Liebe wegen verschlug es mich im selben Jahr ins Ruhrgebiet, wo ich beim Zentralorgan der KPD, Freies Volk, landete, dem meine Stuttgarter Gerichtsreportagen aufgefallen waren. Nachdem die Partei 1956 verboten worden war, nahm mich die in Frankfurt erscheinende antifaschistische Wochenzeitung Die Tat in ihre Redaktion auf. Niemand sonst wollte einen wie mich haben. Von dort holte mich neun Jahre später der Chefredakteur von Radio Bremen, Harry Pross, an die Weser.
Der liberale Freigeist, Sohn einer württembergischen Industriellenfamilie, später Ordinarius für Publizistik an der Freien Universität Berlin, sah in meinen kritischen Beiträgen zur Renazifizierung und in meinen Reportagen vom Auschwitz-Prozess eine Bereicherung des Programms. Die Verbindung zwischen Harry Pross und mir ist nie abgerissen. In einem seiner letzten Briefe schrieb er mir: „Unsere gemeinsame Radio-Bremen-Zeit ist mir eine kostbare Erinnerung. Dabei sein und nicht dazugehören gibt es in vielen Variationen. Es freut mich noch heute, dass ich meinen Personalvorschlag Nelhiebel gegen Intendanz, Personalrat und Rundfunkrat durchsetzen konnte. Vielleicht ist doch was dran, dass nicht der Gesetzesdienst, sondern der Glaube frei macht (Galater 5, 15).Ich habe Ihnen vertraut, und das erwies sich als richtig.“
Den Auschwitz-Prozess, über den ich auch für eine jüdische Zeitung in Wien berichtete, erlebte ich wie einen Alptraum. Fortan sah ich meine Aufgabe darin, der Nachwelt von dem grauenvollen Geschehen in der Todesfabrik zu berichten. Wer nämlich weiß, was dort geschah, ist für immer gefeit gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus. Leider war den politisch Verantwortlichen in der Nachkriegszeit die Bekämpfung des Kommunismus wichtiger als die Bekämpfung des Nazismus.
Als deutsche Polizisten 1952 bei einer verbotenen Kundgebung gegen die Wiederbewaffnung in Essen erstmals gezielt mit scharfer Munition auf Demonstranten schossen und ein junger Kommunist tödlich getroffen wurde, hielt kaum eine Zeitung das für kommentierenswert. Drei Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland war die Ausgrenzung dieser linken Minderheit bereits wieder so weit gediehen, dass angesehene Blätter wie Der Spiegel und Die Zeit davon nicht einmal nachrichtlich Notiz nahmen. Und heute wundern sich manche über die Zunahme rechter Gewalt. Immer war von Einzelfällen die Rede, bis nach dem Mord am Regierungspräsidenten Walter Lübcke und der Entdeckung rechter Netzwerke bei der Polizei die Eiterbeule platzte
Noch wenige Tage davor hatte sich Jürgen Habermas, der bedeutendste deutsche Philosoph der Gegenwart, an die Verhältnisse während der Weimarer Zeit erinnert gefühlt und dazu aufgerufen, mit der moralisierenden Diskriminierung der Linken Schluss zu machen. Sein Warnruf blieb ohne Echo. Solange CDU und CSU ein Zusammengehen mit der AfD ablehnen, ist mir nicht bange. Ich wünschte, alle, die wegen Corona auf die Straße gehen, hielten es auch so. Zum Glück hat die deutsche Wirtschaft ebenfalls aus der Geschichte gelernt und zeigt den Nachahmern der Nazipartei die kalte Schulter.
Sorgen macht mir das Schweigen der Gewerkschaften. Im Gegensatz zu früher verläuft die öffentliche Debatte über die Gefahr des Antisemitismus und Rechtsextremismus weitgehend ohne sie. Die Gewerkschaften sind die stärkste demokratische Kraft im Lande. Die Feinde der Demokratie müssen wissen, dass sie bereit stehen, die Demokratie notfalls durch einen Generalstreik zu verteidigen. Wenn die Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung droht und andere Abhilfe nicht möglich ist, hat laut Grundgesetz jeder das Recht zum Widerstand. Der Initiator des Auschwitz-Prozesses, Fritz Bauer, hatte Recht: Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.
