Gedenkveranstaltung für die Opfer von Faschismus und Krieg

20. Juli 2015

am Sonntag, den 13. September um 11:30 Uhr am Feld K auf dem Osterholzer Friedhof mit Prof. Dr. Jörg Wollenberg zur „Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus“ und Ausschnitten aus ihrer Zeitung „der Aufbau“. Musikalisch unterstützt von Aline Barthélémy.

Gedenkstätten und Geschichtspolitik

20. Juli 2015

Die verstärkte Europäisierung der historischen Forschung und die zunehmende Infragestellung von Ritualen in der Erinnerungskultur werfen Fragen auf. In acht Beiträgen und einer ausführlichen Dokumentation thematisieren norddeutsche WissenschaftlerInnen aus langjähriger Erfahrung Veränderungen in der Gedenkstättenpolitik. Detlef Garbe (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) geht es vor allem um die Perspektive der Gedenkstätten. Von Erstarrung der Erinnerungskultur wird in Feuilletons großer Zeitungen geschrieben, von Pathosformeln und Sinnleere. Hinzu treten verstärkt Angriffe aus Polen, den baltischen Staaten und der Ukraine gegen den antifaschistischen Konsens. Sie erklärten den 23. August 1939 zum Kriegsbeginn (Vertrag zwischen Molotow und Ribbentrop). Vor fünf Jahren bereits hatte das Ename Institut in Deinze eine Konferenz mit Vertretern verschiedener europäischer Gedenkstätten organisiert, bei der im Eingangsreferat faschistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit in eine Reihe gestellt wurden mit europäischen Kriegsgräuel seit dem 30-jährigen Krieg.
Dem vorliegenden Heft 16 der KZ-Gedenkstätte Neuengamme liegen Vorträgen einer Tagung in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück vor zwei Jahren zugrunde. Es geht darin um die Erwartungen bei Politikern wie bei gesellschaftlich engagierten Gruppen aus Gewerkschaft und Kirche an die Gedenkstättenarbeit. Es geht um das Wirken von Kräften, die faschistische Verbrechen in eine Reihe stellen wollen mit Ungesetzlichkeiten und Verbrechen in den ehemaligen sozialistischen Staaten. Damit einher geht seit Jahren eine Umwidmung finanzieller Mittel. Es geht im Weiteren um die Fortsetzung der Erinnerungsarbeit, wenn in absehbarer Zeit keine Überlebenden mehr in der Lage sind, über ihre Erlebnisse und ihren Widerstand zu sprechen. Es geht um die Rolle ihrer Nachkommen und der politischen Erben in den Vereinigungen der Zeitzeugen. Verstärkt berühren Forschungen auch Opfergruppen, die keine Vertretungen gründen konnten, sowie Gesprächskreisen von Nachkommen der Täter. Schließlich geht es verstärkt auch um die Frage, wie sich historische Überreste baulicher Art jüngeren Besuchern erschließen, wieweit eine Konservierung Geschehnisse erfassbar machen kann.
Den Weg zur Bildung eines Selbstverständnisses heutiger Gedenkarbeit beschreibt Thomas Lutz (Topografie des Terrors, Berlin). Cornelia Siebeck beleuchtet die staatlich geförderte Gedenkstättenlandschaft der vergangenen 30 Jahre, Detlef Garbe die Veränderungen in der Gedenkstättenkonzeption. Weitere Betrachtungen beschäftigen sich mit den Rahmenbedingungen für das Geschichtsverständnis („Diktaturenvergleich“) und den Erwartungen von BesucherInnengruppen an die Authentizität der Gedenkorte. Besonders sticht dabei die Dokumentation der Auseinandersetzung in Neuengamme um den Einsatz eines Bundeswehrangehörigen als pädagogischer Mitarbeiter heraus.
Gedenkstätten und Geschichtspolitik, Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland Heft 16, 208 S. 32 Abb. Edition Temmen Bremen, 14,90 EUR ISBN 9-783837-84048-3
rezi

Libération internationale

18. Mai 2015

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung war uns vergönnt vier unterschiedliche Gruppen in Bremen zu begleiten. Den Anfang machte der 92-jährige Ire Harry Callan mit Familienangehörigen am 25. April. Er ist einer der letzten noch lebenden Gefangenen, die am Bunker „Valentin“ arbeiten mussten, und reist inzwischen jedes Jahr nach Bremen, um am Mahnmal „Vernichtung durch Arbeit“ insbesondere seiner beim Bunkerbau ermordeten Landsleute zu Gedenken. Seit 2005 erinnern Schülerinnen und Schüler des Sportprofils an der Oberschule an der Egge mit einem „Gedächtnislauf“ an die Befreiung und an die Leiden der Sklavenarbeiter. Im Laufe der letzten Jahre gelang es beide Veranstaltungen zu verbinden und so erhielt in diesem Jahr folgerichtig das Schulereignis den Namen „Harry-Callan-Gedächtnislauf“….Am 2. Mai begleiteten Monika Eichmann, Marion Bonk, Raimund Gaebelein und ich eine Gruppe der französischen „Amicale de Neuengamme“ auf die Bahrs Plate und zum „Denkort Bunker Valentin“. Nach einer herzlichen Begrüßung gab es Reden des Leiters dieser Gedächtnisfahrt (Jean Curial) , in der er auf das Schicksal der Häftlinge im KZ Blumenthal hinwies, aber auch die antifaschistische Arbeit der VVN würdigte….Am Montag, den 4. Mai, kamen dann unsere Freunde der „Stiftung 44“ aus Meensel-Kiezegem zuerst zum „Denkort Bunker Valentin“. Dr. Christel Trouvé vom „Denkort“ begrüßte die Gäste in französischer Sprache. Anschließend gab es eine „Baustellen-Führung“ in deutscher Sprache. Tom Devos‘ brillante Übersetzung sorgte für die Überwindung aller Sprachprobleme. …Einen Tag später wurden am „Denkort“ bereits die belgische „Amicale de Neuengamme“ von Raimund, Marion und mir empfangen. Erneut begrüßte Christel Trouvé und ich führte die Gruppe über das Gelände. Am Mahnmal gab es dann eine Gedenkveranstaltung. Dann ging es weiter zur Bahrs Plate.
Auszug BAF Artikel 06.-07.2015

