Soutines letzte Fahrt

20. Januar 2014

In einem Leichenwagen wird der jüdische Maler Chaim Soutine Anfang August 1943 aus seinem Versteck in Champigny nach Paris transportiert. Er ist an einem lebensbedrohlichen Magengeschwür erkrankt, kann in Chinon nicht adäquat behandelt werden und soll daher ins Santé Lyautey Krankenhaus im 16. Bezirk. Eine lebensgefährliche Unternehmung, sein Magengeschwür steht kurz vor dem Durchbruch. Lebensgefährlich, denn Frankreich ist von Wehrmacht und SS besetzt, Soutine steht auf der Fahndungsliste, seit seine Gemälde für Hermann Görings in der Schorfheide geplante „Norddeutsche Galerie“ geraubt werden sollen. Große Durchgangsstraßen zu fahren, birgt ein zu hohes Risiko, überall sind Kontrollposten an den Ausfallstraßen, suchen nach Arbeitsdienstverweigerern. Streiflichtartig treten ihm unter Einfluss von Morphium die Stationen seines Lebens vor Augen. Die Flucht aus der Enge seines Heimatortes Smilowitschi zwischen Wilna und Minsk, wo die jüdische Gemeinschaft seine surrealistische Malerei nicht annimmt. Vor Angst zittern angesichts der Pogrome in Berditschew und Shitomir im Vorfeld des 1. Weltkriegs. Soutine erinnert sich an den Sommer 1919 in Céret, an seine apokalyptischen Bilder, die er lieber zerstört als erhalten sieht. Dr. Barnes aus Philadelphia, ein Amerikaner, entdeckt ihn in Paris, kauft dem unbekannten Maler Dutzende seiner Gemälde ab und lässt sie in die USA bringen. Erinnerungen gehen Soutine durch den Kopf, an die Gruppe junger Künstler im Montparnasse-Viertel, wo er seit 1913 lebte, an Modigliani, Krémègne, Chagalle, Picasso, Cocteau, Max Jakob. Marie-Berthe Aurenge, die einstige Geliebte Max Ernsts, rettet ihn zu Kriegsbeginn vor der Internierung in den Pyrenäen, nach der Besetzung vor dem Abtransport in die Durchgangslager Drancy oder Pithiviers. Einen Stern trägt er nicht, er braucht seine vertraute Umgebung, seine Pinsel, Paletten, Tuben, seinen Bach und seine Mischung aus Milch und Bismutpulver, um die wachsenden Magenschmerzen zu besänftigen. Nein, es gibt dort keine Milch, keine Hoffnung für Soutine.
Ralph Dutli, Soutines letzte Fahrt, Wallenstein Verlag Göttingen 2013, 270 S. 19,90 Euro, ISBN 978-3-8353-1208-1
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Germania

20. Januar 2014

Anfang Mai 1944 wird an einem Kriegerdenkmal im Südosten des heftig bombardierten Berlins die grauenvoll verstümmelte Leiche einer jungen Frau gefunden. Richard Oppenheimer, ein 1933 aus dem Amt gejagter jüdischer Kriminalkommissar, wird an einem Sonntagmorgen in aller Frühe von zwei SS-Hauptleuten zum Fundort in Oberschöneweide gebracht. In einer privilegierten Ehe lebend, ist Oppenheimer von der Deportation in die Vernichtung bewahrt geblieben. Die SS-Hauptleute Vogler und Graeter machen ihm klar, dass er sie bei der Lösung des Falls zu unterstützen habe, hat er doch schließlich Erfahrung mit Serienmördern. Oppenheimer willigt ein, in der verzweifelten Bemühung sein Leben zu retten. Zwei weitere ungeklärte Mordfälle aus den Akten drängen den Verdacht auf, dass der Serienmörder Zugang zu Kreisen in Staat und Nazipartei haben muss. Die Opfer verkehrten im Hotel Adlon, waren vertraut mit Nazigrößen, lebten im Norden oder im Zentrum Berlins. Ihre grauenvoll zugerichteten Körper wurden an Kriegerdenkmälern im Süden der Stadt abgelegt, dazu wurde ein Fahrzeug benötigt. Benzin gibt es im Frühjahr 1944 jedoch nur in Ausnahmefällen. Sein Verdacht erhärtet sich durch ein anonymes Bekennerschreiben an Goebbels Parteiblatt, gefolgt von zwei weiteren Morden. Oppenheimer wird eine dringend benötigte Kriminalakte verweigert. Mit der Landung der Alliierten in der Normandie verschärft sich der Druck. Im Vorfeld des 20. Juli 1944 gerät er in die Auseinandersetzung rivalisierender Geheimdienste. Ein bis zum Schluss spannendes Buch, das gleichwohl Berliner Humor zulässt und einen kleinen Einblick in das Denken des kleinen Mannes auf der Straße zulässt.
Harald Gilbers, Germania, Knaur Verlag München, Nov. 2013, 535 S. 9,99 Euro ISBN 978-3-426-51370-5
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Stolpersteine in Bremen