Der Friede von Habenhausen hat nach den Worten von Pastor Lohse keine großen Visionen entfaltet, aber er habe gehalten und funktioniert. Das sei das Große daran. Ich wünschte, die Politiker von heute ließen sich davon inspirieren, statt mit erhobenem Zeigefinger ständig die demokratischen Defizite bei anderen zu beklagen. Jeder kehre vor der eigenen Tür. Wohlstand allein ist kein Kriterium für moralisches Verhalten. Dafür sind die Leichenberge, die Nazi-Deutschland hinterlassenen hat, zu hoch. Ihre Schatten werden noch lange über unserem Weg liegen.
Nicht ohne Grund betonen Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel immer wieder, dass es einen Schlussstrich unter die deutsche Vergangenheit nicht geben kann. Umso bestürzender, dass eine deutsche Finanzbehörde einer Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes die Gemeinnützigkeit entziehen will, weil sie sich den Ruf der befreiten Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald nach Ausrottung des Faschismus mit seinen Wurzeln zu Eigen macht. Die Behörde deutet das als Bereitschaft zum Umsturz. Das ist ein Angriff auf den deutschen Widerstand schlechthin. Dabei war er das einzige Guthaben, das Deutschland 1945 vorweisen konnte. Das Andenken an diese mutigen Frauen und Männer muss in Ehren gehalten werden.
In Frankreich werden alljährlich an einem bestimmten Tag in den Schulklassen letzte Briefe hingerichteter junger Kämpfer gegen den Faschismus vorgelesen, Warum nicht auch bei uns?
Täuschen wir uns nicht. Die gefährliche Sehnsucht nach dem starken Mann und die Bereitschaft zum Vergessen sind größer, als wir denken. Als die Namen der Widerstandskämpfer Sophie Scholl, Graf Stauffenberg und Carl von Ossietzky von den ICE-Zügen der deutschen Bahn entfernt wurden, weil sie angeblich zu viel Platz einnahmen, ließen unsere Meinungsmacher das widerspruchslos geschehen. Zwanzig Jahre liegt der Schurkenstreich zurück.
Doppelt so lange lebe ich nun schon in Habenhausen hinter dem Deich am Werdersee. Die Zuerkennung des Habenhauser Friedenspreises sagt mir, dass ich hier zu Hause bin und genießen kann, was ich damit verbinde: die friedliche Stille über dem Land nach Sonnenuntergang, die freundlichen Nachbarn, das verheißungsvolle Rot der aufgehenden Sonne, wenn sie im Morgendunst wie ein Lampion am Himmel hängt, den Klang der Domglocken bei Westwind, all das und noch etwas anderes, Kostbares, wonach wir uns ein Leben lang sehnen – Geborgenheit. Auch dafür sage ich: Danke. Verabschieden will ich mich mit einem Gedicht, das am Meer bei Albufeira während eines Urlaubs mit meiner vor zwölf Jahren verstorbenen Frau entstanden ist.
Heimweh nach Eden
Barmherzig kühlt dein Atem
die Stirn mir, Mutter des Lebens
wenn ich dein gleißendes Ufer betrete
auf der Haut die Glut
der afrikanischen Sonne, und im Haar den harzigen Duft der Pinien
über den ockerfarbenen Klippen.
An Orangenhainen vorbei
führte mein Weg mich
und an schneeweißen Häusern
mit schattigen Lauben.
Feigen sah ich reifen und Oliven
zwischen silbern schimmernden Blättern.
Oleander und Hibiskus malte
leuchtende Sterne mir auf die Netzhaut.
Und jetzt das unendliche Blaugrün des Ozeans.
Ach, Mutter des Lebens, dein kühler Atem
lindert nicht mein Heimweh nach Eden.