Jenseits der Aufklärung

18. Mai 2015

Äußerst informationsreich war die diesjährige Nordkonferenz der VVN/BdA-Küstenländer…. sehr erfreulich, mit Andreas Kemper (Münster) einen kompetenten Referenten gewonnen zu haben, der recht einprägsam das komplizierte schwarzbraune Gestrüpp zu lichten vermochte. Weitergehende Informationen zu Entstehung, Ideologie und Charakter dieser rechtspopulistischen Partei lassen sich auf seiner Internetseite http://andreas.kemper.wordpress.com….. Die Neokonservativen fordern den Schutz des ungeborenen Lebens vor Abtreibung und Stammzellenforschung. Das bringt sie an die Seite von Pegida, von Pro-Deutschland-Anhängern bis hin zu Neofaschisten. Ihre Position gegenüber weltweiten Freihandelsabkommen gerät dabei mehr und mehr zum Streitpunkt. Der neoliberale Flügel um Hans-Olaf Henkel und Bernd Lucke tendiert zur völligen Marktfreiheit. Ein Auseinanderfallen der unterschiedlichen Flügel könnte das Ende der AfD als dauerhafte Rechtspartei einleiten.
Auszug BAF Artikel 06.-07.2015

Heideruh im Umbruch

18. Mai 2015

Vielen Antifaschist*innen ist Heideruh ein Begriff. Unweit von Hamburg in der Nordheide gelegen, ist es über Jahrzehnte Erholungsort und Treffpunkt. Ehrenamtliche Mitarbeit ist eine Selbstverständlichkeit und ein Muss, denn das Heim lebt von Spenden. Mit einer verjüngten Geschäftsführung unter Bea Trampenau, einem schlagkräftigen Team von Ehrenamtlichen, einem jüngeren Vorstand und dem neuen Projektnamen „Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh“ sollten sich neue Zugangswege eröffnen. Nicht zuletzt um den Grundgedanken gegen das Vergessen: „dass nie wieder geschehe, was einst geschah“ zu verbreiten. Internationales Begegnungszentrum ist es seit fünf Jahren, vor allem auch Ende Juli/Anfang August seit Gruppen des Service Civile International und bis zu 60 antifaschistischen Jugendlichen aus der Umgebung zum Work-, bzw. Jugendcamp kommen. Wer heute kommt, sieht zunächst sehr viel mehr jüngere Antifaschist*innen. Sie versammeln sich wöchentlich zu gemeinsamen Diskussionen, Beratungen, Musik- und Filmabenden, und sie engagieren sich vehement für die Verbesserung der Lage der Geflüchteten.
Auszug BAF Artikel 06.-07.2015

»Macht und Krieg – Der Trümmerhaufen als Aussichtsturm in Bremen nach zwei Weltkriegen«

23. April 2015

Ein Vortrag von Jörg Wollenberg
Mittwoch, 6. Mai, 19:00 Uhr – Vortrag und Buchvorstellung
Stadtbibliothek Bremen – Zentralbibliothek / Wall-Saal

Vor 100 Jahren legte der Bremer Mäzen und Kaufmann Ludwig Roselius (1874-1943) sein Kriegszielprogramm vor, das mit der Linie von Belgien bis zu den Dardanellen auch große Teile Russlands dem „Großdeutschen Reich“ einverleiben sollte. Die Denkschrift von 1915 an das Auswärtige Amt wurde von ihm wieder aufgenommen in seinen „Briefen und Schriften zu Deutschlands Erneuerung“ von 1933. 30 Jahre später, Anfang Mai vor 70 Jahren, versammelten sich Bremer Frauen und Männer, um ein „Sofortprogramm“ zur Neuordnung Deutschland vorzulegen. Sie veröffentlichten ihr Programm am 6. Mai 1945 im „AUFBAU“, dem Presseorgan der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF).
Moderation: Christoph Lieber (VSA-Verlag).

