Grußwort

geschrieben von Klaus Hübotter

22. August 2007

In meinem Mitgliedsbuch steht, dass ich seit 1982 Mitglied der VVN bin, also seit 25 Jahren. Das stimmt aber nicht.

Liebe Bürgermeister Hans Koschnick und Jens Böhrnsen, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kameradinnen und Kameraden!

Zunächst bitte eine persönliche Anmerkung:

In meinem Mitgliedsbuch steht, dass ich seit 1982 Mitglied der VVN bin, also seit 25 Jahren. Das stimmt aber nicht. Ich bin es bereits seit 1964, also seit über einem halben Jahrhundert, seit meiner Entlassung aus dem Essener Untersuchungsgefängnis, in das ich 1953 wegen meiner Mitgliedschaft in der Freien Deutschen Jugend eingesperrt worden war, zusammen mit meinem damaligen und heutigen Freund Jupp Angenfort, dem Landessprecher der VVN Nordrhein-Westfalens, von dem ich die VVN in Bremen am heutigen Tage herzlich grüßen soll.

So habe ich mir also die Anrede mit 9 Monaten Einzelhaft (Jupp saß 5 Jahre!) doch ein wenig verdient, im Übrigen mit einem Nichts im Verhältnis zu den Tortouren der Antifaschisten in der Nazizeit. Und nun gratulieren ich uns und allen Antifaschisten zum Geburtstag. Mein Geburtstagsgeschenk, zusammen mit der Bremer Volkshochschule ist dieser Veranstaltungsraum, der nicht geschichtsbewusster eingeweiht werden kann als durch unsere heutige Feier.

Vortrag: Die vergessenen Widerstandskämpfer

geschrieben von Rechtsanwalt Heinrich Hannover

22. August 2007

Wenn bei offiziellen Feierlichkeiten von Widerstand gegen das Nazi-Regime die Rede ist, dann wird mit Sicherheit der Offiziere der deutschen Wehrmacht gedacht, die am 20. Juli 1944 das misslungene Attentat gegen Hitler unternommen haben.

Wenn bei offiziellen Feierlichkeiten von Widerstand gegen das Nazi-Regime die Rede ist, dann wird mit Sicherheit der Offiziere der deutschen Wehrmacht gedacht, die am 20. Juli 1944 das misslungene Attentat gegen Hitler unternommen haben. Dass der Widerstand gegen den Hitler-Faschismus sehr viel früher begonnen hat und daß er von Menschen getragen wurde, die, anders als die Männer des 20. Juli, an den Verbrechen der deutschen Wehrmacht nicht teilgenommen haben, wird im öffentlichen Bewußtsein der bundesdeutschen Bevölkerung seit jeher unterdrückt. Vor allem wird verschwiegen, daß die Kommunisten im Widerstand gegen das Nazi-Regime eine herausragende Rolle gespielt haben, daß sie neben linken Sozialdemokraten und Antifaschisten aus anderen politischen Parteien die meisten Kämpfer gestellt haben, aber auch die meisten Opfer bringen mußten.

Immer wenn sich die Machtübernahme der Nazis im Jahre 1933 jährt, wird gern der mutigen Rede des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Wels und der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes durch die aus 120 Abgeordneten bestehenden SPD-Fraktion gedacht. Aber wer von der jüngeren Generation weiß, daß bei der Wahl vom 5.März 1933, der Zeitungs- und Demonstrationsverbote, Verhaftungen und Ermordungen von Kommunisten vorangegangen waren, noch 81 Kommunisten in den Reichstag gewählt und dann von der Nazi-Regierung verhaftet wurden, um die Mehrheit für Hitlers Ermächtigungsgesetz zu ermöglichen? Wer von den Jüngeren weiß, dass von den rund 300.000 KPD-Mitgliedern des Jahres 1932 etwa 150.000 mehr oder weniger lange in Haft waren und dass bis zum Ende der Nazi-Zeit etwa 20.000 deutsche Kommunisten ermordet worden sind?

Dass nicht nur Hitlers, sondern auch Stalins Schergen Tausende deutscher in die Sowjet-Union geflüchteter Kommunisten umgebracht haben, bildet ein besonders trauriges Kapitel der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die Geschichtsschreiber der herrschenden Klasse haben in ihrer antikommunistischen Grundtorheit Stalins Terror nicht als entsetzliche Fehlentwicklung des Sozialismus begriffen, sondern als Normalität der sozialistischen Gesellschaftsordnung hingestellt. Es wäre an der Zeit, auch die von Stalinisten ermordeten Kommunisten als Widerstandskämpfer und als zum Schweigen gebrachte Hoffnungsträger für einen besseren Sozialismus zu würdigen.

Der Massenmord an deutschen Kommunisten und Sozialisten, diesen entschiedensten Gegnern des kapitalistischen Wirtschaftssystems, kommt in dem, was die Masse der deutschen Zeitgenossen über Geschichte weiß, nicht vor. Geschichte wird von den Herrschenden geschrieben und gelehrt. Und mit ihrer Medienmacht hat die herrschende Klasse ein öffentliches Bewusstsein hergestellt, in dem der von Kommunisten, linken Sozialdemokraten, Pazifisten und anderen Antifaschisten geleistete Widerstand nicht die ihm zukommende Hochachtung erfährt.

Ich will zwei Beispiele dafür nennen, wie das kollektive Wissen vom deutschen Widerstand gegen das Naziregime manipuliert worden ist.

Als Mitte der 80er Jahre eine Gedenktafel für die von den Nazis ermordeten Reichstagsabgeordneten angebracht werden sollte, wollte der damalige Hausherr, Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU), verhindern, dass die Parteizugehörigkeit der Ermordeten angegeben wurde. Es sollte nicht daran erinnert werden, daß von den 83 ermordeten Reichstagsabgeordneten 33 Sozialdemokraten und 40 Kommunisten waren.

Ähnliches spielte sich in Hamburg ab. Auch hier wollte man auf der im Rathaus angebrachten Ehrentafel die Parteizugehörigkeit und sogar die Namen der von den Nazis ermordeten Bürgerschaftsabgeordneten verschweigen. Hier sind sie:

Dr. Max Eichholz (Deutsche Staatspartei) Dr. Kurt Adams (SPD) Adolf Biedermann (SPD) Dr. Theodor Haubach (SPD) Otto Schumann (SPD) Etkar Andé (KPD) Bernhard Bästlein (KPD) Gustav Brandt (KPD) Hugo Eickhoff (KPD) Hermann Hoefer (KPD) Franz Jacobs (KPD) Fritz Lux (KPD) Adolf Panzner (KPD) August Schmidt (KPD) Theodor Skorzisko (KPD) Hans Westermann (KPD) und Ernst Thälmann (KPD).

Nur ein paar Namen von vielen tausend ermordeten Widerstandskämpfern, die auf keinem Gedenkstein eingemeißelt und in keiner Feierstunde genannt werden.