Rede zur Kundgebung in Bremerhaven vor dem Stadttheater am 17.10.2020
1. November 2020
Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen, liebe Freunde
Wir wollen keine Reichskriegsflaggen und Reichsfahnen, nirgendwo und gerade auf diesem Platz nicht. Und doch werden manche vielleicht fragen: was kann man schon gegen eine Fahne in den Farben Schwarz – Weiß – Rot haben ? Ist es nicht nur ein Stück gefärbter Stoff? Werfen wir einen Blick auf die Geschichte dieser Fahne, wie sie auch hier in Bremerhaveneine Spur von Gewalt und Hass durch die letzten 120 Jahre gezogen hat. Diese Fahne war von 1871 bis 1918 Fahne des Norddeutschen Bundes, des Deutschen Reiches und seiner Kriegs- und Handelsmarine. Wir schreiben das Jahr 1900 Bremerhaven: Kaiser Wilhelm verabschiedet deutsche Soldaten beim heutigen Kreuzfahrtterminal für ein Expeditionsheer nach China unter der Flagge Schwarz- Weiß – Rot mit den Worten:„Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vortausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“ Hier sind Kolonialismus, Rassismus und Nationalismus bereits vereint.Wir schreiben das Jahr 1904Dort auf dem Platz steht Bürgermeister Smidt, ihm zu Füßen steht ein Kind im Lendenschurz, das unterwürfig zu dem großen weißen Mann aufschaut:Von Bremerhaven fahren Kriegs- und Handelsschiffe unter der Flagge Schwarz – Weiß – Rot in die afrikanischen Kolonien. Dort sind sie an der Ausbeutung der Ressourcen beteiligt. Deutsche Soldaten sind zwischen 1904 und 1908 verantwortlich für den Völkermord an den Nama und Herero im heutigen Namibia. Ihre Fahne: Schwarz – Weiß – Rot.Wir schreiben das Jahr 1914Unter dieser Fahne versenken deutsche U-Boote im 1. Weltkrieg menschenrechtswidrig neutrale Handelsschiffe und Passagierschiffe. Ein Völkerrecht gibt es noch nicht.1918 /19 mit dem Ende des 1. Weltkrieges endet die Monarchie,die demokratische Weimarer Republik gibt sich die Farben Schwarz – Rot – Gold,Schwarz – Weiß – Rot ist weiterhin die Fahne des deutschen Militärs.Der Versailler Friedensvertrag von 1918 beschränkte die Reichswehr auf 100000 Mann. Daran hat sich Deutschland nie gehalten, es gab die sogenannte Schwarze Reichswehrund es gab viele Soldaten und Offiziere, die nach dem 1. Weltkrieg in Freikorps unter der schwarz-weiß-roten kaiserliche Reichskriegsflagge als Putschisten gegen die neue Weimarer Republik kämpften.Und die zwischen 1919 und 1920 vielfach bei der Niederschlagung der Arbeiter- und Soldatenräte eingesetzt wurdenAuch die Bremer Räterepublik wurde so zerschossen.Unter dem Schlagwort: „Schwarz-Weiß-Rot bis in den Tod!“ wurden zahlreiche Morde wie an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg begangen.Also schon vor 1933 ist diese Flagge missbraucht worden zur Unterdrückung Andersdenkender, Kriegsführung, Rassismus,Völkermord in den deutschen Kolonien, Ermordung von Arbeitern und Gewerkschaftern, Journalisten.30. Januar 1933 Adolf Hitler wird ReichskanzlerSelbst die letzten noch halbfreien Wahlen am 12 März 1933 in Bremerhaven brachten den Nationalsozialisten keine Mehrheit.Im gleichen Monat des Jahres aber wurden Konzentrationslager rund um Bremerhaven eingerichtet, Arbeiterparteien und Gewerkschaften verboten, verfolgt inhaftiert, gefoltert. Mit dem 1. April begann die Diskriminierung und Verfolgung von Juden durch den Boykott jüdischer Geschäfte. Hier auf diesem Platz wurden bereits am 6.Mai 1933, also nur eineinhalb Monate später, Bücher u.a. von Albert Einstein, Carl Zuckmayer, Anna Seghers, Stefan Zweig, Erich Kästner und Kurt Tucholsky verbrannt. Die SA marschierte mit schwarz – weiß – roten Fahnen auf.Der Vorläufer der Nordsee-Zeitung, die Nordwestdeutsche Zeitung, berichtete:„Lustig prasselte die Glut,und immer höher loderten die Flammen gegen den nachtdunklen Himmel.