Zugleich Auftaktveranstaltung zur Dämmerstunde über Vergessenes und Verdrängtes des Arbeitskreises Geschichte der IG Metall
Schon vor Ende des 2. Weltkrieges hatten sich Bremer Frauen und Männer zusammen gefunden, um ein „Sofortprogramm“ zur Neuordnung Deutschland vorzulegen. Sie veröffentlichten ihr Programm am 6. Mai 1945 im „AUFBAU“, dem Presseorgan der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF). Erst am 19. September 1945 erschien die erste Ausgabe des „Weser Kuriers“ mit einem Bericht über „eines der blutigsten Kapitel der Naziherrschaft: Der Belsen –Prozess hat begonnen.“
Nach 12 Jahren Nazi-Herrschaft konnten die Bremer wieder frei atmen, durften sie sich wieder als Menschen fühlen. Mit Wehmut und Trauer gedachten sie –wie schon 1918- der Toten. Sie begannen mit der Beseitigung der Trümmer und sahen eine ihrer ersten Aufgaben darin, die Verantwortlichen des NS-Systems anzuklagen und zu verurteilen. Nicht noch einmal sollte „am deutschen Wesen die Welt genesen“. Denn schon 1914 waren die prominenten Vertreter des Bremer Handelskapitals den Ideen der „nationalen Revolution“ als Geburt der Volksgemeinschaft gefolgt. Ludwig Roselius war einer der einflussreichen Anhänger der „Ideen von 1914“, die für den Kaffee-HAG-Gründer im „Geist von Potsdam am 21. März 1933 kulminieren sollten (der feierlichen Konstituierung des neuen Reichstages in der Potsdamer Garnisonskirche in Gegenwart von Hitler und Hindenburg). Der Hitler-Bekenner Roselius hatte schon 1914 ein Kriegszielprogramm vorgelegt, das
»Macht und Krieg – Der Trümmerhaufen als Aussichtsturm in Bremen nach zwei Weltkriegen«
Ein Vortrag von Jörg Wollenberg.
Vor 100 Jahren legte der Bremer Mäzen und Kaufmann Ludwig Roselius (1874-1943) sein Kriegszielprogramm vor, das mit der Linie von Belgien bis zu den Dardanellen auch große Teile Russlands dem „Großdeutschen Reich“ einverleiben sollte. Die Denkschrift von 1915 an das Auswärtige Amt wurde von ihm wieder aufgenommen in seinen „Briefen und Schriften zu Deutschlands Erneuerung“ von 1933. 30 Jahre später, Anfang Mai vor 70 Jahren, versammelten sich Bremer Frauen und Männer, um ein „Sofortprogramm“ zur Neuordnung Deutschland vorzulegen. Sie veröffentlichten ihr Programm am 6. Mai 1945 im „AUFBAU“, dem Presseorgan der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF).
Moderation: Christoph Lieber (VSA-Verlag).
Stadtbibliothek Bremen – Zentralbibliothek / Wall-Saal

Zugleich Auftaktveranstaltung zur Dämmerstunde über Vergessenes und Verdrängtes des Arbeitskreises Geschichte der IG Metall

Schon vor Ende des 2. Weltkrieges hatten sich Bremer Frauen und Männer zusammen gefunden, um ein „Sofortprogramm“ zur Neuordnung Deutschland vorzulegen. Sie veröffentlichten ihr Programm am 6. Mai 1945 im „AUFBAU“, dem Presseorgan der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF). Erst am 19. September 1945 erschien die erste Ausgabe des „Weser Kuriers“ mit einem Bericht über „eines der blutigsten Kapitel der Naziherrschaft: Der Belsen –Prozess hat begonnen.“
Nach 12 Jahren Nazi-Herrschaft konnten die Bremer wieder frei atmen, durften sie sich wieder als Menschen fühlen. Mit Wehmut und Trauer gedachten sie –wie schon 1918- der Toten. Sie begannen mit der Beseitigung der Trümmer und sahen eine ihrer ersten Aufgaben darin, die Verantwortlichen des NS-Systems anzuklagen und zu verurteilen. Nicht noch einmal sollte „am deutschen Wesen die Welt genesen“. Denn schon 1914 waren die prominenten Vertreter des Bremer Handelskapitals den Ideen der „nationalen Revolution“ als Geburt der Volksgemeinschaft gefolgt. Ludwig Roselius war einer der einflussreichen Anhänger der „Ideen von 1914“, die für den Kaffee-HAG-Gründer im „Geist von Potsdam am 21. März 1933 kulminieren sollten (der feierlichen Konstituierung des neuen Reichstages in der Potsdamer Garnisonskirche in Gegenwart von Hitler und Hindenburg). Der Hitler-Bekenner Roselius hatte schon 1914 ein Kriegszielprogramm vorgelegt, das mit der Linie von Belgien bis zu den Dardanellen auch große Teile Rußlands dem „Großdeutschen Reich“ einverleiben wollte: Die Beherrschung Europas, Rußlands und Kleinasiens: Das war sein Ziel der Neuordnung der Welt schon 1914. Ein Projekt, das Roselius mit den „Alldeutschen“ und großen Teilen der deutschen Großbourgeoisie teilte. Sie lehnten nach 1918 entschieden das neue Phänomen der „Massendemokratie“ ab. Sie übernahmen 1933 freiwillig eine tragende Rolle im NS-Staat und stellten sich erneut nach 1945 dem „Wiederaufbau“, nicht dem Neuanfang zur Verfügung. Schon 1941 gehörten sie zu den „Modernisierern“, die unter Federführung von Roselius und der IHK die Nachkriegsplanungen des Handelskapitals mit der Wiederaufnahme des Überseegeschäftes und der Reprivatisierung des Norddeutschen Lloyd prägten. Dafür hatte Roselius Professor Alfred Müller aus Münster, den Leiter des dortigen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts, gewonnen. Nach 1945 wandelte der Professor seinen Namen in Müller-Armack um und wurde zum Mitbegründer der „sozialen Marktwirtschaft“. Was blieb angesichts dieser Vorgeschichte nach 1945 vom „Aufbau-Programm“ der KGF? Fragen, die sich aus Anlass der Buchvorstelllung des „Aufbaus“ von 1945 und des VSA- Bandes über „Macht und Krieg. Hegemoniekonstellationen und Erster Weltkrieg“ von 2015 stellen.