Oder wer weiß noch, wer Robert Stamm war? Im Jahr 1900 in Remscheid geboren wuchs er in einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie auf und schloss sich während seiner Lehre als Werkzeugschlosser der Spartakusgruppe um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht an. 1919 trat er der KPD bei und nahm 1920 an den Abwehrkämpfen gegen den Kapp-Putsch teil. In den folgenden Jahren verschiedene Funktionen in der KPD und bei kommunistischen Zeitungen. 1930 bis 1933 leitete er in Bremen den Bezirk Nord-West. Er gehörte zu denen, die den Deutschen rechtzeitig gesagt haben: „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“ Im Juli 1932 wurde er als Abgeordneter für den Wahlkreis Weser-Ems in den Reichstag gewählt. Am 7. Februar 1933 nahm er an der illegalen Tagung des Zentralkomitees der KPD im Sporthaus Ziegenhals bei Berlin teil, auf der Ernst Thälmann seine letzte Rede gehalten hat. Er entging nach 1933 zunächst der Verhaftung und konnte illegale politische Arbeit leisten. Erst 1935 wurde er durch die Gestapo verhaftet, schwer gefoltert und schließlich nach langer Haftzeit wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Am 4.Juni 1937 wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 4.November 1937 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Die Bremer KPD nannte ihr Parteihaus in der Lindenhofstraße, das von den Nazis enteignet und nach dem Zusammenbruch des Hitler-Reichs im Wege der Wiedergutmachung faschistischen Unrechts zurückerstattet worden war, nach dem von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Robert Stamm-Haus. Am 17.August 1956 wurde das Robert Stamm-Haus durch das auf Antrag der Regierung Adenauer ergangene KPD-Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts zum zweiten Mal enteignet. Ich habe als Anwalt von KPD-Genossen, die das Haus auf eigene Kosten instand gesetzt hatten, beim Bremer Verwaltungsgericht vergeblich um die Freigabe gekämpft.

Es gibt in Bremen kein Robert Stamm-Haus mehr, nur eine Stammstraße, und man darf rätseln, ob sie nach Robert Stamm benannt ist. Wenn sie Robert Stamm-Straße geheißen hätte, wäre sie wahrscheinlich längst umbenannt.

Ich habe Robert Stamm hier als Beispiel für etwa 20.000 von den Nazis ermordete Kommunisten angeführt, von denen heute kaum noch jemand etwas weiß. Aber auch die Überlebenden des faschistischen Mordsystems sind in Vergessenheit geraten. Oder richtiger: was sie in der Zeit der Naziherrschaft erlitten haben, jahrelange Einsperrung und Mißhandlungen in Konzentrationslagern, Gefängnissen und Zuchthäusern, Demütigung und Not der Familien, ist aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängt worden.

Es hat nach dem Zusammenbruch des Hitler-Reichs 1945 in den Westzonen nur eine kurze Zeit der politischen Windstille gegeben, in der die überwältigende Mehrheit der Deutschen, die ihrem Führer zugejubelt hatten, nicht recht wussten, in welchen Wind sie ihr Fähnchen nun hängen sollten. Es war die Zeit, in der Menschen, die den Nazi-Terror in Zuchthäusern und Konzentrationslagern überlebt hatten, auch in Westdeutschland in verantwortungsvolle politische Positionen berufen wurden und am Wiederaufbau demokratischer Strukturen mitgewirkt haben. Es war die Zeit, in der man gern darauf verwies, daß es auch während der Nazi-Herrschaft ein anderes Deutschland gegeben hatte, Menschen, die sich dem staatlichen Unrecht widersetzt und dafür tausendfach mit Verlust ihrer Freiheit oder Verlust ihres Lebens bezahlt haben.

Aber in Herrn Adenauer fanden die Westdeutschen eine neue Identifikationsfigur, einen Bundeskanzler, der dafür plädierte, mit der „Naziriecherei“ Schluß zu machen, und den Kommentator der Judengesetze zu seinem Staatssekretär ernannte. Mit Adenauer und seinem Anhang hatten die Westdeutschen wieder eine konservativ und national gesinnte Obrigkeit, die dafür sorgte, daß die von den Siegermächten aus ihren Ämtern entfernten Beamten und Richter zurückkehren konnten, dass die als Kriegsverbrecher verurteilten Hitler-Generäle begnadigt und zum Aufbau der Bundeswehr herangezogen wurden. Adenauer machte auch die antikapitalistischen Aussagen des CDU-Programms von 1947 vergessen, das dem kapitalistischen Gewinn- und Machtstreben eine klare Absage erteilt hatte. Und so konnten auch die Wirtschaftsbosse der großen Konzerne ihre Chefsessel wieder einnehmen, die sie wegen ihrer Unterstützung von Hitlers Kriegswirtschaft, wegen der Lieferung von Giftgas für den Judenmord und wegen der Ausbeutung von Zwangsarbeitern vorübergehend hatten räumen müssen. Damit waren die alten Machtverhältnisse wiederhergestellt, gegen die Kommunisten und andere Antifaschisten vergeblich gekämpft hatten, und das Personal wieder beisammen, das in den Jahren der Naziherrschaft Widerstandskämpfer verfolgt, eingesperrt und ermordet hatte.

Die unter dem Namen Restauration in die Geschichte eingegangene Rückwärtsentwicklung der bundesdeutschen Geschichte unter der Regierung Adenauer war verbunden mit einer unglaublichen Regression des kollektiven Bewusstseins der westdeutschen Bevölkerungsmehrheit. Adenauer war mit seinem militanten Antikommunismus und durch die Berufung des Herrn Globke und anderer Naziverbrecher mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Und so traute man sich wieder, an alte Denkinhalte anzuknüpfen, die vorübergehend in Verruf geraten waren. Und binnen weniger Jahre hatten Millionen Bürger der BRD vergessen, daß sie 1945, als der fürchterlichste aller bisherigen Kriege noch in frischer Erinnerung war, mehrheitlich in dem Bekenntnis „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ einig gewesen waren.

Diese kollektive Gehirnwäsche gelang mit Hilfe einer Medienkampagne, die Adenauers Kommunistenhass und die Angst vor einem militärischen Überfall der Sowjet-Union in die Köpfe der Westdeutschen hämmerte. Nur wenige haben sich damals daran erinnert, dass die Methode dieser Hasspropaganda schon in Hitlers „Mein Kampf“ nachzulesen war, der dort über die „Kunst der Propaganda“ doziert hat, dass sie sich auf das Niveau des Beschränktesten einzustellen und einfachste Schlagworte tausendfach zu wiederholen habe,. Heute ist kaum noch vorstellbar, dass man in der Adenauer-Zeit den immer wiederholten absurden antikommunistischen Parolen wie „Die Russen kommen!“ oder „Lieber tot als rot“ kaum widersprechen konnte, ohne sofort als Sympathisant oder „nützlicher Idiot“ der Kommunisten abgestempelt zu sein.

Und so dauerte es nicht lange, bis die im Geiste des Hitler-Faschismus bewährte Mehrheit und deren Erziehungsprodukte wieder die Herrschaft über die Köpfe übernahmen und die Widerständler der deutschen Linken nach den alten Mustern der Goebbels-Propaganda diffamiert, kriminalisiert und aus dem politischen Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen wurden. Spätestens mit dem Adenauer-Erlass vom September 1950, der die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes zur kommunistischen Tarnorganisation und eine Mitgliedschaft für unvereinbar mit den Dienstpflichten eines Beamten erklärte, war die Rückkehr zu den alten Machtverhältnissen im Staatsapparat eingeleitet. Eine Entwicklung, die mit dem sogenannten 131er-Gesetz fortgesetzt wurde, das den wegen ihrer Nazi-Belastung aus dem Dienst entfernten Beamten einen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung verlieh.

Da kamen sie alle wieder, die als Gefolgsleute Hitlers den Massenmord an den Juden, Kommunisten, linken Sozialdemokraten, Zeugen Jehovas, Zigeunern und anderen mißliebigen Bevölkerungsgruppen zu verantworten hatten, die als Staatsanwälte und Richter einem Unrechtsregime gedient und Todesurteile gegen Widerstandskämpfer beantragt und gefällt hatten. Und sie nutzten ihre Positionen im Staatsapparat, insbesondere in der Justiz, um ihren alten Kameraden zu bescheinigen, dass deren Verbrechen verzeihlich und keineswegs karrierehindernd waren. Die restaurierte herrschende Klasse und ihre Medien sorgten dafür, dass ihre Verbrechen aus dem öffentlichen Bewusstsein so weit wie möglich getilgt und die Verdienste der ermordeten und der überlebenden Widerstandskämpfer, mit Ausnahme der Militäropposition, in Vergessenheit gerieten.

Die Verfolgten des Naziregimes sahen sich erneut ihren alten Verfolgern in den Machtpositionen des nunmehr als „freiheitlich-demokratisch“ firmierenden Staates gegenüber. Und die Verfolgten von einst wurden wiederum zu Verfolgten.

Es begann mit dem Verbot von Organisationen, die als „kommunistische Tarnorgansationen“ diffamiert wurden. Das betraf auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), in der Kommunisten, wie es nicht anders sein konnte, die Mehrheit bildeten. Das Verbot der VVN auf Bundesebene scheiterte allerdings beim Bundesverwaltungsgericht, das die Sache vertagte, ohne einen neuen Termin anzuberaumen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Vorsitzende des zuständigen Senats ein ehemaliges Mitglied der SA und der NSDAP war.

Das änderte aber nichts daran, dass die VVN in der Verwaltungspraxis als verfassungsfeindliche Organisation behandelt wurde. Als ich im September 1950 meine Einstellung als Gerichtsreferendar in den Bremer Justizdienst beantragte, um die Voraussetzung für die spätere Zulassung als Rechtsanwalt zu erfüllen, musste ich die von der Adenauer-Regierung verfügte schwarze Liste unterschreiben, in der alle „kommunistischen Tarnorganisationen“ aufgeführt waren, in der Mitglied zu sein mit den Pflichten eines bundesdeutschen Beamten unvereinbar war. Zu meinem Glück war ich nicht Mitglied der VVN, sonst hätte ich nie Rechtsanwalt werden können. Der Begriff Berufsverbot war noch nicht erfunden, aber es wurde schon praktiziert.

Dann kam das 1.Strafrechtsänderungsgesetz von 1951, mit dem eine von alten Nazis majorisierte Justiz die radikale – und das heißt: die an die Wurzeln gehende – Opposition gegen Adenauers Politik der Remilitarisierung und Renazifizierung abstrafte und unterdrückte. Eine Gesinnungsjustiz, die nicht nur Kommunisten betraf, sondern oppositionelle Meinungsäußerungen und Aktivitäten schon dann als staatsgefährdend und verfassungsfeindlich definierte, wenn diese mit kommunistischen politischen Forderungen inhaltlich übereinstimmten (Konsensschuldvorwurf) oder in organisatorischer Gemeinsamkeit mit Kommunisten geäußert wurden (Kontaktschuldvorwurf).

Und mit dem KPD-Verbot von 1956 wurde schließlich die von der herrschenden Klasse nur widerwillig geduldete legale Existenz dieser Partei erneut beendet und ein Straftatbestand in Kraft gesetzt, der jede politische Betätigung von Kommunisten und Nichtkommunisten, die nach Meinung der Staatsanwälte und Richter den Interessen der verbotenen KPD oder der als deren Ersatzorganisation definierten SED diente, mit Strafe bedrohte.

Aus der Masse der Strafverfahren, die sich in den Jahren 1951 bis 1968 gegen 150.000 bis 200.000 Personen richteten, will ich nur eines herausheben, an dem ich selbst als Verteidiger mitgewirkt habe.

Von November 1959 bis April 1960 fand vor dem Landgericht Düsseldorf das Strafverfahren gegen führende Persönlichkeiten des Friedenskomitees der Bundesrepublik Deutschland statt. Zu den Angeklagten gehörte ein Kommunist, der schon im Nazi-Reich als Widerstandskämpfer wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt wurde, der ehemalige Pfarrer Erwin Eckert, Jahrgang 1893, SPD-Mitglied von 1911 bis 1931, danach Mitglied der KPD. Als Kriegsgegner aus dem 1. Weltkrieg zurückgekehrt wurde er 1919 Stadtvikar in Pforzheim, später Pfarrer in Meersburg und ab 1927 in Mannheim. Wegen seines Eintritts in die KPD wurde er von seiner Kirche aus dem Pfarramt entlassen. Er hielt Vorträge, in denen er gegen die Gefahr des Hitler-Faschismus und des Militarismus Stellung bezog. Er sprach zum Thema „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“. Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 wird er zum ersten Mal verhaftet und sechs Monate eingesperrt. Im Juni 1936 folgt die zweite Verhaftung, Anklage und Verurteilung zu langjähriger Zuchthausstrafe. Nach dem Ende des Nazi-Reichs wird er Vorsitzender der KPD in Südbaden und Staatsrat in der Regierung Südbadens. Von 1947 bis 1952 Abgeordneter im ersten badischen Landtag, dann bis 1956 Angeordneter im baden-württembergischen Landtag. 1949 kandidiert Eckert als Kommunist für das Amt des Oberbürgermeisters in Mannheim, der Stätte seines einstigen Wirkens als Pfarrer, und erhält, obwohl der Gegenkandidat von SPD, CDU und FPD unterstützt wird, 35 % aller abgegebenen Stimmen.

Seine Arbeit im Friedenskomitee verstand Eckert als logische Fortsetzung seiner aus dem Erleben des 1. Weltkriegs resultierenden Friedensarbeit in der Vor-Hitler-Zeit. Für den Staatsanwalt war Eckerts Friedensarbeit nur eine Tarnung für seine eigentliche Absicht, die Diktatur des Proletariats und die kommunistische Weltrevolution herbeizuführen. Er warf Eckert vor, er benutze „seine Gabe, brillant zu formulieren und die in der Öffentlichkeit bekannte Tatsache, daß er früher Pfarrer gewesen ist, verbunden mit seinen dialektischen Fähigkeiten, um viele Personen dem kämpferischen Kommunismus zuzuführen, die diesen Weg nicht gegangen wären, wenn er von dem Angeklagten nicht so hervorragend getarnt worden wäre.“ Das Gericht, bestehend aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen, war der gleichen Ansicht und weigerte sich, die von der Verteidigung vorgelegten Beweismittel über die Friedensarbeit der Angeklagten überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und lehnte unsere Beweisanträge ab. Auf dem Hintergrund des im CDU-Staat herrschenden antikommunistischen Zeitgeistes konnten sie die Friedensarbeit von Kommunisten nur als Tarnung ihres wahren Zieles verstehen, die BRD gegenüber dem drohenden Überfall der Sowjets wehrlos zu machen. Dass in Düsseldorf nicht nur Kommunisten, sondern auch Nichtkommunisten auf der Anklagebank saßen und dass die Verteidigung etwa 50 Zeugen aus der Weltfriedensbewegung präsent gestellt hatte, die der angeblichen Verfassungsfeindlichkeit des Friedenskomitees widersprachen, beeindruckte die Richter und Schöffen in keiner Weise. In ihren Augen waren das eben alles „nützliche Idioten“, die sich von den Kommunisten über deren wahre Absichten hatten täuschen lassen. Das Urteil gegen Eckert lautete auf neun Monate Gefängnis – zur Bewährung ausgesetzt – wegen Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung (damaliger § 90 a).

Wenn ich Erwin Eckert als Beispiel für vergessene Widerstandskämpfer anführe, soll das nicht heißen, dass niemand mehr wüsste, wer Erwin Eckert war. In dem von Friedrich-Martin Balzer 1993 im Pahl-Rugenstein-Verlag herausgegebenen Buch „Ärgernis und Zeichen“ mit dem Untertitel „Erwin Eckert – Sozialistischer Revolutionär aus christlichem Glauben“ haben 15 Autoren, darunter Theologen und Wissenschaftler wie Hans-Werner Bartsch, Frank Deppe, Georg Fülberth, Hans Heinz Holz und Helmut Ridder, dieser bedeutenden Persönlichkeit des deutschen Widerstands gedacht. Und das ist nicht die einzige Veröffentlichung über Eckert. Aber im kollektiven Bewusstsein der Zeitgenossen kommt er ebensowenig vor, wie der sozialistische Widerstand überhaupt.

Der Düsseldorfer Prozeß gegen die deutschen Repräsentanten der Weltfriedensbewegung fand in der internationalen Presse große Beachtung, während die westdeutsche Öffentlichkeit so gut wie nichts von diesem fünf Monate dauernden Prozess erfuhr. Die Unterdrückung unerwünschter Informationen funktionierte, ohne dass es dazu noch eines Propagandaministeriums bedurfte. Und wer in offiziellen Archiven nach den Prozessakten forscht, wird vergeblich suchen, da die zuständige Staatsanwaltschaft die Akten und die von uns vorgelegten etwa 600 Dokumente zur Geschichte der deutschen Wiederbewaffnung, zur Vorbereitung des nächsten Krieges und zur Opposition gegen diese Staatsaktionen als historisch uninteressant bewertet und die Vernichtung veranlasst hat.

Es wäre viel zu lernen gewesen, nicht nur aus dem eindrucksvollen Lebenslauf des antifaschistischen Widerstandskämpfers Erwin Eckert, sondern auch aus der im Düsseldorfer Prozess von 1959/60 dokumentierten Arbeit des Friedenskomitees. Schon damals hätten die Deutschen aus den von der Verteidigung vorgelegten Beweismitteln erfahren können, dass der Weltfrieden nicht, wie es die Adenauer-Propaganda behauptete, von der Sowjet-Union gefährdet wurde, sondern von den USA und deren treuestem Vasallen, der deutschen Bundesregierung. Ein Thema, das ich an anderer Stelle (Sonderdruck der Zeitschrift „Ossietzki“: „Befreiung auf amerikanisch“) ausführlicher behandelt habe. Aber wir leben noch immer in einer von den Volksverdummungsstrategien der Adenauer-Zeit beeinflussten Medienumwelt, in der geschichtliche Informationsdefizite von den Sprechern und Schreibern der herrschenden Klasse geflissentlich aufrechterhalten werden.

Doch wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, dass eine zukünftige Generation, die auf ihre von Adenauer repräsentierten Groß- und Urgroßväter keine Rücksicht mehr zu nehmen braucht und deren Ungeist überwunden hat, sich der Widerständler erinnern wird, die schon vor Hitler und auch nach Hitler mit dem Mut der freien Rede gegen den im kapitalistischen System wurzelnden Faschismus und Militarismus gekämpft haben. Schon Gustav Heinemann hat daran erinnert, dassdeutsche Geschichte außer Untertanengeist und Massenmord auch Widerstand, freiheitliche Rebellion und Solidarität mit Unterdrückten kennzeichnet. In diesem Geiste könnte deutsche Geschichte, beginnend mit den Revolutionären von 1848/49 bis hin zu den antifaschistischen Widerstandskämpfern des 20. Jahrhunderts, neu geschrieben werden, eine Geschichte, der wir uns nicht zu schämen bräuchten.

Rede zum 60. Jahrestag der Gründung der VVN Bremen

geschrieben von Guido Hendrickx, Vorsitzender der Stiftung Meensel-Kiezegem 44

22. August 2007

Gründungstage begehen und noch dazu einen sechzigjährigen wie heute Abend bedeutet nicht nur feiern. Das außergewöhnliche Jubiläum beinhaltet zugleich einen Auftrag.

Herr Bürgermeister, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Freunde aus Meensel-Kiezegem, sehr geehrte Anwesende,

Gründungstage begehen und noch dazu einen sechzigjährigen wie heute Abend bedeutet nicht nur feiern. Das außergewöhnliche Jubiläum beinhaltet zugleich einen Auftrag. Feiern heißt immer auch ein wenig Abschied nehmen von einem Zeitabschnitt. Er wird betrachtet mit Rückblick, Erinnerung und Stolz. Das heißt auch, dass bewertet und der Blick auf die Zukunft gerichtet wird. Ich erinnere mich der Worte des niederländischen Sängers Stef Bros mit seinem Lied und Refrain: „Immer wenn du denkst – das ist das Ende – stehst du an der Grenze zu einem Beginn“.

Genau das ist hier vor 60 Jahren auch geschehen. Deutsche standen am Anfang einer „deutschen Zukunft“. Einer Zukunft, die durch Nazi-Vergangenheit gezeichnet war. Einem Augenblick, in dem der Wille ohne Faschismus zu leben notwendig schien. Der Krieg war vorbei, menschliches Leid nicht vergessen. Wie konnten wir das zulassen?

Als Verfolgte des Faschismus zusammengeschlossen, entwickelten sich ihre Vorläufer von auf sich bezogenen Bangbüxen mit einer leidenschaftlichen Stärke und unvorstellbarer Dynamik zu ausgesprochen mutigen Streitern. Sie hatten die drohende Wiederholung und Gefahr einer Wiederbelebung des Vergangenen vor Augen. Das stärkte ihre Kraft, den Kampf gegen den Faschismus fortzusetzen. Diese Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zog gleichsam eine Grenze, um zu verhindern, dass sich eine solche wahnwitzige Menschheitsgeschichte jemals wiederholt. Dazu kam, dass sich die Verfolgten bewusst waren, welchem Unheil sie entkommen waren. Im Widerstand und Protest, die die Welt veränderten, in unsichtbaren Siegen zum Ausdruck kamen, die unauffällig in einem historischen Rückblick zu Tage traten, wurde der unerbittliche Kampf der Antifaschisten ins Leben gerufen.

Vorläufer, Aktive von der ersten Stunde an, Freiwillige und Unterstützer von heute, keinen können wir unsterblich machen. Aber ihre schwierige Aufgabe können wir vor dem Vergessen bewahren. Unvergesslich … der Beweis dafür wird heute nach 60 Jahren erbracht.

Aufbruch in die Zukunft hieß es auch für die Stiftung Meensel-Kiezegem 44, als wir endlich beschlossen auf Spurensuche zu gehen nach den über 60 Mitbürgern, unseren Opfern des Nazi-Regimes, umgebracht und zurückgelassen in verschiedenen Lagern. Eine Spurensuche nach einer Verschleppung mit tödlichem Ausgang. Neuengamme blieb seit 1998 der Dreh- und Angelpunkt. Bremen war die große Unbekannte auf unserer Suche. Bis wir 2002 unerwartet in Kontakt mit Eurem Vorsitzenden Raimund Gaebelein kamen, der uns hilfsbereit einlud. Das ist genau fünf Jahre her. Die ersten Briefe, die ersten Berichte über das Gästebuch auf unserer Internetseite, sein selbstloser Einsatz und Eingreifen, sein Rat und Informationen führten zu

– einer Auseinandersetzung mit der bestürzenden Entdeckung der großen Zahl von Neuengamme-Außenlagern

– einem Durchforsten Bremens auf der Suche nach fluchbeladenen Einsatzorten

– einem Aufsuchen gut gepflegter Grabanlagen, die uns bis dahin unbekannt waren

– einem festen Programmpunkt mit Besuch von Schützenhof, Blumenthal und Farge

– einer besonderen Begegnung mit jungen Leuten, Schulen und Zeitzeugen

Nach und nach bekam das Unbekannte für uns ein Gesicht. Eine Umkehr in unserem Erleben. Der unwiderstehliche Drang mit großem Interesse wiederzukommen.

Bremen wurde Haltepunkt auf unserer jährlichen Gedenkreise. Bremen, dem wir schon früher mit versöhnlicher Haltung entgegentraten, hat sich heute zu einer Haustür entwickelt, durch die wir weitere Lagerorte woanders besuchen können. Inzwischen sind wir uns der heilsamen Kraft dieser Begegnungen bewusst, vor allem der Kontakte mit noch lebenden Zeitzeugen. Die Wachstumsziele beider Vereinigungen bewirken, dass wir das heute ungebrochen als Freunde befestigen können: Zusammenarbeit beim antifaschistischen Gedenken und stetig wachsam sein für Demokratie, Freiheit und Beachtung der Rechte aller Menschen. Herr Vorsitzender, lieber Freund Raimund Gaebelein, herzlichen Glückwunsch zum 60. Jahrestag der Gründung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Ich möchte mich persönlich und im Namen der Stiftung Meensel-Kiezegem 44 für die Einladung zum heutigen Abend bedanken. Unsere zehnte Gedenkreise wird damit eine unauslöschliche Erinnerung erhalten. Wir wissen, dass unsere Zeit begrenzt ist. Hier dabei sein zu können ist eine große Anerkennung und ein würdiges Geschenk an die Stiftung Meensel-Kiezegem 44. Mit respektvoller Dankbarkeit verdient es dann auch eine tiefe Verbeugung und ein wohlgemeintes: Danke für alles.

Rede zum 60. Jahrestag der Gründung der VVN Bremen

geschrieben von Dr. Udo Witthaus (Direktor der Bremer Volkshochschule)

22. August 2007

Vor 70 Jahren haben die Nationalsozialisten den sozial, politisch und kulturell engagierten Julius Bamberger in den wirtschaftlichen Ruin getrieben und ihn gezwungen, sein Kaufhaus Bamberger zu schließen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Böhrnsen, sehr geehrter Herr Alt-Bürgermeister Koschnik, sehr geehrter Herr VVN-Landesvorsitzender Gaebelein, lieber Herr Dr. Hübotter, verehrte belgische Gäste von der Stiftung Meensel-Kiezegem 44,

liebe Gäste,

als Direktor der Bremer Volkshochschule heiße ich Sie herzlich willkommen im Bamberger Haus, unserem neuen Domizil, das wir Anfang Juli bezogen haben. Für die Bremer Volkshochschule ist es eine besondere Ehre, dass Ihre Veranstaltung die erste ist, die in diesem neu eröffneten traditionsreichen Gebäude stattfindet. Auch wenn noch nicht alles fertig ist für unsere große Eröffnung in 14 Tagen, und die Handwerker noch viel zu tun haben – schauen Sie also heute Abend noch nicht in jede Ecke – so ist dieser Ort meines Erachtens doch ein sehr angemessener Rahmen für Ihre Jubiläumsfeier.

Vor 70 Jahren haben die Nationalsozialisten den sozial, politisch und kulturell engagierten Julius Bamberger in den wirtschaftlichen Ruin getrieben und ihn gezwungen, sein Kaufhaus Bamberger zu schließen. Trotz seiner erfolgreichen Flucht über die Schweiz und Frankreich in die USA hat sich Bamberger von dieser Verfolgung nie erholt und starb dort 1951 verarmt. Vor einigen Wochen hat Dr. Hübotter den alten Schriftzug „Bamberger“ wieder auf den aufgebauten Turm anbringen lassen. Ausgerichtet in alle vier Himmelsrichtungen, ist der Name Bamberger im Bremer Stadtbild seither nicht mehr zu übersehen. Diesen großen Veranstaltungssaal haben wir als Bremer Volkshochschule „Julius-Bamberger-Saal“ genannt. Somit wird der Name Julius Bamberger zukünftig gemeinsam mit vielen Veranstaltungen genannt werden, die hier stattfinden. Schriftzug und Saalname werden helfen, die Erinnerung an ihn wach zu halten.

Wenn jetzt die VHS im Bamberger ihre Arbeit aufnimmt, dann machen wir damit das Haus zu einem Ort der offenen Begegnung von Menschen und Ideen. „Miteinander leben – voneinander lernen“: unser Leitmotiv werden wir in diesem Haus gut entfalten können. Dialog, Verständigung, Toleranz – bei uns treffen sich Menschen unterschiedlicher Kulturen und aus allen gesellschaftlichen Milieus, hier werden wichtige Grundlagen für Integration gelegt. Und hier arbeiten wir daran, gesellschaftliche Ausgrenzung nicht zuzulassen sondern die Menschen für Teilhabe am sozialen und politischen Leben zu stärken und kompetent zu machen. Wir werden das Bamberger Haus zu einem Forum machen für öffentliche Debatten über aktuelle gesellschaftliche Fragen und Zukunftsentwürfe.

Und es wird ein Ort des Erinnerns bleiben: So hat die Volkshochschule zur Eröffnung am 7. September Nachfahren von Julius Bamberger, Enkel und Urenkel eingeladen, die unter anderem in einem Erzählcafé über ihren Großvater berichten werden. Im Herbst wird im (Treppen)Haus eine Dauerausstellung zum Leben Julius Bambergs eröffnet.

Herr Gaebelein, Sie haben in der heutigen taz auf die pädagogische Herausforderung verwiesen, die sich aus dem Verlust der Zeitzeugen ergibt. Für Sie und die VVN, aber auch andere Bildungseinrichtungen bedeutet das, die Erinnerungsarbeit zukünftig vermehrt in anderer Weise zu gestalten. Ich wünsche Ihnen dafür gute Ideen, Konzepte und nachhaltige Lernerfolge. Die Bremer Volkshochschule als Weiterbildungseinrichtung mit einem starken Standbein „politische Bildung“ ist in hierfür ein verlässlicher Kooperationspartner und starker Netzwerkknoten.

Ich wünsche der VVN alles Gute für Ihre weitere Arbeit. Ihnen allen, liebe Gäste, wünsche ich einen interessanten Abend im Bamberger. Viele Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Ansprache am 23. August 2007 zum 60. Jahrestags der Gründung der VVN Bremen im Bambergerhaus

geschrieben von Raimund Gaebelein (VVN-BdA Bremen)

22. August 2007

Am 26. April 1945 waren die letzten Kampfhandlungen in Bremen beendet, die Stadt von englischen Truppen besetzt. Die Bilanz von 12 Jahren Faschismus: fast 1.000 Bremerinnen und Bremer waren aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen ermordet worden, Tausende von Zwangsarbeitern durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen umgekommen. Die Stadt war eine Trümmerwüste.

Verehrte Bürgermeister, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Freunde aus Meensel-Kiezegem, sehr geehrte Anwesende,

Am 26. April 1945 waren die letzten Kampfhandlungen in Bremen beendet, die Stadt von englischen Truppen besetzt. Die Bilanz von 12 Jahren Faschismus: fast 1.000 Bremerinnen und Bremer waren aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen ermordet worden, Tausende von Zwangsarbeitern durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen umgekommen. Die Stadt war eine Trümmerwüste. Am 27. April trafen sich 28 Antifaschisten zu ihrer ersten legalen Zusammenkunft. Sie gründeten die Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus und erarbeiteten ein Sofortprogramm. Mitte 1945 gab es bereits 35 Ortsgruppen der KgF mit 6.500 Mitgliedern. Ihr aktiver Einsatz galt der Wiederingangsetzung der Produktion, der gerechten Verteilung von Arbeit, Lebensmitteln und Wohnungen. Trotz unterschiedlicher politischer Meinungen und religiöser Bekenntnisse stimmten sie darin überein, dass der Einfluss der Kräfte, die hinter dem Faschismus standen, endgültig gebrochen werden musste, dass es galt eine antifaschistisch-demokratische Friedensordnung zu schaffen. Am 16. Dezember 1945 beendete die KgF ihre Tätigkeit mit einem Appell an alle inzwischen wieder zugelassenen demokratischen Parteien und Organisationen, weiter für diese Ziele zu kämpfen. Die Welt wandelte sich grundlegend. Die Entnazifizierung in den drei westlichen Besatzungszonen geriet ins Stocken, die Enteignung der Monopole kam gar nicht erst zustande. Dieselben Kapitalkreise, die Hitlers Aufstieg ermöglicht hatten, blieben im Besitz der Fabriken und Banken. Belastete Nazis und Wehrwirtschaftsführer wurden rehabilitiert und gelangten wieder in wichtige Stellen in Wirtschaft, Politik, Justiz, Verwaltung und Bil­dungswesen. Die Mehrzahl der Nazimörder und Schreibtischtäter kam mit geringen Strafen davon oder wurde nicht belangt. Schrittweise wurden „immer mehr diejenigen Kräfte, die sich wirklich im Antinazikampf bewährt haben, aus der Öffentlichkeit weggezogen, weggezerrt, weggedrückt.“ So konnte es keinen wirklichen demokratischen Neuaufbau geben. In der ersten Septemberwoche 1947 wurde der Landesverband Bremen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes gegründet. Zu seinen Gründungsmitgliedern gehörten: Fritz Bolte, Fritz Böttcher, Heinrich Enderling, Ernst Fenner, Bob Fregin, unsere langjährigen Landesvorsitzenden Theo Gassmann und Schorse Gumpert, Horst Hackenbroich, Liesbeth Jessart, Maria Krüger, Hans-Ludwig Meier, Willy Meyer-Buer, Udo Meinecke, unser letztes noch lebendes VVN-Gründungsmitglied Alma Müller, Willi Müller, Ernst Niehoff, Johann Onasch, Erich Pape, Jakob Pfarr, Käthe Popall, Heinz Pophusen, Hermann Prüser, Willi Schäfter, Ella Schneider, Heinrich Schramm, Lina Schwarz, Willi Seipel und Kalli Weidner. Sie hatten Verhör und Folterung in der Ostertorwache, im Gösselhaus, KZ-Mißler und Ochtumsand hinter sich, jahrelange Gefängnisstrafen in Oslebshausen, Lübeck oder Vechta, KZ-Haft in Buchenwald, Dachau, Esterwegen, Mauthausen, Sachsenhausen oder das Bewährungsbataillon 999 überlebt. Die VVN gründete sich, um politisch der Welt und dem deutschen Volk zu zeigen, dass „die besten, fortschrittlichsten, klarblickensten Menschen, Männer und Frauen, es sind, die gestern gelitten haben und die heute als Warner und Wegweiser antreten,“ so Dr. Hans Mayer in seinem Eröffnungsreferat anlässlich der Interzonalen Konferenz der VVN März 1947 in Frankfurt/Main. Als Hauptaufgabe stellte sich die VVN die Verwirklichung einer antifaschistischen Demokratie in Deutschland, den Kampf gegen alle Überreste von Nazismus und Militarismus, Rassenwahn und Antisemitismus gemeinsam mit allen fortschrittlichen Kräften. Die wirklich Schuldigen waren und sind gerecht zu bestrafen. Eine der wichtigsten Aufgaben sah und sieht die VVN in der Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere der Jugend über die faschistischen Verbrechen, um eine Wiederholung für immer zu verhindern. Über alle Grenzen von Weltanschauung und Parteischranken hinweg galt und gilt das Gedenken der Opfer des Widerstandskampfes, die Solidarität über alle Grenzen hinaus mit unseren ausländischen Bruderorganisationen und Opferverbänden. Die VVN erachtet es als Ehrenpflicht des Staates die durch den deutschen Faschismus angerichteten Schäden an Gesundheit und Eigentum aller ehemals Verfolgten, Angehörigen und Hinterbliebenen zu Lasten der Schuldigen und Nutznießer an Faschismus und Eroberungskrieg zu regeln. Gegen den Widerstand großer Teile der Bevölkerung wurde die Bundesrepublik aufgerüstet und in die NATO eingegliedert. Die ehemaligen Widerstandskämpfer waren in den ersten Reihen derer zu finden, die gegen Aufrüstung und den Abbau demokratischer Rechte kämpften. Die Gefährlichkeit dieser Tendenzen wird durch die Tatsache verstärkt, dass die Grenzen zwischen der konservativen Rechten, Militaristen und Revanchisten zum einen und Neofaschisten zum anderen fließend sind. Am 4. November 2006 haben sich 10.000 Menschen klar und deutlich gegen den Aufmarsch der NPD in Gröpelingen ausgesprochen. In der Durchsetzung ihrer Ziele setzt die NPD auf Gewalt und bietet den militanten Freien Kameradschaften Führungsstellen in ihren Vorständen. Unter dem Schutz der Immunität hetzen sie gegen alles Nichtdeutsche und greifen Behinderte und Obdachlose an. Rassismus und Antisemitismus durchziehen die Ansprachen bei ihren wöchentlichen Aufmärschen. Mit demagogischen Losungen hatten sie bereits Sitze in den Landtagen von Sachsen, Berlin und Mecklenburg erzielen können. Auch in Bremen haben sie über die DVU Beiratsmandate und das Bürgerschaftsmandat über Bremerhaven erhalten. Vor vier Jahren wurde der Verbotsantrag der höchsten Organe unseres Landes vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen. Die Verbotsgründe bestehen nach wie vor, mehr noch, sie treten immer deutlicher hervor. Daher sammelt unsere Vereinigung bundesweit Unterschriften für einen Appell an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, einen neuen Antrag auf ein Verbot zu stellen. Er wurde bundesweit bisher von mehr als 100.000 Menschen unterschrieben, weit über 3.600 alleine in Bremen. Wir appellieren an die demokratischen Fraktionen der Bürgerschaft, die NPD-Verbotskampagne zu un­terstützen und auf die Bremer Bundestagsabgeordneten einzuwirken, ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD auf den Weg zu bringen. Wir fordern den neugewählten Senat auf, sich der Initiative des Berliner Innensenators Eberhardt Körting anzuschließen und die Voraussetzungen zu schaffen, damit einem erneuten Verbotsverfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD endlich Erfolg beschieden ist.

Erklärung der Linken zu Stadtteil gegen Rassismus

geschrieben von Raimund Gaebelein für Die Linke Fraktion im Beirat Gröpelingen

18. Juni 2007

Am 4. November haben sich 10.000 Menschen klar ….

Am 4. November haben sich 10.000 Menschen klar und deutlich gegen den Aufmarsch der NPD in Gröpelingen ausgesprochen. Das Wiederholen rassistischer Parolen stieß auf einhelligen Widerstand. Auch in den folgenden Wochen zeigte sich recht deutlich, dass neofaschistische Vorschläge zur Lösung unserer Sozialen Problemen nicht ankommen. Sollte sich das Klima bis zu den Beiratswahlen so verändert haben? Weniger als die Hälfte der Gröpelingerinnen und Gröpelinger ging zur Wahl, 8,3% haben rassistische Parolen gewählt. Nicht NPD/DVU, die sind hier nicht angetreten, aber dafür zwei Parteien, die Ihnen in Punkto Rassismus und Fremdenfeindlichkeit um nichts nachstehen. Ich spreche von den Republikanern und den Konservativen. Arbeitsplätze entstehen nicht durch Ausweisung von Menschen. Wohin hat uns denn der Weg geführt, als eine Partei die Ausweisung all derer forderte, die keine deutsche Abkunft hatten? Gehen Sie in die Johann-Kühn-Straße 24. Johann Kühn starb auf dem Todesmarsch nach Bergen-Belsen. Familie Littmann wurde erst ausgewiesen, dann beraubt und schließlich auf dem Weg in die Vernichtung erschlagen. Republikaner und Konservative haben uns nichts anzubieten als hohle Phrasen. Wir brauchen keine Lösung sozialer Probleme aufkosten eines Teils unserer Menschen hier! Wir wollen zusammenleben, egal wo einer herkommt. Gröpelingen ist einmal mithilfe der Menschen zu Wohlstand gekommen, die sie als Sozialschmarotzer abtun! Wir wollen eine Welt ohne Faschismus und ohne Krieg. Wir lassen uns das Zusammenleben nicht zerstören. Wir alle sind Gröpelingen. DIE LINKE stimmt dem vorliegenden Antragsentwurf zu

Von Generation zu Generation

geschrieben von Julia und Zeki Min

26. April 2007

Es war ein Montagnachmittag an dem wir, Julia (Gewerkschaftsmitglied in der NGG) und Zeki Min (Lehramtstudent in Berlin und Gitarrist/Sänger in der Punkrockband F3), das Büro der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) in Bremen betraten.

Es war ein Montagnachmittag an dem wir, Julia (Gewerkschaftsmitglied in der NGG) und Zeki Min (Lehramtstudent in Berlin und Gitarrist/Sänger in der Punkrockband F3), das Büro der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) in Bremen betraten. Begrüßt wurden wir dort herzlich von einem sehr netten Mann, der sich uns als Raimund Gaebelein vorstellte. Wir wollten uns Informationen und Unterschriftenlisten für die no·npd Aktion abholen, auf die uns die Gewerkschaft aufmerksam gemacht hatte.

Da wir in letzter Zeit sehr viel mit der Band unterwegs sind, ist dies eine optimale Situation Unterschriften zu sammeln und die Aktion publik zu machen. Denn Punkrock und Antifaschismus sind zwei Dinge, die Hand in Hand gehen (sollten). Innerhalb von zwei Wochen bekamen wir auf unseren Konzerten in Hannover, Bremen, Emden und Wilhelmshaven 489 Unterschriften zusammen.

Kommentare wie: „Nichts lieber als das“, „Ich unterschreibe mit ganzem Herzen“ und „Das ist die coolste Aktion seit langem“ bestätigten uns in unserem Tun und verdeutlichten, was wir schon längst wussten: Das NPD-Verbot und die no·npd-Aktion sind mehr als überfällig.

Zwischendurch mussten wir immer wieder die Zettel zum Unterschriftensammeln kopieren, da sich der Vorrat sehr viel schneller aufbrauchte, als wir dachten, und auf den meisten Konzerten mehr als die Hälfte aller Anwesenden unterschrieb.

Zwei Wochen nach dem besagten Montagnachmittag kamen wir wieder in das Büro der VVN, um einerseits Nachschub an Zetteln zu holen und andererseits die bereits gesammelten Unterschriften abzugeben. Als Mitglieder des VVN, welche übrigens unsere Großeltern sein könnten, unsere Ausbeute sahen, waren sie unglaublich erfreut. Ihre Augen begannen zu glänzen und sie bedankten sich von ganzem Herzen für unser Engagement.

Doch eigentlich sind es wir, die sich bei diesen Menschen bedanken müssen. Den Menschen, die noch immer aktiv gegen den Faschismus kämpfen und dies vor allem nicht für sich, sondern für uns tun. Für die Generation ihrer Töchter und Söhne und die Generation ihrer Enkelinnen und Enkel. Diese Menschen tun dies so leidenschaftlich, weil sie live miterlebt haben, wie damals alles begann, und was der Faschismus anrichtete, und was er noch heute anrichtet. Diese Menschen sollten uns ein Vorbild dafür sein, dass es nicht ausreicht, einfach nur dagegen zu sein, sondern dass man aktiv werden muss, um wirklich etwas zu bewegen.

Dies ist auch gar nicht so schwer, wie mancher vielleicht denken mag. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen. Geht einfach zum Büro der VVN, oder sucht euch ein anderes Antifabüro, bei dem ihr die Unterschriftenzettel bekommt. Nehmt diese Zettel mit zu euren Freunden, in die Schule, in euren Verein, zur Arbeit, auf den Skateplatz, auf Konzerte oder in die Straßenbahn.

Es ist auch nicht wichtig, dass jeder Mensch, den ihr ansprecht unterschreibt. Manchmal ist es wichtiger ihn einfach zum Nachdenken anzuregen, denn dann unterschreibt er vielleicht beim nächsten Mal. Außerdem sollen so viele Menschen wie möglich über die Aktion Bescheid wissen, also nutzt eure persönlichen Möglichkeiten und macht die Aktion publik.

Wir werden dies weiterhin auf Konzerten mit größter Anstrengung tun, denn wir wollen uns später nicht vor unseren Kindern rechtfertigen müssen, warum die Nazis ein halbes Jahrhundert nach dem Holocaust vom Staat unterstützt werden oder gar wieder in den Bundestag einziehen konnten, nur weil wir es versäumt haben zu handeln und bloß zugeschaut haben.

Infos: www.npd-verbot-jetzt.de und www.f-three.de

Grüppchen

geschrieben von Ulrich St.

26. April 2007

Wer bei den Bürgerschafts- und Beiratswahlen am 13. Mai weder auf sein Kreuzchen verzichten noch es bei den „etablierten“ Parteien (SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke) machen will, dem fehlen häufig Informationen über die „Kleinstparteien“ und Wählervereinigungen, die als Wahlmöglichkeiten verbleiben. Auf DVU, Republikaner und „Bremen muß leben“ wird hier nicht eingegangen. Ihre faschistische bzw. rechtspopulistische Ausrichtung ist im BAF bereits mehrfach dargelegt worden. Zu „Siegerist“ sei ergänzend auf einen hervorragenden Artikel auf den Seiten der Neofa-Kommission Küste hingewiesen.

Wer bei den Bürgerschafts- und Beiratswahlen am 13. Mai weder auf sein Kreuzchen verzichten noch es bei den „etablierten“ Parteien (SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke) machen will, dem fehlen häufig Informationen über die „Kleinstparteien“ und Wählervereinigungen, die als Wahlmöglichkeiten verbleiben. Auf DVU, Republikaner und „Bremen muß leben“ wird hier nicht eingegangen. Ihre faschistische bzw. rechtspopulistische Ausrichtung ist im BAF bereits mehrfach dargelegt worden. Zu „Siegerist“ sei ergänzend auf einen hervorragenden Artikel auf den Seiten der Neofa-Kommission Küste hingewiesen.

Zur Bürgerschaftswahl treten zusätzlich noch zwei weitere Parteien an. Die „Feministische Partei“, deren Name bereits ihren Schwerpunkt enthält, vertritt aber auch ansonsten recht fortschrittliche Positionen. Die „Partei Bibeltreuer Christen“ positioniert sich entweder extrem repressiv (Abschaffung des Abtreibungsrechts, Erschwerung der Ehe, Verbot gotteslästerlicher, pornographischer und gewaltverherrlichender Medienangebote, Abschiebung von Wirtschaftsflüchtlingen und „kriminellen“ Asylsuchen- den) oder religiös-bevormundend (Bibelunterweisung für alle Schüler unabhängig von deren religiöser Einstellung, Einführung der biblischen Schöpfungslehre im Schulunterricht, nationale Gebets- und Fastentage zur Sicherung des Friedens und der Abwehr von Bedrohungen).

Die weiteren Parteien oder Wählervereinigungen treten lediglich zum Kommunalparlament in Bremerhaven oder den Beiratswahlen an. Fast alle dieser Gruppierungen sind offen faschistisch oder rechtspopulistisch. Für die faschistische „Deutsche Partei“ existiert die Würde des Menschen nur als Bürger der politischen Gemeinschaft der Deutschen. Ihr Programm ist auch sonst gefüllt mit NS-Schlagwörtern wie „Arbeit und Kapital gehören zusammen“. Nicht anders bei „Bürger in Wut“, die u.a. gegen unkontrollierte Zuwanderung und Multikulti wettern, bei denen konsequente Integration der Ausländer Assimilation bedeutet, wo die zukünftige Zuwanderung ausschließlich an den vorgeblichen „Interessen Deutschlands“ auszurichten sei. Im Rahmen von Meinungs- und Geistesfreiheit dürften Themen nicht tabuisiert und Denkverbote nicht errichtet werden. Das hieße die völlige Entkriminalisierung faschistischer, rassistischer und revanchistischer Thesen in Deutschland. Die Partei „Pro Deutsche Mitte – Pro DM“ profiliert sich vordergründig als Anti-Euro-Partei. Ihre Zuwanderungspolitik ist offen rassistisch (keine Sozialhilfe für Zuwanderer) und mit einigen ihrer Forderungen positionieren sie sich klar gegen einen Rechtsstaat (Beweislastumkehr in Strafprozessen, Kontrolle von Richtern, Strafverschärfungen in allen Bereichen). Auf Repression setzt auch die „Deutsche Christliche Partei“. Ausländern will sie das Demonstrationsrecht entziehen und die Familienzusammenführung streichen. Das Mitführen und Hissen fremder Nationalflaggen soll verboten werden. Mörder, Trieb- und Serientäter sollen dauerhaft in Gewahrsam genommen und unangepasste Schüler in Sondereinrichtungen untergebracht werden. Ebenfalls zum rechten Lager gehört „Ab jetzt… Bündnis für Deutschland“, die nach außen hin für mehr Volksabstimmungen eintreten. Sie verwehren Nichtdeutschen die Parteimitgliedschaft. Sie richten sich gegen weitere EU-Mitgliedsländer (aus Zuwanderungsgründen), gegen ein politisches Asylrecht und Zuwanderung ins „soziale Netz“. Kriminelle und sozialhilfebedürftige Ausländer sind abzuschieben und ausländische Schüler getrennt zu unterrichten. Über den Bau von Moscheen als „Schicksalsfrage“ des deutschen Volkes muss stets eine Volksabstimmung erfolgen, und auch die Herabwürdigung deutscher Soldaten in Vergangenheit und Zukunft muss beendet werden. Eine neoliberale Politik verfolgt die „Allianz der Mitte“. Doch auch bei ihr müssen Ausländer mindestens fünf Jahre in Deutschland geduldet sein, bevor sie der Partei beitreten dürfen, und die Einwanderungspolitik soll nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesteuert werden. Die Bundeswehr soll nicht nur in aller Welt, sondern auch im Innern ihre Waffen einsetzen dürfen.

Das Programm der „Demokratischen Alternative – Die Weissen“ hat außer ausnahmsweise nichtrassistischen Schlagwörtern nichts zu bieten. Die Außen- und Sicherheitspolitik bleibt völlig außen vor und wird den Mandatsträgern der Partei freigestellt. Über die WASG-Abspaltung „Alternative Linke Wahlvereinigung Bremerhaven“, „B.H.V. unabhängige Wählervereinigung B.remer-H.aV.en“ und das „Bündnis Parteiloser Bürger“ war programmatisch vom Autor dieser Zeilen nichts in Erfahrung zu bringen.

Alles in allem bleibt das Fazit, dass wohl noch nie so viele faschistische und rechtspopulistische „Grüppchen“ zu bremischen Wahlen angetreten sind. Für AntifaschistInnen erscheint mir von den inhaltlich besprochenen Parteien etc. einzig die „Feministische Partei“ wählbar.

Ulrich St.

Nie aufgegeben

geschrieben von Raimund Gaebelein

26. November 2006

Am 29. Oktober verstarb in Frankfurt/ Main der Widerstandskämpfer und Kommunist Peter Gingold im Alter von 90 Jahren.

Am 29. Oktober verstarb in Frankfurt/ Main der Widerstandskämpfer und Kommunist Peter Gingold im Alter von 90 Jahren. Vielen, gerade auch jüngeren Menschen ist Peter bekannt durch sein unermüdliches Engagement als „kritischer Aktionär“ im Kampf um Entschädigung der überlebenden Auschwitzhäftlinge durch die „IG Farben in Auflösung“. In einer Schweigeminute gedachten die 4.000 TeilnehmerInnen der antifaschistischen Demonstration am 04. November in Gröpelingen und die Versammlungen von WASG und Linkspartei-PDS am folgenden Tag dieses unbeugsamen Mannes. Am 08. März 1916 wurde Peter Gingold in Aschaffenburg geboren. Der Vater war Konfektionsschneider, Peter machte eine kaufmännische Lehre. Im Mai 1933 ging die gesamte Familie ins französische Exil. Peter blieb und beteiligte sich am Widerstand seiner kommunistischen Jugendgruppe.

Peter wurde nach mehreren Monaten Haft gedrängt Deutschland zu verlassen. Peter fand in Paris Anstellung bei der deutschsprachigen antifaschistischen Tageszeitung „Pariser Tageblatt“. In engem Kontakt mit dem Zentralkomitee der KP Frankreichs beteiligten sich deutsche Kommunisten 1941-44 an der Widerstandstätigkeit innerhalb der Verwaltung der deutschen Besatzungsmacht, des „Travail Allemand“. Peter Gingold wurde im Osten Frankreichs tätig. Illegal erstellte Flugblätter wurden unter deutschen Soldaten verbreitet. Am 03. Februar 1943 wurde Peter Gingold von der Gestapo verhaftet und über Wochen brutal gefoltert und nach Paris gebracht. Karfreitag 1943 konnte er der Gestapo entkommen als er sie zum Schein zu einer Kontaktperson zu führen vorgab. Er beteiligte sich an der Befreiung von Paris 1944 und nahm dann im Auftrag der Bewegung „Freies Deutschland für den Westen“ am Aufstand in Turin teil. Sein Bruder und seine Schwester waren bereits 1943 von den Nazis nach Auschwitz in den Tod geschickt worden.

Peter ging 1945 zurück nach Frankfurt/ Main, die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm 20 Jahre lang verweigert. Die bekam die Familie Gingold erst, als Tochter Silvia sich 1974 ums Referendariat bewarb. Es folgte ein zäher Kampf gegen das Berufsverbot. Peter Gingold und seine Frau Etty waren unermüdliche Kämpfer für den Frieden, gegen Raketenstationierung und Notstandsgesetze.

Hoch dekoriert vertrat Peter Gingold den Widerstand gegen den Fortbestand der „IG Farben in Auflösung“. Den Widerstand gegen jede Form von Faschismus und Rassismus fortzuführen ist sein Vermächtnis an die kommende Generation.

AWO-Kreiskonferenz verabschiedet Resolution gegen Polizeiübergriffe

geschrieben von Dr. Andreas Weichelt AWO-Kreisvorsitzender

19. November 2006

Tausende haben am vergangenen Sonnabend gegen den Aufmarsch der NPD im Bremer Westen demonstriert.

Tausende haben am vergangenen Sonnabend gegen den Aufmarsch der NPD im Bremer Westen demonstriert. Auch die AWO Bremen gehörte mit zu den Initiatoren des Protestes. In einem gemeinsamen Aufruf hatten Geschäftsführung, Betriebsrat und Vorstand zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Mitglieder waren diesem Aufruf gefolgt und demonstrierten friedlich gegen die Nazis. Doch was sie am Rande der Demonstration an Übergriffen der Polizei miterleben mussten, war schockierend. Da wurden einzelne Demonstranten herausgegriffen, verprügelt und dann wieder laufen gelassen. Da wurden Hunde ohne Maulkorb und an langer Leine durch die Menschenmenge geführt. Da wurden ganz normale Bürger von der Polizei ohne Grund aggressiv angegangen. All diese persönlichen Erlebnisse veranlasste am gestrigen Abend die Kreiskonferenz der AWO Bremen dazu, einstimmig eine Resolution zu verabschieden. Darin wird das streckenweise überzogene Vorgehen der Einsatzkräfte der Polizei gegen einige Teilnehmer der Demonstration verurteilt. „Auch bei einer Demonstration haben die Einsatzkräfte die Verhältnismäßigkeit der einzusetzenden Mittel zu beachten. In Deutschland muss sich jeder Bürger in jeder Situation auf die korrekte Handlungsweise seiner Polizeikräfte verlassen können.“ Auf der Demonstration am vergangenen Sonnabend sei dies eindeutig nicht so gewesen. Die AWO Bremen wird darüber hinaus das Gespräch mit der Polizei suchen.

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