“1935 bestimmten die Nationalsozialisten dann in einem sog. Reichsflaggengesetz:Die Reichsfarben sind Schwarz – Weiß – Rot.Die Reichsflagge ist die Hakenkreuzflagge.In nur wenigen Monaten war jede demokratische Institution beseitigt, unterdrückt und verboten. Der Schwarz – Weiß – Rote Staat zeigte nun auch sein hässliches antisemitisches Gesicht.Am 9. / 10. November 1938, in der Reichspogromnacht, zerstörten sie die Synagoge in der Schulstraße, hier fast in Sichtweite. Zu den Millionen Toten in den Konzentrationslagern kamen wenig später die AbermillionenToten weltweit im 2 Weltkrieg.All dies geschah unter den offiziellen damaligen Reichsfarben Schwarz – Weiß – Rot.Die während der Zeit des Nationalsozialismus eingeführten deutschen Hoheitssymbole wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch das erste Kontrollratsgesetz der alliierten Siegermächte vom 20. November 1945 offiziell aufgehoben. Und diese Fahne wollen die neonazistischen Kräfte wieder zeigen?Diese Fahne hat Kriege begleitet.Diese Fahne steht für Völkermord.Diese Fahne steht für die Beseitigung kultureller Vielfalt.Diese Fahne steht für Rassenideologie und das Herrentum der sogenannten deutschen Rasse.Diese Fahne steht für politische Morde.Diese Fahne steht für Verfolgung und Vernichtung Andersdenkender, von Juden, Sinti und Roma, von Homosexuellen.Wer diese Fahne zeigt tritt Frieden, Toleranz, Freiheit und Menschlichkeit mit Füßen.Aber nicht nur das Zeigen der Fahne gehört bestraft, auch ihre Träger gehören bestraft. Diese Fahnenträger stehen in dieser unseligen Tradition der Feme-Morde der Weimarer Republik.Über200 Morde durch Neonazis seit 1990,faschistische Strukturen in Einheiten der Polizei und Bundeswehr, Morde, Brände, und Überfälle werden als Einzeltaten verharmlost.Die Geschichte dieser Fahne zeigt: Keine Verharmlosung neonazistischer und rechter Gewalt!Keine Verharmlosung ihrer parlamentarischen Brandstifter: diese deutsche Geschichte war kein Vogelschiss!Zeigen wir uns offen und solidarisch für Menschen, die durch Flucht und Vertreibung zu uns kommen! Sie sind oft auch Opfer der Spätfolgen einer nationalistischen Kolonialpolitik.Jüdisches, islamisches und christliches Leben und ihre Kultur sind für Bremerhaven eine Bereicherung, keine Verunsicherung.Wir brauchen keine vereinfachenden, populistischen Schnellschüsse. Wir müssen solidarisch den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Landwirtschaft schaffen. Mit Ideen aus allen Ländern und Kontinenten, kreativ, bunt und vielfältig, nicht einfältig.
Wilfried Krallmann-Hansen
AntiKriegstag in Bremen
8. September 2020
Für ein Foto zum Antikriegstag 2020 stellten wir uns mit unserem Transparent vor das Wandbild am Bunker an der Admiralstraße in Bremen, das „Den Gegnern und Opfern des Faschismus“ gewidmet ist. Nie sei vergessen, dass die Naziherrschaft dem Ziel einer Neuaufteilung der Welt zugunsten Deutschlands diente, die zum Glück gescheitert ist, aber 60 Millionen Menschen das Leben kostete.
Das andere Foto zum Antikriegstag 2020 zeigt uns mit unserem Transparent vor das Gebäude von Rheinmetall in Bremen. Rheinmetall ist der größte deutsche Rüstungskonzern. Er konnte im 1. Halbjahr 2020 den Umsatz der Rüstungssparte im Vergleich zum 1. Halbjahr 2019 um 19% und das operative Ergebnis um 75% steigern. Seit über 100 Jahren macht Rheinmetall gute Geschäfte mit dem Krieg und konnte nur nach den zwei verlorenen Weltkriegen für einige Jahre zur Umstellung auf zivile Produkte gezwungen werden. Lasst uns alles dafür tun, dass die nächste Umstellung ohne einen Weltkrieg erfolgt!