Vergeltungsmaßnahmen der Besatzungsmacht

19. März 2015

Eine eindrucksvolle Ausstellung zu militärischen Vergeltungsmaßnahmen der deutschen Besatzungsmacht im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs wurde am 15. Januar im Hamburger Rathaus eröffnet. Für mehrere Wochen war dort die von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erstellte Wanderausstellung zu sehen…. Zu sehen ist die Zerstörung Warschaus nach dem Scheitern des Aufstands der polnischen Heimatarmee Oktober 1944, wie auch die Erschießung vermuteter Widerstandskämpfer und die Deportation erheblicher Teile der männlichen Bevölkerung von Murat im Zentralmassiv, Putten in den Niederlanden und Meensel-Kiezegem unweit Brüssels nach Neuengamme und seine Außenlager…In ihrer Eröffnung wies Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin darauf hin, dass das Entsetzen über den Holocaust den Blick nicht verstellen dürfe für den millionenfachen Tod von zivilen Opfern in ganz Europa, nicht nur im Osten. Eindrucksvoll war die Rede 87-jährigen Janusz Kahl aus Warschau. Die ganze Familie wurde im Rahmen der Niederschlagung des Warschauer Aufstands Anfang August 1944 in das Durchgangslager Pruszków verschleppt und von dort nach Sachsenhausen,…Am 30. Januar fand im Mahnmal St. Nikolaikirche ein 2 ½ stündiges Gespräch mit Martin Reiter (Gedenkstätte Neuengamme), Oktaaf Duerinckx und Tom Devos (beide Stichting Meensel-Kiezegem 44) statt, bei dem die Hintergründe der Geiselaktionen August 1944 eingehend beleuchtet wurden….Im Mittelpunkt der Gespräche und Fragen sehr interessierter Zuhörer*innen stand die Auswirkung der Ereignisse vom August 1944 auf Erinnerung und Haltung der nachfolgenden Generationen….Unerwartet war die Einschätzung, dass aus der Begegnung mit Deutschen an Orten ehemaliger KZ-Kommandos sehr viel mehr Empathie für das Leiden der Waisenkinder und Witwen hervorgebracht habe als zuhause.
Auszug BAF 04./05.2015

Die ‚Arisierung‘ von jüdischem Haus- und Grundbesitz in Bremen

19. März 2015

Die Enteignung jüdischen Haus- und Grundbesitzes in Bremen vor Kriegsbeginn stand im Mittelpunkt eines informativen Vortrags von Hanno Balz am 12. Januar im Rahmen der Ausstellung „Ausplündern und Verwalten“. Nach einer Fülle diskriminierender Maßnahmen und der völligen Entrechtung begann im Rahmen des Vierjahresplans die systematische Erfassung und Aneignung jüdischen Eigentums. Hanno Balz, inzwischen Dozent an der John Hopkins Universität Baltimore, hatte sich mit dem Thema bereits im Rahmen der Goldhagen-Debatte beschäftigt und intensives Studium der Katasterakten im Staatsarchiv betrieben. Um inflationären Entwicklungen und Preisverfall entgegenzuwirken, hatte die Regierung Oktober 1936 eine Preiskontrolle eingeführt. Juli 1938 wurde eigens eine Preisregelung bei Grundstücksveräußerungen eingeführt. Es galt eine Stopppreisgrenze von 80% des amtlichen Taxates. In Bremen musste die Grunderwerbssteuerstelle Veräußerungen im Vorfeld dem Katasteramt anzeigen.
Hanno Balz verdeutlichte den mehr als 180 Zuhörern an zwei Beispielen, dass in Bremen Hausverkäufe nicht notwendigerweise mit Ausnutzung der Notlage jüdischer Besitzer verbunden sein mussten. Der nichtjüdische Rechtsanwalt Hellmuth Stutzer lernte als Rechtsberater die Witwe Auguste Michel kennen, die in der jüdischen Gemeinde aktiv war. Von ihrem Mann erbte sie 1938 das Wohnhaus Rembrandtstraße 25. Sie wohnte dort mit Tochter und Enkelin und bemühte sich um Auswanderung, nachdem eine ihrer Töchter bereits in die USA entkommen war. Das Haus wurde zum Judenhaus erklärt, 17 weitere Personen dort eingewiesen und die Ausstellung eines Visums für Kuba verzögerte sich bis Sommer 1941. Stutzer regelte den Verkauf des Hauses, der Wert auf 35.000 RM taxiert, als Kaufpreis 34.000 angesetzt, die er beim Katasteramt auch durchsetzen konnte. Den Kaufpreis entrichtete er auf das Konto der Reichsvereinigung der Juden, um den Erwerb der Visa für Familie Michel sicherzustellen. Die Ausreise gelang, das Haus wurde von der Gestapo beschlagnahmt. Stutzer gelang jedoch nach längeren Prozessen die Rückgabe.
Anders verlief es im Steintor. Der Kaufmann Richard Holst betrieb ein Bekleidungsgeschäft Vor dem Steintor 153. Bis 1945 war er auch Leiter der Bezirksfachgruppe Bekleidung der Einzelhandelsabteilung bei der Bremer Handelskammer. In dieser Funktion betrieb er aktiv „Arisierungen“ konkurrierender Geschäfte. Das Nachbarhaus gehörte Selma Beverstein, geb. Rothschild, schon 1925 hatte Holst ihr Ladenlokal gemietet. 1935 gelang es ihm die Miete auf ein Drittel zu drücken. Sein Vorkaufsrecht machte Holst November 1938 geltend. Er drohte mit Beschlagnahme, sollte sie nicht verkaufen, zahlte aber die von ihr verlangten 40.000 RM, die auf ein Sperrkonto gingen. Selma Beverstein verzog ins Jüdische Altersheim Gröpelinger Heerstraße und wurde in Auschwitz ermordet. Ihre Schwester Hedwig war Mieterin in dem Haus und lebte mit ihrem Mann Heinrich Lohmann in einer „privilegierten Mischehe“. Eine Räumung konnte Holst vor Gericht nicht erwirken. Daher suchte er sie in der Wohnung auf und beschimpfte sie aufs unflätigste. Da weitere Räumungsversuche nicht glückten, ließ Holst eine Tafel mit den Namen der Mietparteien anbringen und ergänzte sie mit dem Geburtsnamen Rothschild und einem Davidstern. Nach vergeblichen Versuchen diese Tafel per Gerichtsbeschluss entfernen zu lassen, gaben Lohmanns entnervt auf und zogen aus.
Hanno Balz‘ lesenswertes 128 Seiten starkes Buch „Die ‚Arisierung‘ von jüdischem Haus- und Grundbesitz in Bremen“, erschien 2004 in der Schriftenreihe Erinnern für die Zukunft, Bd.2, bei Edition Temmen Bremen (ISBN 3-86108-689-1).