20. Januar 2014

Am 24.09. wurde im Kito das erste von 5 Bänden der Reihe „Stolpersteine in Bremen Biografische Spurensuche“ für die Region Nord vorgestellt. Jens Böhrnsen sprach die Grußansprache, für die Musik sorgte Paul Lindsay, und eine Darstellerin der Shakespeare Company las Passagen aus dem Buch.
Das Buch selber enthält ein Grußwort von Jens Böhrnsen und ein Vorwort von Barbara Johr. Es folgen Berichte zum Projekt Stolpersteine und wie Bremen-Nord sich mit der Geschichte der Vernichtung seiner Mitbürger im „Dritten Reich“ auseinandersetzt.
Den eigentlich spannenden Teil des Buches bilden die Biografien der ermordeten Nord-Bremer Bürger. Jedem Einzelnen ist ein Kapitel gewidmet, es ist reich bebildert und gibt einen Einblick in das Leben. Es sind sehr einfühlsame und informative Kapitel, die einen doch zum Teil sehr zu Herzen gehen.
Ein ausführliches Glossar, eine Zeitleiste, Hinweise zu den Verlegeorten und einige andere nützliche Informationen schließen das Buch ab. Im Anhang befindet sich noch eine Karte mit Möglichkeiten zu Stadtrundgängen längs der Stolpersteine.
Es ist ein sehr beeindruckendes Buch, ich konnte gar nicht aufhören darin zu lesen. Einfach ein muss für Interessierte, nicht nur aus Bremen-Nord. Sogar meine Freundin aus Frankfurt, die das Buch bei mir entdeckte, begibt sich jetzt in ihrer Heimatstadt auf die Suche nach Stolpersteinen. Man kann damit also auch das Interesse von nicht so mit der Vergangenheit Bewanderten wecken. Ich bin schon gespannt auf die folgenden Bände, denn sie werden mit Sicherheit dazu beitragen, dass die Stolpersteine noch mehr beachtet werden.
Ahlers, Christoffersen, Cochu, Johr: Stolpersteine in Bremen, Region Nord, sujet Verlag (ISBN: 978-3-944201-12-2, Preis 14,80 Euro

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Bremischer Geheimdienst ?

20. Januar 2014

Am 18. November fand in einem gut gefüllten Wall-Saal der Stadtbibliothek Bremen eine Podiumsdiskussion über die Abschaffung des Verfassungsschutzes (VS) als Geheimdienst statt. Es diskutierten unter Leitung des emerierten bremischen Jura-Professors Dian Schefold: Ulrich Mäurer (Innensenator), Matthias Güldner (Fraktionssprecher Bündnis 90 / Die Grünen in der bremischen Bürgerschaft), Till Müller-Heidelberg (Humanistische Union) und Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte). Die beiden letzteren plädierten für, ihre Mitdiskutanten gegen die Abschaffung des bremischen Geheimdienst. ….Till Müller-Heidelberg stellte als erstes das Memorandum „Brauchen wir den Verfassungsschutz? Nein!“ vor. ….Ulrich Mäurer verwies darauf, dass die Verfassungsschutzämter (in Deutschland gibt es 17) ein Relikt des Kalten Krieges seien und verwies in seinem kurzen Rückblick darauf, dass auch er selbst in den 70zigern vom VS beobachtet wurde. Heute seien die Aufgaben des VS aber klarer geregelt. ….Matthias Güldner stellte bei seinem Beitrag klar, dass der VS zu mindestens bis 2008 eindeutig kritikwürdig gewesen sei. Trotzdem würde den Geheimdienst bundesweit niemand abschaffen. ….In der abschließenden stark genutzten Fragerunde ging es u.a. ums NPD-Verbot ….
Auszug BAF02./03.2014