Trauerrede für die VVN-BdA von Monika Eichmann
12. August 2020

Abschied und Würdigung von Raimund Gaebelein,
Samstag, 1. August 2020, 14 Uhr, im BLG-Forum (Bremen, Überseestadt, Am Speicher XI/11)
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Kampfgenossinnen und Kampfgenossen von Raimund Gaebelein!
Der Landesverband Bremen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – VVN-BdA, hat euch heute hier eingeladen, um gemeinsam unseres Landesvorsitzenden und unseres Freundes zu gedenken.
Wir trauern um Raimund Gaebelein, der in den frühen Morgenstunden des 28.6. gestorben ist. Seit einigen Wochen ging es ihm nicht gut, aber nur wenige Termine sagte er ab. Um seinen politischen Idealen gerecht zu werden, hat er engagiert immer alles gegeben. Das Arbeitspensum, das er für unseren Bremischen Landesverband absolvierte, hat ihn, auch über seinen Stadtteil Gröpelingen hinaus, zu einer bekannten Persönlichkeit der Hansestadt gemacht.
Ray, wie ihn viele nannten, wurde 1947 in Marburg/Lahn geboren, ging dort zur Schule und machte sein Abitur. Von 1967 bis 1973 studierte er an der Philipps-Universität Geschichte, Politik und Philosophie. Er wollte Lehrer werden, absolvierte sein Referendariat im hessischen Hünfeld 1977. Dort teilte man ihm mit, dass eine Einstellung nicht in Frage käme – Berufsverbot! Ray war damals Mitglied der DKP…
Er ging für ein Jahr nach Nordirland (Derry) und arbeitete dort mit Obdachlosen als Leiter eines Heimes. Hier entstand seine Liebe zur keltisch-irischen Kultur und Musik.
Vielfältige politische und persönliche Kontakte zwischen Marburg und Bremen brachten ihn dann 1978 in die Hansestadt Bremen. Hier arbeitete er bei Sozialverbänden und freien Trägern als Sprachlehrer und in sozialarbeiterischen Bezügen z. B. mit Schulvermeidern. Noch bis zuletzt unterrichtete er Geflüchtete ehrenamtlich.
Raimund war überzeugter Antifaschist und unermüdlicher Kämpfer gegen das Vergessen. Als Mitglied der VVN BdA wählte man ihn 1994 zum Vorsitzenden der Landes-vereinigung Bremen, als Nachfolger von Walter Federmann und in den Fußstapfen von Willy Hundertmark. Mit ihm gemeinsam entwickelte er auch Konzepte der „antifaschistischen Stadtrundgänge“, die viele hier kennen. Ray war auch Redakteur der Zeitung „Der Bremer Antifaschist“ und hat unzählige Beiträge geliefert.
Ray engagierte sich sehr für das Wohn- und Ferienheim Heideruh.
In Bremen kämpfte er für eine würdige Erinnerung an die Bremer Außenlager des KZ Neuengamme, vor allem die Aufarbeitung der Geschichte des Außenlagers Bremen-Schützenhof war sein Projekt.
Jährlich besuchte Raimund, oft mit Marion, Ulrich und mir, Treffen und Tagungen der Außenlager-Initiativen und -Gedenkstätten des ehemaligen KZ Neuengamme und berichtete dort über Fortschritte oder Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Erinnerungsorten für die Bremer Außenlager.
Prof. Dr. Detlef Garbe aus Hamburg schreibt in seinem Nachruf auf der Neuengamme-Homepage: „Wir werden diesen kleinen und doch großen Mann, seine kluge, stille, sanfte, liebevolle und freundliche Art sehr vermissen.“
Als ich Raimund bei Planung der Verlegung von Stolpersteinen in Blumenthal vor ca. 17 Jahren kennenlernte, mit seiner Baskenmütze auf dem Kopf, seinem immer präsenten kleinen Notizbuch, seiner nachdenklichen und klugen Art, ging mir das Bild von Ernesto Cardenal durch den Kopf.
Für meinen Geschichtsunterricht in der Oberstufe verwendete ich z. T. seine Publikationen und lernte so mit ihm, einerseits die Arbeit im Autorenkollektiv für die Schriften-Reihe der „Stolpersteine in Bremen“. Andererseits lernten Marion, Uli und ich mit ihm die Stichting Meensel-Kiezegem `44 in Belgien kennen, zu deren Mitgliedern Ray engen und freundschaftlichen Kontakt hielt. Regelmäßig entstanden so auch in meinem Arbeitsalltag Begegnungen zwischen Zeitzeugen und Schulklassen und Oberstufenkursen.
Unvergessen bleiben unsere gemeinsamen Besuche in Meensel-Kiezegem, wo wir zu Gast bei Freunden waren, z. B. im Sommer 2014 oder letztes Jahr bei der Eröffnung des neuen Friedensmuseums in Meensel. Wir konnten vieles von Raimund lernen. Gegenbesuche der Meenseler, aber auch der Amicale Belge oder der Amicale Francaise de Neuengamme fanden jährlich in Bremen statt und wurden von Raimund stets engagiert begleitet. Auch zu Freundschaften Verfolgten des Naziregimes und Zeitzeugen aus den Niederlanden, wie hier Cees Ruijter pflegte Raimund.
Für die Partei DIE Linke wurde er seit 2003 wiederholt in den Stadtteil Beirat gewählt. Noch in seiner letzten Woche nahm er als stellvertretender Beiratssprecher an der Beiratssitzung in Gröpelingen teil. Raimund hat in seinem „Arbeiterstadtteil“ auch immer „Politik vor Ort“ gemacht parteiübergreifend akzeptiert.
Keine 5 m konnte man mit Raimund in Gröpelingen unterwegs sein, ohne dass jemand rief „Hallo Ray!“
Ray war Knotenpunkt und Stern der antifaschistischen Bewegung und Vernetzung in Bremen. Dabei konsequent, aber nie ausgrenzend, sondern immer versucht zu integrieren, wenn es möglich erschien.
Mit Raimund sind zahlreiche und beeindruckende Gedenkveranstaltungen verbunden, wie „Menschen gegen Rechts“ im Mai 1994 auf dem Bremer Marktplatz, ein Jahr nach dem feigen Mord von Neonazis in Solingen oder die große Demo 2006 gegen den NPD-Aufmarsch in Gröpelingen. Ausstellungen der VVN brachte Raimund in verschiedene Schulen – Kooperationen mit Lehrer*innen entwickelten sich. Die internationale Ausstellung der FIR „Widerstand in Europa“ in der unteren Rathaushalle 2014 war ein Highlight.
2015 erhält Raimund den Franco Paselli Preis der Internationalen Friedensschule Bremen im Bürgerhaus in Vegesack. Eigentlich mochte er kein Aufhebens um seine Person, aber diese Ehrung hat ihn doch gefreut.

Eines seiner neueren Projekte war die Aufstellung der Gedenk-Steele zur Erinnerung an den Standort des ehemaligen Jüdischen Altersheims in Gröpelingen. |
Für Bremen besonders wichtig, war aus meiner Sicht als Geschichtslehrerin, Raimunds konstantes kompetentes Eintreten für das traditionelle Gedenken an die Bremer Räterepublik von 1918/19, ihre Verteidiger, die Kämpfe und Errungenschaften der Arbeiterinnen und Arbeiter. Jedes Jahr organisierte er mit anderen die Gedenkfeiern auf dem Waller Friedhof und das anschließende Kulturprogramm im Westend.
Vielen von uns war Raimund ein guter Freund, hilfsbereit und unterstützend.
Er wird uns unermesslich fehlen.
Die Bremer Landesvereinigung der VVN-BdA – hier bei unserer Jahresauftakt-Versammlung im Januar – wird ohne Raimund nicht mehr dieselbe sein. Wir müssen uns anstrengen und werden doch diese Lücke nicht füllen.
Berthold Brecht sagt: Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.
Wir behalten ihn unvergessen.
Herzlichen Glückwunsch und alles Gute
31. Mai 2020
Den Sozialen Netzwerken konnten wir entnehmen, dass sich unsere langjährigen Wegbegleiter Tom Devos und Caroline Colebunders am 30. Mai das Jawort gegeben haben. Im Namen der Landesvereinigung die allerbesten Glückwünsche. Wir hoffen, dass wir uns im nächsten Jahr zum gemeinsamen Gedenken wiedersehen werden.
Der Landesvorstand
Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg
14. Mai 2020
„Zwölf Jahre Schrecken, zwölf Jahre der Unmenschlichkeit, der Entrechtung und Erniedrigung, der Verfolgung und der blutigsten Willkür liegen hinter uns. In Nacht und Grauen war Deutschland verstrickt, wie ein lastender Alp lag die Hitlerherrschaft auf allen, die noch menschlich fühlten, die noch freiheitlich empfanden, die noch selbständig denken konnten…“, schrieb die „Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus“ am 6. Mai 1945 im „Aufbau“, der ersten Zeitung nach der Befreiung durch die alliierten Truppen. Fast 46.000 Wohnungen waren zerstört, 55% des Wohnraums nicht mehr nutzbar. 965 Menschen waren aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen ermordet worden, unzählige starben als Soldaten und aufgrund der Bombardierungen. Transport-, Energie- und Versorgungssystem war völlig zusammengebrochen. Die Essensrationen auf 60% zusammengeschrumpft.
In 35 Stadtteil- und Ortsgruppen begann die KgF mit 6.500 Mitgliedern die Trümmerbeseitigung in Angriff zu nehmen. Nicht nur die Schutthalden mussten abgetragen, die Versorgung mit Lebensmitteln, Wohnraum, Grundversorgung und Arbeit gesichert werden. „Der Aufbau einer neuen Ordnung darf kein „Wiederaufbau“ sein, kein Wiederaufbau dessen, was vergangen ist, was von der Geschichte mit harter Hand hinweggefegt wurde!“ in den Betrieben war dem Einfluss faschistischen Denkens durch Herstellung demokratischer Strukturen entgegenzuwirken.
Im Sofortprogramm der KgF wurde die sofortige Auflösung der NSDAP und ihrer Gliederungen gefordert, die Freilassung der inhaftierten Antifaschisten, die Wiederherstellung der Grundrechte, die Gleichstellung aller ausländischen Arbeiter, die Wiederherstellung der Gewerkschaften und des Betriebsrätegesetzes, die Umstellung auf Friedensproduktion im Interesse der breiten Masse der Bevölkerung, eine Neubildung von Polizei, der Arbeitsämter und Verwaltung aus bewährten Antifaschisten, die kommunale Selbstverwaltung. Reparaturfähige Häuser und Wohnungen sollten wiederinstandgesetzt, über Bedarf hinausgehender Wohnraum beschlagnahmt, vorhandene Lebensmittel zentral erfasst und über Konsumgenossenschaften verteilt werden. Gas-, Wasser- und Stromversorgung, der öffentliche Nahverkehr, Reparatur der Kanalisation sollten sofort gesichert werden.
75 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg stehen wir vor einer anderen Situation. Demokratische Strukturen wurden hergestellt, die Entnazifizierung blieb im aufkommenden Kalten Krieg unvollendet, Deutschland wurde in zwei Staaten gespalten, die Wirtschaft geriet nach zehn Jahren erneut in den Strudel einer Aufrüstungspolitik. Im aufkommenden Kalten Krieg waren die alten Kräfte aus Industrie und Großbanken, aus Militär und Verwaltung, aus Justiz und Polizei im Westen Deutschlands wieder gefragt. Schritt für Schritt wurden Antifaschisten aus dem öffentlichen Leben gedrängt, sahen sich Organisations- und Berufsverboten ausgesetzt. Zaghafte Pflänzchen der Rüstungskonversion vertrockneten nach dem Ende der sozialistischen Strukturen im Osten unseres Kontinents. Waffen werden in Krisengebiete verkauft, die Bundeswehr in 14 Staaten der Erde militärisch eingesetzt, in humanitärer Mission, wie es heute schamhaft heißt. Eine Neuaufteilung von Interessengebieten ist in vollem Gange, die Auseinandersetzung um Rohstoffe, unter Absicherung der Verkehrswege dorthin. Erneut sehen wir uns mit faschistischen Denkmodellen und Wertstrukturen konfrontiert, die bis in bürgerliche Parteien hinein aufgenommen werden und sie zu autoritären Maßnahmen drängen. Wirksame Gegenproteste sind in Zeiten einer Ausnahmesituation erheblich erschwert. Wachsam müssen wir sein, wollen wir nicht unter dem Deckmantel der Krankheitsbekämpfung eine allmähliche Aushebelung über lange Jahrzehnte hart erstrittener bürgerlicher und gewerkschaftlicher Rechte erleiden.
Raimund Gaebelein,Landesvorsitzender VVN-BdA Bremen, Rede zum 8.Mai
Rede zum 8.Mai
14. Mai 2020
„Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen,
Am 8. Mai 1945 besiegten die alliierten Westmächte gemeinsam mit der kommunistischen Sowjetunion – das bleibt heutzutage gerne mal unerwähnt – das faschistische Deutschland und besiegelten damit das Ende des deutschen Nationalsozialismus. Ja, dieser Tag war – auch – ein Tag der Befreiung: Der Befreiung all derjenigen, die unter dem nationalsozialistischen System gelitten haben, die dagegen waren, und die Widerstand geleistet haben. Und eine buchstäbliche Befreiung für die, die in den Konzentrationslagern unter unvorstellbaren Bedingungen dem Tode trotzen konnten.
Aber ein immenser Teil der Deutschen wurde nicht befreit, sondern besiegt. Nachdem sie bis zum bitteren Ende und darüber hinaus die Naziherrschaft unterstützt und die menschenverachtende Ideologie weiter verbreitet, die den Nationalsozialismus ihr Leben lang gerechtfertigt haben. So wichtig die Rede von Richard von Weizäcker war, hat er sich doch nicht der deutschen Verantwortung gestellt: „wir“ wurden eben nicht „alle“ befreit. Auch darüber müssen wir am 8. Mai reden.
Wir müssen immer wieder deutlich machen, dass es alltäglicher Rassismus und Antisemitismus waren, die den Weg zur nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und zur Shoah geebnet haben. Es war damals eben nicht nur eine überschaubare Zahl von Nazi-Größen, die allein für den Genozid verantwortlich war.
Heute sind wir alle gefordert, die Mitmenschlichkeit und Solidarität unserer Gesellschaft immer wieder offensiv zu verteidigen.
Alexander Gauland nennt den Sieg der Alliierten über Nazi-Deutshcland eine „große Niederlage“. Das ist gräßlich. Erschreckender ist aber, dass er mit dieser Geshcichtsvergessenheit nicht alleine ist. Auch andere würden anstelle der Erinnerungskultur lieber einen „Schlussstrich“ sehen.
Rechte Gesinnung reicht bis weit in die Mitte unserer Gesellschaft. Rechtsnationale Parteien sitzen in unseren Parlamenten. In vielen europäischen Ländern regieren sie sogar mit. Rechtsextreme Parolen sind salonfähig geworden, und rechtsextreme Rhetorik ist die geistige Saat für rechtsextreme, rassistische, antisemitische und islamfeindliche Gewalttaten. „Wehret den Anfängen“ ist nicht mehr ganz richtig – wir sind schon mitten drin.
Deshalb heißt es für uns als VVN / BDA, für uns Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, und für mich als Sozialdemokratin!nicht nur heute am 8. Mai: Nie wieder! Kein Fußbreit den alten und neuen Hetzern, kein Fußbreit dem Faschismus! Hoch die Internationale Solidarität.“
Rede Sascha Aulepp, SPD Landesvorsitzende, zum 8.Mai