index

Das Bild in der Erinnerung eingegraben

19. März 2015

Es bedurfte einer ganzen Reihe von Schreiben und Gesprächen, bis die Ausstellung „Europäischer Widerstandskampf gegen den Nazismus“ in der Unteren Rathaushalle in Bremen stand….Zum ersten Mal wurde eine deutschsprachige Fassung der 51 Tafeln gezeigt. Die Bilanz: 3.252 Besucher*innen, davon 371 Schüler*innen aus 19 Klassen….Bei der Eröffnung wies Bürgermeister Jens Böhrnsen,die Rechtspopulismus und Antisemitismus hervorbringen…. Jean Cardoen, Direktor des Brüsseler Instituts der Veteranen, wies auf die Vielfalt der Widerstandsformen in den 21 Ländern hin, deren wichtigsten Ereignisse in der Ausstellung zu sehen sind, von der Untergrundpresse in Belgien und den Niederlanden, zu bewaffneten Partisanenaktionen in Griechenland und der Sowjetunion, Fluchtlinien von Piloten mithilfe eines Netzwerks durch das besetzte Europa und der Rettung tausender jüdischer Kinder vor ihrer Vernichtung….Durch Bremer Beispiele wie dem Wahrheitsprozess wegen Verbreitung illegaler Zeitungen zur Aufklärung der Bevölkerung über das wahre Gesicht des Faschismus wurde Widerstand fassbar…Sechzig Einträge im Gästebuch spiegelten das Interesse wider, mehr über die Dimension und Tiefe des Widerstands zu erfahren….Bemängelt wurde allerdings auch, dass befreite Gebiete und zentrale Partisanenaktionen auf manchen Tafeln zu kurz gekommen waren…Der Bremer Widerstand kam vor allem durch zwei Vorträge unseres Kameraden Prof. Dr. Jörg Wollenberg zu Wort….. Weitere Zeitzeugenberichte konnten Interessierte während des Besuchs an Hörstationen und auf Videoclips abrufen.
Auszug BAF04./05.2015

Referat zur Eröffnung der Ausstellung „Antifaschistischer Widerstand in Europa“

9. Februar 2015

Ich freue mich, dass wir die Ausstellung „Antifaschistischer Widerstand in Europa“ hier in Bremen eröffnen können. Und es ist ein angemessener Ort. Wurde doch – wenn ich mich richtig erinnere – vor etwa 40 Jahren ebenfalls in den Räumen des Rathaussaals die große Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Bremen“ gezeigt – eine Ausstellung, die von einem Kuratorium von Einzelpersönlichkeiten getragen wurde, da man es damals vermeiden wollte, politische Kooperation – selbst zu diesem Thema – zu dokumentieren.

Dass diese Ausstellung damals überhaupt möglich wurde, verdankten wir insbesondere dem Engagement derjenigen Frauen und Männer, die selbst im antifaschistischen Kampf gestanden haben, die sich nicht allein für das Thema engagierten, sondern uns als Zeitzeugen zur Verfügung gestanden haben.
Ihre Erfahrungsberichte waren für mich und viele Angehörige meiner Generation – selbst wenn wir familiär nichts mit Antifaschismus zu tun hatten – ein wichtiger Zugang zum Thema, der nicht nur historisch-wissenschaftlich vermittelt war. Ihre Haltung war für uns in gewisser Weise Vorbild und politische Orientierung.

Mit Blick auf diese historische Ausstellung vor 40 Jahren stehen wir heute vor der Herausforderung, dass von diesen Zeitzeugen nur noch wenige unter uns sind und ihre Erfahrungen weitergeben können.