Bremer Kulturinstitutionen unterm Hakenkreuz

20. Januar 2014

Wenig Neues im Verlauf der wissenschaftlichen Tagung „Verstrickt. Bremer Kulturinstitutionen unterm Hakenkreuz“ im Himmelssaal vom Haus Atlantis in der Bremer Böttcherstraße! Laut Programm sollte nicht nur die Rolle dieses Hauses aufgehellt werden, sondern ebenso die der Nordischen Kunsthochschule, der Kunsthalle, des Paula-Becker-Modersohn-Hauses und des Focke- sowie „Väterkunde“-Museums. 68 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein überfälliger Schritt, der das Ziel jedoch mehrfach verfehlte. Wissenschaftlich voll überzeugen konnte nur der Vortrag von Dirk Mahsarski über den Bremer Bildungssenator und SS-Oberführer Richard von Hoff. ….Im Auftrag der Hochschule für Künste Bremen, so der Name der Lehranstalt heute, erforschte Susen Krüger Saß deren Geschichte. In ihrem Vortrag behandelte sie vor allem Gründung sowie Machtkämpfe innerhalb der Institution….Kai Artinger gezeigt, wie stark die Bremer Kunsthalle in den NS-Kulturbetrieb eingebunden war….Auch der Direktor der Kunstsammlungen Böttcherstraße, Frank Laukötter, konnte mit seinen Ausführungen über das Paula-Becker-Modersohn-Haus und das Haus Atlantis nicht punkten, da er – um wieder nur ein Beispiel zu nennen – ein äußerst unvollständiges Bild von Bernhard Hoetger zeichnete
Auszug BAF 02/03.2014

Geschichte live erzählt

20. Januar 2014

Weimarer Republik und Nationalsozialismus sind Themen der mündlichen Realschul¬abschluss¬prüfung im Fach Geschichte. Für die jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren, die sich bei bras e. V. im Projekt AuRa auf ihre Realschulabschlussprüfung an der Erwachsenen¬schule Bremen vorbereiten, sind diese Themen eine Vergangenheit, zu der sie wenig persönlichen Bezug haben. …Die Führung von Inge Breidbach wurde von allen mit viel Interesse und Aufmerksamkeit angenommen. …Inge und Herbert Breidbach sind Zeitzeugen und für die jungen Leute hat es einen ganz besonderen Wert, sagen zu können: „Das hat mir Inge erzählt, die war dabei, die hat das selbst erlebt. Und sie ist schon über 80 Jahre alt und macht das freiwillig und ohne Geld und ist noch so fit.“
Auszug BAF02./03.2014

Geschichte und Gedenken

23. Dezember 2013

Unter diesem Titel eröffnete der Verein „Dokumentations- und Geschichtslehrpfad Lagerstraße/U-Boot-Bunker Valentin“ in der „Baracke 27“ am 25. Oktober eine dokumentarische Fotoausstellung über die Geschichte des KZ Neuengammes und seine bremischen Außenlager. Anlass war der siebzigste Jahrestag der Errichtung des Außenlagers in Farge. …Die Ausstellung selbst kann ich nur sehr empfehlen. Sie behandelt eine beachtliche Themenbreite, angefangen von der Topographie des KZ und der Gedenkstätte, der Häftlingsstruktur, Leitung und Bewachung, den Häftlingen als Wirtschaftsfaktor, Beherrschung durch Gewalt und Hierarchisierung, Räumung der Lager, das Außenlager Farge, dem Gedenken an die Opfer und eine – leider festinstallierte – Übersicht über die zehn Außenlager im Großraum Bremen.
Auszug BAF 12.13/01.14

Kinder und Enkel stärker einbinden

23. Dezember 2013

Welche Kontakte zu KZ-Häftlings-Angehörigen der 2. und 3. Generation gibt es, wie gehen sie mit der NS-Vergangenheit um, wie können sie stärker in die Gedenkstättenarbeit eingebunden werden? Diese Fragen waren Thema eines sehr informativen, für die weitere Arbeit anregenden Außenlagertreffens am 25. Oktober in der Gedenkstätte Neuengamme.
Auszug BAF 12.13/01.14

Schwarzbraune Mordbrenner

23. Dezember 2013

Er habe sich vor einem Jahr nicht wirklich vorstellen können, wie aktuell der Titel seines Vortrags sein werde, sagte unser Kamerad Dr. Ulrich Schneider zur Eröffnung seines Vortrags am 13. Oktober in der Antifaschistischen Bildungs- und Begegnungsstätte Heideruh.
Auszug BAF 12.13/01.14

Das Ausmaß des Leids erfassen

23. Dezember 2013

16 Stolpersteine verlegte Gunter Demnig am 11. Oktober in Bremen, von der Löningstraße, durch Schwachhausen bis nach Gröpelingen. Paten wie Angehörige erfuhren einen Einblick in die Strukturen von Ausgrenzung, Entrechtung, Enteignung und Deportation von Juden wie Euthanasieopfern. Schwer begreifbar erscheint uns heute das Ausmaß der behördlichen Einschränkungen, die mit dem Verbot der Berufsausübung begann und zur Einweisung in gekennzeichnete Häuser als Vorstufe für die Deportation in die Vernichtung führte.
Auszug aus BAF 12.13/01.14

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