Begrüßung zum 70. Jahrestag der Gründung der VVN-BdA Bremen

27. August 2017

Verehrte Anwesende, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Freunde,
zu unserer Veranstaltung 70 Jahre nach Gründung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes möchte ich alle herzlich begrüßen.
Eine neue Welt des Friedens und der Freiheit zu bauen, gelobten die Häftlinge von Buchenwald im April 1945. Nicht eher wollten sie ruhen, bis der letzte Verantwortliche für Faschismus, Krieg und Ermordung von Millionen Menschen vor seinem gesetzlichen Richter steht. Im Nürnberger Tribunal gegen die Hauptkriegsverbrecher, den Nachfolgeprozessen, im Potsdamer Abkommen offenbarten sich Interessenunterschiede zwischen den alliierten Mächten, die sehr bald Auswirkungen auf den Umgang mit Faschisten und ihren Unterstützern hatte.
Hermann Prüser, hatte er am 10. März 1933 in der Bremischen Bürgerschaft die letzte freie Rede in einem deutschen Landtag gehalten und die Sozialdemokraten zur Aktionseinheit mit den Kommunisten aufgerufen, um die Einsetzung eines Staatskommissars aus Berlin zu verhindern. Auf der Straße sollte sie stattfinden, wenn sie schon im Parlament nicht mehr möglich war. Nach der Befreiung vom Faschismus wurde er Vorsitzender des Entnazifizierungsausschusses, legte aber bald darauf sein Amt nieder, da man die Großen laufen lasse. In einem Brief an Bürgermeister Kaisen begründete er seinen Schritt: „Die Entnazifizierung wird … in der Öffentlichkeit diskriminiert, in der kleine, namenlose und wirtschaftlich ohnmächtige Beamte und Geschäftsleute bestraft und exponierte Vertreter der bremischen Wirtschaft und Verwaltung freigesprochen werden.“ Prozesse gegen die Mörder der Pogromnacht November 1938 wurden sehr spät eröffnet, die Täter zu niedrigen Strafen verurteilt und sehr schnell begnadigt.
Willi Meyer-Buer hatte sieben Zuchthausjahre und das KZ Sachsenhausen überlebt, nach einem schweren Bombenangriff drei Kollegen aus dem brennenden Geschäftshaus gerettet und das Dorf Hande vor der Zerstörung bewahrt. Als KPD-Fraktionsvorsitzender in der Bremischen Bürgerschaft kämpfte er entschieden gegen die Behinderungen bei der Bildung von Einheitsgewerkschaften durch die Militärbehörden an, die große Versammlungen verboten. Bürgermeister Kaisen wollte „wollte nicht auf belastete Nazis, in der Verwaltung, auf ehemalige Wehrwirtschaftsführer und Kriegsgewinnler … verzichten, sie seien Fachleute – so behauptete er – ohne deren Mitarbeit der Wiederaufbau Bremens nicht vorankommen könnte.“
Georg Gumpert, hatte er im KZ Börgermoor und in den Haftzellen des Landgerichts die Methoden von Gestapo und SS zu spüren bekommen. Als Bevollmächtigter für die Arbeitszuteilung war er nach der Befreiung nicht bereit, den Einsatz ehemaliger hochrangiger Nazis bei schweren körperlichen Arbeiten zu beenden und verzichtete auf einen hochrangigen Posten im Arbeitsressort des Senats.
Willy Hundertmark, Chefredakteur der kommunistischen „Tribüne der Demokratie“, ging es verstärkt um Aufklärungsarbeit für die Jugend. Die Verbrechen des Naziregimes sollten enthüllt, der antifaschistische Widerstand gewürdigt werden. Unterstützt wurde er von der KPD-Bürgerschaftsabgeordneten Maria Krüger, die den Bremer Frauenbund aufbaute und sich intensiv für die geschichtliche Aufarbeitung einsetzte.
Sie alle beteiligten sich vor 70 Jahren an der Gründung der VVN.
Heute stehen wir in einer veränderten Situation. Der Schwur von Buchenwald wird von Halbwissenschaftlern als Fälschung diffamiert. Er wird herangezogen, um der VVN-BdA ihre Verdienste um die Erhaltung und Verteidigung der Demokratie abzusprechen und erneut Berufsverbote gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten zu verhängen.. Der Prozess gegen den NS-Untergrund schleppt sich nach vier Jahren in die Schlusskurve. Unterschlagen und durch Aktenvernichtung behindert wird die schützende Hand des Verfassungsschutzes. Das Bundesverfassungsgericht sieht keine Veranlassung, die NPD zu verbieten. Zu unbedeutend sei sie, um den Griff zur Herrschaft vollziehen zu können. Aus der Kameradschaftsszene hervorgegangene Gruppierungen dürfen im Schutze des Parteienprivilegs Gelder für ihre menschenfeindliche Propaganda kassieren.
Terror-Anschläge religiöser Fanatiker werden für konservative Politik und Behörden zum willkommenen Anlass, die Sicherheitsarchitektur auszubauen. Das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei wird zunehmend aufgeweicht, die Polizei paramilitärisch aufgerüstet. Ängste in der Bevölkerung werden medial verstärkt und zunehmend gegen linke Kräfte gerichtet. Geflüchtete geraten ins Visier der Überwachung, ihre Abschiebung in vermeintlich sichere Herkunftsländer vorantrieben.
Anlässlich der Grundsteinlegung des KZ-Ehrenfelds auf dem Osterholzer Friedhof, unter dem 577 Tote aus ganz Europa ruhen, schrieb Eberhard Peters, Gesellschafter des Weserkuriers am 9. September 1947: „Die Toten mahnen – damit nicht unsere Kinder demselben Moloch geopfert werden.“ Auf jedem Grabstein für Politische und Soldaten, so Peters, müsse eigentlich stehen: “Für gewisse Konzerninteressen geopfert.“ Seit 1999 ist Krieg von deutschem Boden aus wieder machbar geworden, entgegen dem Verbot des Grundgesetzes, schamvoll als Friedensmission. Das Anwachsen der Zahl Geflüchteter wird zum Argument für ein Eingreifen in die inneren Verhältnisse der Herkunftsstaaten. Der Griff nach der Weltmacht, das Verlangen nach einem „Platz an der Sonne“, werden mit der veränderten Rolle der Bundesrepublik in der Welt begründet. Patriotismus wird mit Blick auf die Vereinigten Staaten wieder in deutsche Fahnen gekleidet.
Demgegenüber hält die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen daran fest, dass in solidarischer Gemeinschaft der Völker eine neue Welt des Friedens und der Freiheit geschaffen werden muss.
Raimund Gaebelein (Begrüßung anlässlich der 70-Jahrfeier der VVN-BdA Bremen am 24. August 2017 in der St. Pauli Gemeinde Neustadt