Daher muss die historische Erinnerungsarbeit, die nicht allein auf trockene Faktenvermittlung setzt, eine andere sein. Wir müssen uns mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
Wie schaffen wir es, die Erfahrungen und das politische Wirken dieser Menschen, die ihre Freiheit, ihre Gesundheit, oftmals auch ihr Leben für diesen antifaschistischen Kampf riskiert hatten, für Nachgeborene lebendig zu halten?
Wie gelingt es uns als Historiker und als Pädagogen, heutige Jugendliche, für die die Geschichte der NS-Zeit oftmals so fern ist wie die Geschichte der alten Römer, die außerdem eigene politische Erfahrungen und Rezeptionsgewohnheiten mitbringen, mit dem Thema zu konfrontieren und Zugänge zu ihrem Verständnis zu finden?

Angesichts der umfassenden Medialisierung der Kommunikation können Visualisierungen durchaus hilfreich sein. Der Satz: „Ein Bild sagt mehr als 1000 Wort“ gilt natürlich auch hier. Aber die Bilder müssten in ihrer Aussagekraft so sein, dass sie nicht nur allgemeingültige, fertige Antworten geben, sondern auch Nachfragen provozieren – Nachfragen, die zu einer aktiven eigenen Beschäftigung der Betrachter mit den Themen veranlassen. Das ist eine ganz praktische Herausforderung, da es zu vielen Ereignissen des antifaschistischen Kampfes naturgemäß kein Bildmaterial gegeben hat bzw. geben konnte.

So muss eine Präsentation einen „Spagat“ schaffen zwischen Visualisierbarem und notwendigen historischen Erläuterungen. Die Ausstellung, die wir nachher unten in der Rathaushalle offiziell eröffnen werden, versucht diesen Spagat zu leisten.

Sie dokumentiert auf ihren etwa 50 Stellwänden die historische und politische Breite der antifaschistischen Bewegung in Europa. Und versucht mit so knappen Texterläuterungen auszukommen, wie es uns nur möglich erschien.

Um die Betrachter auf die Problematik der Vielfalt und der politischen Breite der Zugänge zum antifaschistischen Handeln einzustimmen, haben wir uns bemüht, in acht Thesen ein Grundverständnis für den Widerstand nachzuzeichnen.
Wir unterstrichen,
dass es vielfältige Gründe und Zugänge zum Widerstand gab,
dass im Widerstand traditionelle politische oder ideologische Spaltungen überwunden wurden,
dass praktische Solidarität mit Verfolgten ein zentrales Element von Widerstand war,
dass der Widerstand eine Sache von Frauen und Männern war,
dass Antifaschismus immer auch Internationalismus bedeutete,
dass der Widerstand zumeist mit einer Zukunftsvision einer anderen, einer gerechteren und friedlicheren Gesellschaft und Welt verbunden war.

Ausgehend von diesem Verständnis konnten wir Informationen zum antifaschistischen Widerstand zu fast allen damals bestehenden Staaten in Europa präsentieren. Dieser Hinweis ist wichtig, denn man findet in der Ausstellung Tafeln zu Jugoslawien, zur Tschechoslowakei und zur Sowjetunion, aber nicht zu den heutigen Nachfolgestaaten. Lücken bestehen nur bezogen auf Finnland, Schweden und die Schweiz. Natürlich gab es auch in diesen Ländern antifaschistische Kräfte, insbesondere aus dem Exil. Da diese Länder – entweder als neutrale Staaten oder als separate Kriegspartei – jedoch nie vom deutschen oder italienischen Faschismus okkupiert waren, findet man dort jedoch keine originäre antinazistische Struktur.

Für alle anderen Länder konnten wir dank der Unterstützung von antifaschistischen und Veteranenverbände aus den Regionen sowie musealer Einrichtungen, die sich mit dem Thema beschäftigen, eindrucksvolles Bildmaterial und andere Dokumente zusammentragen.
Auch wenn uns die platz-mäßige Begrenzung, die sich durch zumeist ein bzw. zwei Stelltafeln pro Land ergaben, einschränkten, haben wir uns – ich denke erfolgreich – bemüht, die wichtigsten Stichworte der antifaschistischen Geschichte der jeweiligen Ländern angemessen zu dokumentieren.
Dabei haben wir nicht nur allgemeine historische Informationen aufgelistet, sondern besonders diejenigen Ereignisse in den Blick genommen, die als gesellschaftliches Narrativ das historische Selbstverständnis der jeweiligen Nation berühren.
Dazu gehört beispielsweise in den Niederlanden der Dockarbeiter-Streik vom 25. Februar 1941.
Dazu gehört der militärische Sieg der sowjetischen Streitkräfte im Februar 1943 in Stalingrad, ein Ereignis, das mehr als eine militärstrategische Konsequenz hatte und weit über die UdSSR als Symbol für die Besiegbarkeit des deutschen Faschismus wahrgenommen wurde.
Dazu gehört in Griechenland die Sprengung der Eisenbahnbrücke über den Gorgopotamos im November 1942, in Frankreich die Befreiung von Paris im August 1944 unter besonderer Beteiligung der Resistance und französischer Militäreinheiten sowie der Slowakische Nationalaufstand, der ebenfalls im Sommer 1944 in der Region von Banska Bystriza seinen Ausgang nahm.
Zu den Ereignissen zählen in Polen der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 ebenso wie der Warschauer Aufstand von 1944.
Aber auch erfolgreiche Widerstandsaktionen, wie die Herausgabe einer komplett gefälschten Ausgabe der Tageszeitung „Le Soir“ unter den Augen der Besatzungsmacht, wie es der belgische Widerstand am 9. November 1943 vermochte, gehören in diese Reihe.
Da es eine Vielzahl solcher Ereignisse gab, die natürlich von den ehemals Beteiligten und den nationalen Verbänden der Widerstandskämpfer entsprechend gewichtet werden, standen wir als Ausstellungsmacher vor einer großen Herausforderung. Es war zwingend, dass wir für die endgültige Gestaltung der Ausstellung eine Auswahl aus dem reichhaltigen Dokumenten- und Bildmaterial, das wir von den Veteranenverbänden erhalten hatten, treffen mussten. Dabei ließen wir uns von drei Überlegungen leiten:
1. Es sollte auf einem begrenzten Raum nicht nur der Umfang, sondern auch die politische Breite der antifaschistischen Bewegung sichtbar werden. Das führte in manchen Fällen dazu, dass in der Darstellung quantitative Verhältnisse (d.h. welche politischen Gruppen trugen die Hauptlast) zugunsten von qualitativen Überlegungen (welche verschiedenen Kräfte gehörten zum Widerstand) verschoben werden mussten.
2. Bestimmte antifaschistische Aktionen und Kampfformen findet man in allen Ländern, in denen z.B. Partisanen kämpften. Wir hätten also mindestens 20 Mal Bilder mit zerstörten Eisenbahnanlagen zeigen können. Diese Aktionen waren von großer Bedeutung für die Behinderung der faschistischen Kriegspolitik, aber gleichzeitig wäre so etwas redundant. Deshalb haben wir uns bemüht, auf den jeweiligen Landestafeln nationale Spezifika in den Fokus zu rücken (Belgien: klandestine Presse; Griechenland: EAM/ Demokratische Armee etc.)
3. Wir waren nicht bereit, den geschichtspolitischen Auseinandersetzungen der Nachwendezeit seit 1990 in den heutigen Staaten des ehemaligen Ostblocks zu folgen und nur noch die gegenwärtig politisch opportune Sichtweise zu präsentieren. Wir haben uns dabei auf die Haltung der nationalen Mitgliedsverbände der FIR gestützt, die in ihren Ländern einen aktiven Kampf gegen die Revision der Geschichte des antifaschistischen Kampfes führen.

Damit könnte – aus der Sicht einer umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas möglicherweise berechtigt – der Einwand gegen diese Ausstellung erhoben werden, dass einzelne Ereignisse oder Gruppen des Widerstandes nicht vollständig und umfassend genug dargestellt worden seien. Aber wir stehen zu dieser Präsentation und der getroffenen Auswahl.

Und man könnte – aus einer vorgeblich neutralen Perspektive – der Ausstellung auch vorhalten, sie sei parteilich. Das ist sie in der Tat.
Denn sie ergreift Partei für alle diejenigen,
• die bereit waren unter Einsatz ihrer Gesundheit, ihrer Freiheit und manchmal auch des Lebens für Menschen- und Freiheitsrechte einzutreten,
• die sich solidarisch mit Verfolgten und unterdrückten Minderheiten zeigten,
• die sich für das freie Wort und gegen Gleichschaltung und faschistische Propaganda einsetzten,
• die – aus zum Teil ganz unterschiedlicher Motivation – für die Freiheit des eigenen Landes gegen die NS-Okkupation kämpften,
• die für die Beendigung des Krieges eintraten, indem sie die militärische Kampfkraft der faschistischen Armeen schwächten,
• die damit insgesamt ihren Beitrag für einen antifaschistisch-demokratischen Neubeginn in Europa geleistet haben,
und das ungeachtet der jeweiligen parteipolitischen Orientierung oder religiösen Überzeugung der handelnden Frauen und Männer.

Wenn wir uns heute bemühen, Vertretern der heutigen Generationen einen Zugang zu dem Thema zu eröffnen, dann bietet sich – trotz der europäischen Perspektive der Ausstellung selber – durchaus ein regionaler Bezug an.
Es ist eine didaktische Erfahrung, dass sich für Nachgeborene über die regionale Geschichte leichter Verbindungen zu allgemeinen historischen Themen aufzeigen lassen, indem damit die Abstraktheit der globalen Dimension geschichtlicher Ereignisse aufgebrochen und gleichzeitig verdeutlicht werden kann, dass – wie bei diesem Thema – jede Widerstandsaktion in Bremen – selbst wenn sie noch so bescheiden gewesen ist – Teil eines umspannenden Netzes antifaschistischer Bewegung in ganz Europa war.
Schon vor zwei Jahren hatte ich die Gelegenheit auf Einladung der VVN-BdA zu diesem Thema in Bremen zu referieren und in dem Zusammenhang unter anderen an Friedrich Eildermann, Wilhelm Knigge und Gustav Röbelen erinnert, die als Bremer Antifaschisten im europäischen Rahmen Widerstand leisteten.
Friedrich Eildermann emigrierte bereits 1933 in die Niederlande, später nach Frankreich, von wo er mit Publikationen den antifaschistischen Kampf unterstützte. 1939 wurde er in Le Vernet interniert und kam 1943 in das Lager Djelfa (Algerien); nach der Niederlage des deutschen Afrika-Korps trat er 1943 in die Britischen Armee ein, bevor er im März 1944 nach Moskau ging und dort an der Zeitung »Freies Deutschland« mitarbeitete;
Wilhelm Knigge, war als Kommunist 1933 Mitglied der Bremer Bürgerschaft. Auch er emigrierte in die Niederlande und war Mitglied der KPD-Emigrations-Leitung. 1935 ging er im Auftrag der KPD nach Frankreich und schloss sich – nach dem faschistischen Überfall der Résistance an. Er war Mitarbeiter der Zeitschrift »Soldat im Westen«, einer antifaschistischen Zeitung, die sich explizit an Wehrmachtsoldaten richtete, und Mitglied von CALPO, dem Komitee „Freies Deutschland für den Westen“.
Gustav Röbelen emigrierte nach Belgien, von wo aus er Grenzarbeit für die KPD leistete. 1936 bis 1939 kämpfte er in den Reihen der Internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg zur Verteidigung der spanischen Republik. 1939 ging er in die UdSSR und meldete sich nach dem Überfall auf die Sowjetunion freiwillig zur Roten Armee. Als deutscher Antifaschist wurde er zur politischen Aufklärung in Kriegsgefangenenlagern eingesetzt und Ende 1944 auch zur Unterstützung von Partisaneneinheiten an der Front.
Schon diese Beispiele zeigen, dass auch Bremer ihren Beitrag im europäischen Widerstand leisteten.

Aber auch der Widerstand in Bremen selber verdient es – im Zusammenhang mit dieser Ausstellung – eine Würdigung zu erfahren. Kollege Jörg Wollenberg, der sich ja seit vielen Jahren mit der Geschichte der Bremischen Arbeiterbewegung beschäftigt, wird am kommenden Mittwoch über zwei Bremer Antifaschistinnen, Maria Krüger und Käthe Lübeck-Popall, referieren.
Maria Krüger habe ich Anfang der 70er Jahre noch persönlich erlebt, als wir gemeinsam gegen Berufsverbote in Bremen Aktionen organisierten – ich als Schülervertreter, sie als gestandene Antifaschistin und Sonderschullehrerin.
Und Sie, Herr Bürgermeister, könnten sicherlich etwas über Ihren Vater Gustav Böhrnsen, der als Schlosser auf der AG Weser im Widerstand kämpfte, verhaftet wurde und – trotz Wehrunwürdigkeits-Schein – 1942 in der Strafkompanie 999 für die Ziele des deutschen Faschismus kämpfen sollte, beisteuern.
Alle diese Namen zeigen, über welch reiche antifaschistische Tradition die Bremer Stadtgeschichte verfügt, die vielleicht im Rahmen der Beschäftigung mit der Ausstellung über europäischen Widerstand aktiviert werden kann.

Und zu dieser Tradition haben wir in Bremen immer auch Heinrich Vogeler gezählt, auch wenn er eigentlich in Worpswede gelebt und gewirkt hat.
Es freut mich deshalb, dass zur Eröffnung der Ausstellung hier in der Rathaushalle ebenfalls die Zeichnungen, die Heinrich Vogeler gemeinsam mit Johannes R. Becher für die antifaschistische Publikation „Das Dritte Reich“ 1934 in Moskau zusammengestellt hat, gezeigt werden können.
Einige dieser Zeichnungen sind sicherlich durch verschiedene Publikationen bekannt. Ich selber habe aber – ehrlicherweise – den gesamten Zyklus erst 2012 anlässlich der großartigen Gesamtschau zu Heinrich Vogeler in Worpswede wahrgenommen.
Die Bilder haben mich so beeindruckt, dass ich 2013 einen Reprint dieser antifaschistischen Publikation auf den Weg brachte. Mit diesen Zeichnungen – elf Jahre vor der tatsächlichen Befreiung vom Faschismus und Krieg entwickelt – versuchten Vogeler und Becher selbst vom Ausland her nicht nur über die Verbrechen der faschistischen Herrschaft in Deutschland und die gesellschaftlichen Träger dieser Terrorherrschaft aufzuklären, sondern – und das wird in den letzten Zeichnungen besonders deutlich – den Menschen Mut und Optimismus im antifaschistischen Kampf mitzugeben. Es war ein Mut und Optimismus, der sich auch in dem berühmten „Lied der Moorsoldaten“ der Häftlinge des KZ Börgermoor ausdrückte, in dem es unter anderem heißt: „… ewig kann‘s nicht Winter sein.“

In diesem Sinne wünschen wir uns ein Publikum, das die Ausstellung und die dort gezeigten Informationen nicht nur historisch oder retrospektiv betrachtet. Denn die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand vor über 70 Jahren hat – aus unserem Verständnis – immer auch eine sehr gegenwärtige Dimension. Nicht dass wir eine falsche Analogie zwischen der faschistischen Herrschaft und heutigen Verhältnissen ziehen würden. Aber die heutigen demokratischen Verhältnisse verdanken wir zu nicht geringem Umfang dem Kampf und dem Einsatz von Antifaschisten gegen die NS-Herrschaft und nach der Befreiung im antifaschistisch-demokratischen Neuanfang.
Und so verstehen wir die auf den Tafeln gezeigten Beispiele des antifaschistischen Kampfes auch als „Mutmacher“ für heute,
als „Mutmacher“ auch für Auseinandersetzungen mit Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus, mit Neofaschismus und Antisemitismus, mit Kriegspolitik und sozialen Ungerechtigkeiten,
als „Mutmacher“ heute einzutreten für Demokratie, Frieden, Freiheit und eine solidarische Gesellschaft, in der alle Menschen mit gleichen Rechten lebenswert

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten