Hände weg von Fritz Bauer! -Über untaugliche Versuche, eine historische Gestalt zu demontieren

21. August 2014


Im Vorwort zu einer Biografie über den 1968 verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer würdigt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, den Initiator des Auschwitzprozesses, Fritz Bauer, 2013 mit den Worten: „Der Demokrat und Patriot Fritz Bauer hat an der deutschen Geschichte mitgeschrieben und sie zum Guten hin beeinflusst. Es sollte uns ein gemeinsames Anliegen sein, die Erinnerung an sein Leben festzuhalten und sein Verdienst in würdigem Andenken zu bewahren.“ Im selben Jahr schreibt der Leiter des Archivs und der Dokumentation des Fritz Bauer Instituts, Werner Renz, ein Vorwort zur Neuauflage eines Buches über den Auschwitz-Prozess, in dem Fritz Bauer nicht vorkommt. Wie soll man sich das erklären? Natürlich ist es jedermanns gutes Recht, sich über eine Person der Zeitgeschichte zu äußern oder auch nicht. Aber bei jemandem, der in einem wissenschaftlichen Institut arbeitet, das nach Fritz Bauer benannt ist, fragt man sich schon, ob er vielleicht ein Problem hat mit dem Namensgeber. Ich will versuchen, am Beispiel einiger Ausätze von Werner Renz darauf eine Antwort zu finden.

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2005 erscheint ein Artikel von Renz mit der Überschrift „40 Jahre Auschwitz-Urteil – Täterexkulpation und Opfergedenken“. Darin schreibt er unter anderem, wenn man den Ausgang des Verfahrens betrachte und Sinn und Zweck staatlichen Strafens in NS-Prozessen überhaupt erörtere, falle das Fazit nicht gerade positiv aus. Er fragt, ob es in der bundesrepublikanischen Gesellschaft hinsichtlich der NS-Täter überhaupt ein Strafbedürfnis gegeben habe, und ob der Rechtsfriede und die Rechtsordnung ohne die Bestrafung der „Handlanger“ gefährdet gewesen wären. Auf diese Fragen, so Renz, könne es nur ein klares Nein geben. Hafte dem Auschwitz-Prozess nicht ein Gerechtigkeitsdefizit an, fragt er weiter, wenn man sich vergegenwärtige, dass die Schreibtischtäter vielfach nicht belangt worden seien? Gewiss hätten einige der Angeklagten, „Führer, Volk und Vaterland in Treue ergeben“, den Vernichtungsprozess bedient. Aber die Auschwitz-Täter hätten auf der letzten Stufe des Geschehens gestanden. Als Bürger der Bundesrepublik hätten sie sich später untadelig verhalten, und die Gefahr des Rückfalls in staatlich befohlenes kriminelles Verhalten habe bei ihnen ebenso wenig bestanden, wie der Verdacht mangelnder Rechtstreue gegenüber dem demokratischen Staat.

So massiv wie in diesem Artikel sind die Verfahren gegen NS-Täter und der Auschwitz-Prozess im Besonderen selten in Frage gestellt worden. Schlimmer als das in diesem Artikel geschieht, kann man die Gegner des NS-Regimes und die Hinterbliebenen der Opfer des Holocaust nach meinem Empfinden nicht vor den Kopf stoßen. Die Art und Weise, in der Werner Renz sich über die Angeklagten im Auschwitz-Prozess äußert, erinnert mich an manche Auftritte der Verteidiger während der Hauptverhandlung, über die ich als Journalist für eine jüdische Zeitung in Wien berichtete habe. Täterexkulpation bedeutet im strafrechtlichen Sinne die Aufhebung der Schuldfähigkeit eines Täters. Meint Renz wirklich, die Angeklagten hätten sich die ihnen vorgeworfenen Taten nicht zurechnen lassen müssen?
Desavouiert er damit nicht Fritz Bauer? Er arbeitet doch im Fritz Bauer Institut, das sich dem geistigen und politischen Erbe seines Namensgebers verpflichtet fühlt. Laut Satzung des Fördervereins Fritz Bauer Institut e.V. soll das Institut die Erinnerung an Leben, Werk und Wirken des ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer im öffentlichen Leben wach halten und fördern. Wie verträgt sich das miteinander?

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Im Jahr 2009 nimmt Werner Renz Äußerungen des Historikers Heinz Boberach über ein Gespräch mit Fritz Bauer zum Anlass für „Überlegungen zur einer skeptischen Bilanz Fritz Bauers“. Boberach zufolge soll Bauer kurz vor seinem Tod gesagt haben, es sei vielleicht falsch gewesen, dass er den Historikern mit dem Auschwitz-Prozess habe Arbeit abnehmen und das ganze Ausmaß der Verbrechen habe dokumentieren wollen, ihn dadurch aber verlängert und mehr Zeugen an ihre Leiden erinnert habe, als nötig gewesen sei; es hätte genügen können, die Schuld der Angeklagten nur in einigen hundert oder tausend Fälle nachzuweisen, um sie zur Höchststrafe zu verurteilen. Dazu bemerkt Renz, die von Bauer angesprochenen „negativen Folgen des Auschwitz-Prozesses“ ließen sich unterschiedlich betrachten. Für den Strafrechts- und Strafvollzugsreformer Bauer sei es gewiss nicht akzeptabel gewesen, dass Beschuldigte bzw. Angeklagte mehr als fünf Jahre in Untersuchungshaft gesessen hatten, bis endlich der Prozess begonnen habe. Ein weiterer wichtiger Aspekt bestehe darin, dass sich Zeugen in der Hauptverhandlung anders erinnert hätten, als im Rahmen des Vorverfahrens. Ob der Auschwitz-Prozess, wie Bauer emphatisch erhofft habe, den Deutschen „die historische Wahrheit kund und zu wissen“ gegeben habe, sei ungewiss. Gleichfalls strittig sei, ob das Strafverfahren den Bürgern der Bundesrepublik Lehren erteilt habe. Bauers aufklärerischer Impetus, sein aus Humanismus, aus seinem Menschenglauben geschöpfter volkspädagogischer Ansatz, hätten ihn das leidenschaftlich hoffen lassen. Man sei freilich geneigt, die Sache nüchterner zu betrachten.

Was heißt das? Will Renz damit in Abrede stellen, dass der Auschwitz-Prozess erstmals das ganze Ausmaß des Verbrechens am jüdischen Volk deutlich gemacht und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit bewirkt hat? Mit dieser Ansicht stünde er ziemlich allein. Oder will er nur Fritz Bauers Anteil an der zeitgeschichtlichen Wende schmälern? Hält es Renz wirklich für eine „negative Folge“ des Auschwitz-Prozesses, dass einer der Hauptangeklagten, der brutale Gestaposcherge Wilhelm Boger, bei Prozessbeginn seit fünf Jahren in Untersuchungshaft saß? Woher weiß er, dass das für den Reformer Fritz Bauer nicht akzeptabel gewesen sein dürfte? Abgesehen davon – Selbstzweifel sind kein negatives Charaktermerkmal. Dass Fritz Bauer sich gelegentlich gefragt hat, ob alles richtig gewesen sei, was er unternommen habe, zeugt von seiner Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Das als „begründete Selbstkritik“ auszugeben, steht niemandem zu.

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Im Jahr 2010 veröffentlicht Renz eine Stellungnahme zu dem Film von Ilona Ziok, „Fritz Bauer – Tod auf Raten“, der von der Deutschen Film- und Medienbewertung mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichnet worden ist. Mit dem Film selbst hält er sich nicht lange auf. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Äußerungen von Zeitzeugen, die seiner Meinung nach einer Überprüfung nicht standhalten. Insbesondere reibt er sich daran, dass der Ministerialdirigent Eduard Dreher vom Bundesjustizministerium als Drahtzieher einer Amnestie durch die Hintertür für NS-Täter bezeichnet wird. Dreher hat bei der im Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten untergebrachten Novellierung des § 50 Abs. 2 StGB eine wichtige Rolle gespielt. Die 1968 vom Bundestag einstimmig beschlossene Änderung sollte hauptsächlich Verkehrssündern zugute kommen, entpuppte sich aber, wie der Rechtswissenschaftler Michael Greve schreibt, auch „als Wohltat für zahlreiche NS-Gewaltverbrecher“ und als eine der gravierendsten gesetzgeberischen Fehlleistungen in der Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht. Renz hingegen meint, in der Forschung sei durchaus offen, ob es sich um eine Panne oder um „Drahtzieherei“ handelt. Was in dem Film als unbestrittene Erkenntnis verkündet werde, ist Renz zufolge „eine mögliche Auffassung – nicht mehr“.

Die abschätzige Bemerkung steht auf wackligen Füßen. Das Echo auf den Fehltritt des Bundestages war überwiegend negativ und ist immer noch nicht verhallt. 2013 bezeichnete Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die Neufassung des § 50 Abs. 2 des Strafgesetzbuches als „großen Rückschritt“, gemessen an dem Durchbruch in der strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit durch die Auschwitz-Prozesse, die untrennbar mit der Persönlichkeit von Fritz Bauer verbundenen seien. Das unter Beteiligung des NS-Juristen Eduard Dreher zu Stande gekommene Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten habe, so Maas, schlagartig viele NS-Taten verjähren lassen. Renz hat seinen Lesern nicht gesagt, dass es sich bei Dreher um einen ehemaligen Diener des nationalsozialistischen Unrechtsstaates handelt, der als Erster Staatsanwalt am NS-Sondergericht in Innsbruck mehrmals wegen geringfügiger Delikte die Todesstrafe beantragt haben soll. Die von Renz beanstandete Äußerung, Dreher sei der Drahtzieher einer Amnestie durch die Hintertür für NS-Täter gewesen, findet sich 2011 fast wortgleich in einem Aufsatz der Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Monika Frommel wieder. Sie schreibt mit Blick auf das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten: „Unverdächtiger konnte die kalte Amnestie für NS-Täter nicht verpackt werden.“

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2011 veröffentlicht Werner Renz „Anmerkungen zur Entmythologisierung eines NSG-Verfahrens“. Gemeint ist der Auschwitz-Prozess. Die Abkürzung steht für nationalsozialistische Gewaltverbrechen. Renz leitet diesen Artikel wie folgt ein: „Zum 100. Geburtstag Fritz Bauers meldeten sich Verehrer und Kritiker zu Wort. Der Journalist und Jurist Heribert Prantl meinte in der ‚Süddeutschen Zeitung’ ehrerbietig, Bauer habe den
Gerichtssaal ‚zum Klassenzimmer der Nation’ gemacht; der Jurist und Rechtsphilosoph Gerd Roelleke hielt in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung’ dem hessischen Generalstaatsanwalt vor, ‚Volksaufklärung durch Strafrechtstheater’ betrieben zu haben. Inwiefern beide Autoren Bauers Intentionen angemessen darstellen, sollen die folgenden Ausführungen zeigen.“ Wer sich in kritischer Absicht mit dem Auschwitz-Prozess befasse, schreibt Renz, der habe es auch mit Mythen tun, die den sachlichen und nüchternen Blick auf das Verfahren verstellten. Da sei zum einen der Mythos Fritz Bauer und zum anderen der Mythos der volkspädagogischen Aufklärung durch NS-Prozesse. Aus Unkenntnis sei oft von konzeptioneller Planung und Vorbereitung des Auschwitz-Prozesses die Rede, wo es schlicht um die Durchführung eines Strafverfahrens nach Recht und Gesetz gehe. Als politischer Beamter habe Bauer seine Behörde mit großer Konsequenz zu einem „vergangenheitspolitischen Instrument“ gemacht und gegen den Widerstand der Frankfurter Staatsanwaltschaft durchgesetzt, dass ihr der Bundesgerichtshof die Verfolgung von Auschwitz-Tätern übertrug. Für die Unwilligkeit der Anklagebehörde gab es nach Meinung von Renz gute Gründe. Der Verbrechenskomplex Auschwitz sei bei der zentralen Ermittlungsstelle in Ludwigsburg in guten staatsanwaltschaftlichen Händen gewesen. Die wiederholt zu lesende Feststellung, ohne Bauer hätte es den Auschwitz-Prozess nicht gegeben, sei „demnach ins sachgerechte Licht zu rücken“. Renz lobt im weiteren Verlauf den Untersuchungsrichter Dr. Heinz Düx, der sich mit großer Tatkraft die von Bauer angestrebte Ahndung der NS-Verbrechen zu Eigen gemacht und auf herausragende Weise der Beweissicherung und Beweisermittlung gedient habe. Ob das Verfahren am Ende zu einem Bewusstseinswandel der Deutschen geführt habe, lasse sich nur recht spekulativ beantworten.

Welcher der beiden eingangs von ihm genannten Autoren die Intentionen Fritz Bauers zutreffend dargestellt hat, sagt Renz am Ende nicht. Auch was ihn zu den „Anmerkungen zur Entmythologisierung“ des Auschwitz-Prozesses bewogen hat, bleibt den Lesern verborgen. Seine Wortwahl lässt auch nicht erkennen, ob er eine Entmythologisierung des Prozesses für notwendig hält, oder ob er sich nur zu einem Faktum äußert. Jedenfalls meint er, wer sich in kritischer Absicht mit dem Auschwitz-Prozess befasse, habe es mit Mythen zu tun, die den nüchternen Blick verstellten. Nur – welchen Grund gibt es eigentlich, sich dem Auschwitz-Prozess in kritischer Absicht zu nähern? Wieso verstellt der Mythos Fritz Bauer den sachlichen und nüchternen Blick auf den Auschwitz-Prozess? Empfinden manche die öffentliche Ausstrahlung Fritz Bauers auch 46 Jahre nach seinem Tod immer noch als so störend, dass sie ihn als historische Gestalt vom Sockel stoßen möchten? Was die Andeutung von Werner Renz betrifft, den Auschwitz-Prozess hätte es auch ohne Fritz Bauer gegeben, da dieser Verbrechenskomplex bei der Ludwigsburger Stelle in guten Händen gewesen sei, so bedarf sie einer Klarstellung. Die zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Ermittlung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Ludwigsburg hat keine Prozesse geführt, sondern lediglich Verbrechenskomplexe zusammengestellt und ihre Ermittlungsergebnisse an die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften weiter geleitet. Im Fall Auschwitz wären die Akten vermutlich nach Stuttgart gegangen, weil einer der Hauptbeschuldigten, Wilhelm Boger, seinen Wohnsitz in der Nähe von Stuttgart hatte. Die Stuttgarter Behörden waren bekannter Maßen wenig geneigt, sich mit Auschwitz zu behängen, und auch die Frankfurter Staatsanwaltschaft nahm sich der Sache erst an, nachdem der hessische Generalstaatsanwalt Bauer beim Bundesgerichtshof eine entsprechende Entscheidung herbeigeführt hatte. Das alles weiß natürlich auch Werner Renz.

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In einem Aufsatz mit der Überschrift „Fritz Bauer zum Zweck der NS-Prozesse“ erinnert Renz 2012 an Fritz Bauers Buch „Die Kriegsverbrecher vor Gericht“, das dieser im schwedischen Exil verfasst hat. „Durchaus im Stile eines Praeceptor Germaniae“ habe Bauer dort mit Entschiedenheit dargelegt, dass das deutsche Volk „eine Lektion im geltenden Völkerrecht“ brauche. Mit der ihm eigenen Emphase habe der „patriotische Exilant“ gemeint, ein ehrliches deutsches „J’accuse“ würde das eigene Nest nicht beschmutzen, sondern ganz im Gegenteil das Bekenntnis zu einer neuen deutschen Welt sein. Im Gegensatz zu seinen optimistischen öffentlichen Äußerungen als Generalstaatsanwalt habe Bauer die Situation insgeheim jedoch viel pessimistischer betrachtet und bei sich selbst eine intellektuelle, um der Sache willen gleichwohl erkennenden Auges praktizierte „Schizophrenie“ diagnostiziert. Zu Gunsten der NS-Täter werde man annehmen können, dass sie sporadisch ein schlechtes Gewissen und ein Unrechtsbewusstsein gehabt hätten. Nahezu alle seien der Meinung gewesen, dass sie für ihre staatlich angeordnete Beteiligung an rechtswidrigen Taten strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten. Nach der Schilderung von Renz empfanden sie es als „schreiende Ungerechtigkeit“, dass es dann anders kam. Bei aller Notwendigkeit, die Verbrechen zu ahnden, dürfte Bauer ihnen gegenüber nicht frei von Gewissenszweifeln gewesen sein.

Mich erstaunt die Kühnheit, mit der Werner Renz den hessischen Generalstaatsanwalt in diesem Artikel als gespaltene Persönlichkeit charakterisiert und ihm Gewissenszweifel gegenüber Nazi-Verbrechern unterstellt, demselben Fritz Bauer, dem er an anderer Stelle vorhält, er habe NS-Täter unterschiedslos „Kriegsverbrecher“ genannt und ihnen „nicht ohne Rigorosität“, vor Gericht „nur die Rolle eines Mittels zum Zweck“ zugewiesen. Nicht weniger erstaunlich ist seine Aussage, zugunsten der NS-Täter werde man annehmen können, sie hätten sporadisch ein schlechtes Gewissen und ein Unrechtsbewusstsein gehabt. Im Auschwitz-Prozess war davon nichts zu bemerken. Keiner der Angeklagten hat sich von seinen Untaten distanziert oder ein Wort des Bedauerns für die Opfer gefunden. Alle hatten nur Mitleid mit sich selbst und empfanden es – wie Renz einfühlsam registriert – „als schreiende Ungerechtigkeit“, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der von Werner Renz lobend erwähnte Untersuchungsrichter Dr. Heinz Düx reagierte auf diesen Artikel mit Erstaunen und außerordentlichem Befremden. Er enthalte seines Erachtens nach Elemente, die als Beginn der Demontage und Desavouierung des Namensgebers des Fritz Bauer Instituts gesehen werden könnten.

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Ein Beitrag von Werner Renz für das 2014 erschienene Begleitbuch zu einer Ausstellung über Fritz Bauer in Frankfurt am Main beginnt mit den Sätzen: „Gemeinhin werden Fritz Bauer und der Frankfurter Auschwitz-Prozess in einem Atemzug genannt. Die ‚Strafsache gegen Mulka u. a.’ vor dem Landgericht Frankfurt am Main, in 20 Monaten und an 183 Verhandlungstagen gegen zuletzt 20 Angeklagte durchgeführt, fand jedoch ohne Bauer statt.“ Später erwähnt Renz in einem Halbsatz Bauers „wichtige Rolle“ in der Vorgeschichte, betont aber nochmals: „In der Hauptverhandlung kommt Bauer nicht vor.“ Dann jedoch spricht er davon, dass es neben der Erstattung zeitgeschichtlicher Gutachten in der Hauptverhandlung einen weiteren Vorgang gegeben habe, der „ganz und gar Bauers Handschrift trug“. Am Ende der Beweisaufnahme habe er „zur Überraschung des Gerichts“ seine „andere Rechtsauffassung“ in den Prozess eingebracht, und zwar habe die Anklagevertretung auf sein Drängen hin beantragt, das Gericht möge die Angeklagten darauf hinweisen, dass in ihrer Anwesenheit in Auschwitz eine „natürliche Handlungseinheit gemäß § 73 StGB“ gesehen werden könne, die sich rechtlich als Beihilfe oder Mittäterschaft zu einem einheitlichen Vernichtungsprogramm qualifiziere, und eine Verurteilung auch ohne konkreten Tatnachweis ermögliche. Diese Rechtsauffassung hätten das Frankfurter Gericht und später auch der Bundesgerichtshof jedoch verworfen. Am Schluss des Artikels schreibt Renz, Bauers Rechtsauffassung habe 2012 eine „überraschende Renaissance“ erlebt, als das Münchner Landgericht II den ehemaligen ukrainischen Wachmann Demjanjuk wegen seiner Tätigkeit im Vernichtungslager Sobibór ohne konkreten Tatnachweis wegen Beihilfe zum Mord verurteilte.

Mit diesem Artikel verhält es sich so, wie mit den meisten anderen. Renz stellt unstrittige Sachverhalte so dar, dass sie Fritz Bauer schlecht aussehen lassen. Im Auschwitz-Prozess kam der hessische Generalstaatsanwalt aus gutem Grund nicht vor: die Vertretung der Anklage lag in den Händen von vier Staatsanwälten, die Fritz Bauer mit dieser Aufgabe betraut hatte. Die Sache so darzustellen, als würde Fritz Bauer zu Unrecht für etwas gerühmt, mit dem er nichts zu tun hatte, ist einer der Seitenhiebe, die Renz immer wieder austeilt. Im Gegensatz zu seiner Behauptung, in der Hauptverhandlung komme Bauer nicht vor, spricht er später von zwei Vorgängen, die ganz und gar Bauers Handschrift getragen hätten. An keiner Stelle lässt Renz erkennen, wie er zu dem auf Drängen Bauers eingebrachten Antrag steht, die Angeklagten davon zu unterrichten, dass sie im Einzelfall wegen Beihilfe oder Mittäterschaft zu Verantwortung gezogen werden könnten. Auch zu seiner Haltung gegenüber der „überraschenden Renaissance“ der Bauerschen Rechtsauffassung im Fall des ukrainischen Wachmanns Demjanjukj äußert er sich nicht. Einem institutsfernen Historiker würde ich diese Distanz nachsehen, einem Mitarbeiter des Fritz Bauer Instituts nicht.

Fazit

Das Schweigen von Werner Renz über Fritz Bauer, seine Bemerkungen über den vermeintlich innerlich zerrissenen „Praeceptor Germaniae“, der den Deutschen die Ursachen ihrer Verführbarkeit bewusst machen wollte und mit sich selbst nicht zurecht kam, all das steht in krassem Widerspruch zu der Aussage des obersten Verfassungsrichters der Bundesrepublik Deutsachland, Fritz Bauer habe die deutsche Geschichte zum Guten hin beeinflusst. Fritz Bauer verkörperte das „andere Deutschland“, mit dem sich Teile der konservativen Elite nie angefreundet haben. Sie möchten die Erinnerung an dieses andere Deutschland und an die NS-Vergangenheit auf ein unvermeidliches Maß zurückschrauben, damit Deutschland seine neue Rolle in der Welt ungehindert wahrnehmen kann. Aber die Erinnerung an die von Deutschen begangenen Verbrechen sind zu fest im kollektiven Gedächtnis der Menschheit verankert, als dass sie jemals vergessen werden könnten. Als der kürzlich verstorbene amerikanische Schauspieler Robin William gefragt wurde, was er auf die Frage einer deutschen Talkmasterin geantwortet habe, warum es in Deutschland so wenig Comedy gebe, antwortete er: „Na ja, ich habe gesagt, habt ihr schon mal überlegt, ob ihr die lustigen Leute vielleicht alle umgebracht habt?“

Fritz Bauer war auch aus anderen Gründen manchen ein Dorn im Auge. Sie nahmen ihm übel, dass er mit seinem im Remer-Prozess erstrittenen Recht auf Ungehorsam der Aufstellung deutscher Streitkräfte in die Quere kam. Nicht minder verübelten sie ihm, dass er den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns an die Israelis „verriet“ und damit die Gefahr heraufbeschwor, Eichmann könne etwas über die Verstrickung von Hans Globke in die Judenverfolgung aussagen, ganz abgesehen von dem Ermittlungsverfahren gegen den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, mit dem er sich den Zorn der Bundesregierung zuzog.

Ich habe Fritz Bauer schon vor dem Auschwitz-Prozess gekannt. Ich habe ihn in Bad Kreuznach im Streitgespräch mit Helmut Kohl erlebt und während seines Frankfurter Vortrages über die Ursachen des Bösen. Damals sagte er: „Ohne Frage nach den Wurzeln des Bösen gibt es kein Heil und keine Heilung. Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“ Von diesem Fritz Bauer finde ich bei Renz so gut wie nichts. Bauers Vortrag über „Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns“, der Schlüssel zum Verständnis des Lebenswerkes von Fritz Bauer, ist ihm allenfalls eine Fußnote wert, obwohl er Fritz Bauer für einen Mann von funkelnder Intelligenz, umfassenden Wissen und klassischer Bildung hält, umgetrieben von heißer Menschenliebe und verzehrender Sorge um das Menschengeschlecht, leidenschaftlich und engagiert, rastlos und unermüdlich, selbstlos und aufopfernd, ein couragierter Streiter und mutiger Kämpfer, aber auch ein seelisch Verletzter. Allem Anschein nach hat Renz persönlich ein gespaltenes Verhältnis zu Fritz Bauer, das ihm den Blick mitunter trübt. Ich bin der Letzte, der ihn deswegen kritisieren würde. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fritz Bauer Instituts ist es jedoch seine Pflicht, ein authentisches Bild von Fritz Bauer zu zeichnen und ihn vor Fehldeutungen zu bewahren.
Kurt Nelhiebel (Träger des Kultur- und Friedenspreises der Villa Ichon in Bremen)

1.Werner Renz, Täterexkulpation und Opfergedenken, Newsletter Nr.27 des Fritz Bauer Instituts (Herbst 2005).
2. Werner Renz,(Un-)Begründete Selbstkritik, Tribüne, Heft 190, 2. Quartal 2009
3. Werner Renz, Mediale Missgriffe – Fritz Bauer im Dokumentarfilm, 2010, Einsicht 04.
4. Michael Greve, Amnestierung von NS-Gehilfen – eine Panne?, Kritische Justiz 2000, H 3, S. 412-424.
5. Monika Frommel, Taktische Jurisprudenz – die verdeckte Amnestie von NS-Schreibtischtätern und die Nachwirkung der damaligen Rechtsprechung bis heute, 2011, Festschrift für Hubert Rottleutner.
6. Werner Renz, Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963-1965 und die deutsche Öffentlichkeit. Anmerkungen zur Entmythologisierung eines NSG-Verfahrens, in NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit, herausgegeben von Jörg Osterloh und Clemens Vollnhals, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 2011, S. 349-36.
7. Werner Renz, Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess, 2011, S.350
8. Werner Renz, Fritz Bauer und der Auschwitz-Prozess, in Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York, 2014, S. 149 f.
9.Susan Vahabzadeh, Der gute Amerikaner, FAZ 13. August 2014, S. 3.
10. Werner Renz, Mediale Missgriffe – Fritz Bauer im Dokumentarfilm, Einsicht 04, Bulletin des Fritz Bauer Instituts, 2010.

Die Ausnahme. Oktober 1943. Wie die dänischen Juden mithilfe ihrer Mitbürger der Vernichtung entkamen.

10. Juli 2014

Für die einen ist er der „Geheimnisvoller Mister X“ für die anderen der „Der Schindler von Kopenhagen“. Gemeint ist Georg Ferdinand Duckwitz.

Er wurde am 29. September 1904 in Bremen als Sohn einer alteingesessenen Bremer Kaufmannsfamilie geboren und ist der Urenkel des Bremer Kaufmanns und Bürgermeisters Arnold Duckwitz. Sein Neffe 2. Grades Edmund Duckwitz ist in seine Fußstapfen getreten und seit Oktober 2010 deutscher Botschafter in Mexiko. Zuvor war er Ständiger Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union in Brüssel („Ohne meinen Onkel wäre ich nicht Diplomat“).

Georg Ferdinand Duckwitz war Mitglied eines Freikorps, studierte Nationalökonomie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, schloss sich dem der dortigen schlagenden Corps Rhenania Freiburg an, brach das Studium ab und trat in den Dienst von Kaffee Hag, ging für das Unternehmen als Niederlassungsleiter nach Kopenhagen, war von den Ideen Adolf Hitlers begeistert und wurde schon 1932 Mitglied der NSDAP. Kurzum – seine NS-Karriere war eigentlich vorprogrammiert. Doch nach dem Röhm-Putsch 1934 begann bei Duckwitz ein Umdenken. Er distanziertere sich innerlich von der Partei ohne allerdings auszutreten.
Am 01. Juli 1933 begann Duckwitz seinen Dienst in dem neu geschaffenen Außenpolitischen Amt in Berlin (APA), der außenpolitischen Abteilung der Partei. Bereits im Juni 1935, quittierte Duckwitz den Dienst. Er schrieb an den Leiter des APA, Alfred Rosenberg: „Meine nunmehr zweijährige Tätigkeit in der Reichsleitung der N.S.D.A.P. hat mich erkennen lassen, dass ich mich im Wesen und in der Zielsetzung der nationalsozialistischen Bewegung so grundlegend getäuscht habe, dass ich als mir selbst gegenüber ehrlicher Mensch nicht mehr in der Lage bin, innerhalb dieser Bewegung zu arbeiten.“ Da Rosenberg Duckwitz mochte, blieb der Brief folgenlos.
1939 ging er zum Reichsverkehrsministerium und gelang durch die massive Fürsprache von Admirals Canaris als Schifffahrtsachverständigen nach Kopenhagen. 1941 wechselte in das Auswärtige Amt. Seit 1941 hatte er nicht nur Kontakte zum Kreis um Goerdeler und den Widerständlern des 20. Juli 1944, er war der wichtigste Vertreter in Skandinavien. Er war sich der Gefahr für sich und seiner Frau bewusst. Nach dem 20. Juli 1944 trugen beide ständig Zyankalipillen mit sich. So befahl Otto Bovensiepen (Dänemarks Leiter der Sicherheitspolizei und des SDs, SS-Standartenführer und Oberst der Polizei), kurz vor Ende des Krieges die Erschießung von Duckwitz und seiner Frau. Beide konnten glücklicherweise rechtzeitig untertauchen.

Am 28. September 1943, also am Tag des Jom Kippur, der heiligste jüdische Fest- und Feiertag des Jahres, wo alle Juden zuhause waren, sollte die „Judenaktion“ auch in Dänemark sattfinden. Duckwitz wurde der Termin früh gewahr und konnte vor allem mit Hilfe der dänischen Fischer ca. 6.500 Juden und ca. 1.370 Halbjuden nach Schweden retten. Durch das Schweigen von Dr. Werner Best, dem „Schlächter von Paris“ und deutscher Statthalter in Dänemark, war hilfreich. Best war das Ende des „Dritten Reiches“ bewusst und wollte somit Pluspunkte für das Danach sammeln. Lediglich 472 Juden wurden von der Gestapo aufgegriffen und nach KZ Theresienstadt verschleppt, 423 von ihnen überlebten. 1971 wurde er von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Duckwitz zunächst in Kopenhagen als Vertreter der westdeutschen Handelskammern. Bei der Wiedergründung des Auswärtigen Amtes war er Leiter der Wirtschaftsabteilung beim Generalkonsulat in Kopenhagen. 1953 wurde er Konsul in Helsinki. Im Jahr 1955 kehrte er als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland nach Kopenhagen zurück. 1958 wurde er Leiter der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes in Bonn. Danach wechselte er auf den Posten des deutschen Botschafters in Indien nach Neu-Delhi. 1965 wurde er auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt. Durch seine Zeit als Leiter der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes hatte er engen Kontakt zu Willy Brandt, dem damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin. Er teilte die Notwendigkeit einer neuen Ostpolitik. Als Brandt im Jahr 1966 Bundesaußenminister wurde, holte er 1967 Duckwitz als Staatssekretär in den aktiven Dienst zurück. Duckwitz blieb es auch unter Walter Scheel. Nach dem Abschluss des Warschauer Vertrags über die deutsch-polnischen Beziehungen (Duckwitz war hier der Verhandlungsführer der Bundesrepublik Deutschland) trat er endgültig in den Ruhestand. Er starb am 16. Februar 1973 und wurde auf dem Riensberger Friedhof in Bremen beigesetzt. In Vegesack wurde der „Kleiner Markt“ in „Botschafter-Duckwitz-Platz“ umbenannt.
Bo Lidegaard hat ein gutes Buch über die Rettung der dänischen Juden geschrieben: „Die Ausnahme. Oktober 1943. Wie die dänischen Juden mithilfe ihrer Mitbürger der Vernichtung entkamen.“ Blessing Verlag, München 2013, 591 Seiten, EUR 24,99, ISBN 978-389667-510-1.

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Bundeskongress 2014

8. Juli 2014

Im SAALBAU Gallus, dem Ort an dem 1964/65 der Frankfurter Auschwitz-Prozess stattgefunden hatte, tagte am 31. Mai und 01. Juni 2014 der jüngste Bundeskongress unserer Organisation. Schwerpunkt des Kongresses waren die Rechenschaftslegung des alten Vorstands (SprecherInnenkreis), die Diskussion und Beschlussfassung über die gestellten Anträge und die Wahl eines neuen SprecherInnenkreis.
Am Abend vor der Eröffnung des Bundeskongresses fand am Tagungsort bereits eine interessante Podiumsdiskussion mit dem Titel „Neofaschismus und Rechtspopulismus in Europa entgegentreten“ statt. Es diskutierten neben Ulrich Schneider als Generalsekretär der FIR auch vier VertreterInnen von Schwesterorganisationen aus Frankreich, Griechenland, den Niederlanden und Ungarn. Die TeilnehmerInnen berichteten vom zunehmendem Auftreten von Rechtskräften in ihren Ländern. Trotz sehr unterschiedlicher Situationsbeschreibungen in den einzelnen Staaten und Deutungen dieser Rechtskräfte waren sich die DiskutantInnen doch darin einig, dass die eigentliche Ursache für das Anschwellen der rechten Kräfte in der sich verschlechternden wirtschaftlichen und sozialen Lage der jeweiligen Bevölkerung zu suchen sei. Grund hierfür sei die neoliberale Politik der jetzigen (im Falle Ungarns vorherigen) Regierungen.
Zum Bundeskongress erschienen 158 Delegierte und viele Gäste. Nach einem Bericht über eine Neuinszenierung von Peter Weiss‘ „Die Ermittlung“ wurde der Kongress offiziell eröffnet. Die Totenehrung – bei der auch Friedrich Beckers gedacht wurde -, Bestätigung der Regularien, Wahl der Leitungsgremien und weiterer Kommissionen und Grußworte (insbesondere durch den Frankfurter Stadtrat Möbius) wurden vorzeitig abgeschlossen.
Cornelia Kerth hielt – anlässlich des Rechenschaftsbericht des SprecherInnenkreises – eine Rückschau über die politische Entwicklung und unsere Aktivitäten der letzten zwei Jahre. Sie verwies auf die Großdemonstration in Rostock 2012, die fortlaufende NO-NPD-Kampagne und V-Leute-Kampagne, die Blockadeaktionen in Dresden und unsere Beteiligung an den Aktionen gegen den Geschichtsrevisionismus in Litauen. Hinsichtlich der aktuellen Lage ging sie ein auf die durch Neofaschisten unterstützten Demonstrationen gegen Heime für Immigranten, die Maßnahmen zur Sicherung der „Festung Europa“, der Kriminalisierung von antifaschistischen Demonstranten, die zunehmende Einstimmung der Bevölkerung auf weitere Kriegseinsätze der Bundeswehr und die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der neuen ukrainischen Regierung und ihren Unterstützern auf dem Maidan. Dort gehören auch „Swoboda“ und der „Rechte Sektor“ zu. In der BRD ist höchste Wachsamkeit wegen der Ukraine geboten. Wir müssten stärker werden und unsere Zusammenarbeit verbessern.
Regina Elsner hielt als Schatzmeisterin den Finanzbericht, der auch schriftlich vorlag. Sie betonte, dass die Gemeinnützigkeit weiterhin anerkannt ist und dass die sämtliche externen und staatlichen Prüfungen von Buchhaltung, Rechnungslegung und Abschlüssen zu keinen Einwendungen führten. Die finanzielle Lage der Bundesorganisation ist dergestalt, dass zur Zeit die Reserven verbraucht werden, sodass verschiedene Einsparvorschläge vom Bundesausschuss diskutiert werden. Die Aufgabe der Bundesgeschäftsstelle bzw. des -geschäftsführers standen dabei nicht zur Debatte. Keiner dieser Sparvorschläge wurde bisher verwirklicht. Beschlossen wurde aber eine Erhöhung der Umlage der Landesverbände an den Bund von 1,- Euro auf 1,20 Euro. Auch der – wegen der Erkrankung ihres Vorsitzenden – nur schriftlich vorliegende Bericht der Revisionskommission enthielt keine Beanstandungen. Der SprecherInnenkreis als Geschäftsführender Vorstand im Sinne des BGB wurde mit großer Mehrheit entlastet. Vor der Entlastung gab es vielfältige Nachfragen, Statements und Informationen zu den Rechenschaftsberichten, u.a. eine Einführung von Bea Trampenau zur Arbeit in Heideruh.
Last but, not least verabschiedete der Kongress die ausscheidenden Mitglieder des Sprecherinnenkreises: Heinrich Fink, Heinz Siefritz und Richard Häusler. Heinrich Fink wurde unter standing ovations aller Anwesenden zum Ehrenpräsidenten der VVN-BdA ernannt. Heinz Siefritz bat scherzhaft darum ihn nicht zum Ehrenkassierer zu ernennen.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen begann dann die Zukunftswerkstatt. Diese erhielt einen gewissen Reiz dadurch, dass die Gruppenzugehörigkeit dieses „Workshops“ erst peu à peu bekannt gegeben wurde. Wir wurden aufgrund einer Zuweisung in unseren Delegiertenunterlagen einem bestimmten Tisch zugewiesen. Den dort versammelten Delegierte/n debattierte dann über Themenvorschläge für Arbeitsgruppen. Ein Mitglied der Gruppe sortierte dann die entsprechenden Vorschläge bestimmten Themengruppen zu. Im Folgenden konnten die einzelnen Delegierte/n jede dieser Themengruppen mit bis zu fünf Klebepunkten prämieren. So wurden sieben Themen herausgearbeitet, die jeweils von zwei bis drei Tischen getrennt voneinander diskutiert wurden. Insbesondere sollten wir uns dabei an den thematisch passenden Anträgen zum Bundeskongress orientieren. Die Ergebnisse wurden auf großen Seiten Packpapier gesammelt und den anderen Gruppen präsentiert. Eine der Workshopgruppen kam zum Ergebnis, dass Antrag zwei zu aufgebläht war und wollte ihn durch 3 kurze Forderungen ersetzen. Dafür fand sich am nächsten Tag allerdings keine Mehrheit.
Am Sonntag wurden dann parallel zwei Aktionen durchgeführt. Einerseits wurde in geheimer Wahl über die Vorsitzenden, die Schatzmeisterin und die weiteren Mitglieder des SprecherInnenkreises abgestimmt. Auch die Revisions- und Schiedskommission wurden gewählt. Andererseits wurde über die Vielzahl der zum Bundeskongress gestellten Anträge, Änderungsanträge usw. diskutiert und entschieden.
Gewählt wurden zu Vorsitzenden Cornelia Kerth und Axel Holz, zur Schatzmeisterin Regina Elsner, als weitere Mitglieder im SprecherInnenkreis Regina Girod, Ulrich Sander und Ulrich Schneider. Die Mitglieder der Schiedskommission heißen Doris Finsch, Heinrich Fink, Wilhelm Girod und Traute Springer-Yakar und die der Revisionskommission Uwe Döring und Heinz Siefritz. Die BewerberInnen erhielten in der Regel fast alle Stimmen, der jeweils noch abstimmenden Delegierte/n. Problematisch war, dass die Größe des SprecherInnenkreises auf acht Mitglieder festgelegt wurde und nur sechs gewählt wurden.
Die Antragsdiskussion war breit gefächert und zeichnete sich dadurch aus, dass die Antragskommission hinsichtlich der ersten beiden Anträge zu „Neofaschismus“ und „Geschichtspolitik, Gedenken und Erinnern“ die Änderungsanträge der Kreisverbandes Stuttgart komplett übernahm. Im Bezug auf den Neofaschismusantrag führte dies zu einer sprachlichen Verbesserung und geringer Präzisierungen und Aktualisierungen. Bezüglich des Geschichtsantrages bedeutete dies auch eine deutliche Akzentveränderung. Statt nur – wie im ersten Antragsentwurf den 27. Januar zum europaweiten Gedenktag zu begehen – fordert die VVN-BdA nun den 8. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Im weiteren wurde der Arbeiterwiderstand breiter und präziser gewürdigt. Eine kurze Debatte wurde darum geführt, ob unsere Organisation auch diejenigen Antifaschisten ehren soll, die durch Maßnahmen der Sowjetunion zu Tode kamen. Doch eine Mehrheit sprach sich dafür aus.
Der dritte Antrag beschäftigte sich mit der Situation der Immigranten. Betont wurde, dass Deutschland und Europa für einen großen Teil der Fluchtursachen (Krieg, Armut) der Heimatländer der Flüchtlinge mitverantwortlich sei. Der Antrag wendet sich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, gegen Waffenexporte, gegen die „Festung Europa“ und gegen alle Sondergesetze, welche die Würde des Menschen verletzen, wie die Residenzpflicht, das Asylbewerberleistungsgesetz.
Antrag vier behandelte den „Antiziganismus“. Bei ihrer Abwehr von Flüchtlingen bedienen sich rechte Politiker von den Unionsparteien bis zur NPD antiziganistischer Stereotypen. Wir fordern dagegen die Anerkennung von Sinti und Roma als kulturelle Minderheit in der BRD, eine Korrektur des Verhaltens gegenüber dieser Minderheit auch von PolitikerInnen, staatlichen Institutionen und Medien. Die Zurückweisung antiziganistischer Propaganda und ihre Bestrafung als Volksverhetzung.
Der fünfte Antrag, indem wir uns gegen Militär und Krieg wenden, wurde wieder stärker diskutiert. Zwar war man sich in der Beurteilung der Politik von Bundesregierung und Nato relativ einig, doch die Frage, ob man die Begrenzung der Bundeswehr auf ihren defensiven Auftrag oder die Auflösung der Bundeswehr fordern sollte wurde heiß diskutiert. Eine Mehrheit wollte die Auflösungsforderung.
Weitere Anträge konnten wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr vom Kongress behandelt werden und wurden wohl an die zuständigen Gremien verwiesen. Da ich – durch KameradInnen aus dem KV Ostfriesland gebeten – am Ende der Kongresses bei der Wahlkommission mit eingebunden war, bekam ich auch nicht mehr alles mit.
Die zwei Tage des Kongresses in Frankfurt waren zwar mit viel Arbeit angefüllt, ließen aber genug Raum für viele Gespräche. Lobend erwähnen muss man die konsequente Versammlungsleitung durch Cornelia und Axel, die es schafften den Kongress zügig durchzuführen, ohne Diskussionsbeiträge abzuwürgen und die Organisatoren, insbesondere aus Frankfurt, die dafür sorgten, dass ich mich während der gesamten Zeit sehr wohl fühlte.

Ein Denkmal für Laye Condé

8. Juli 2014


Es ist zu einem großen Teil der Hartnäckigkeit der Bremer „Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé“ zu verdanken, dass die Tötung des 35-jährigen Laye Condé aus Sierra Leone Ende 2004/Anfang 2005 im Polizeipräsidium in der Vahr weiterhin in der öffentlichen Diskussion ist. Die Tötung erfolgte durch die gewaltsame Verabreichung von Brechmittel.
Am 1. November 2013 wurde vor dem Bremer Landgericht das dritte Verfahren gegen den Polizeiarzt, der die tödliche Brechmittelverabreichung durchgeführt hatte, gegen eine Zahlung von 20.000 Euro eingestellt …Wie konnte in Bremen über 13 Jahre lang und über 1000 Mal ein Beweis¬sicherungs¬verfahren nahezu alltäglich angewandt werden, über das der Europäische Menschenrechtsgerichtshof schließlich 2006 urteilte, es verstoße gegen das Folterverbot? Wie konnten die zahlreichen Hinweise, dass es sich um ein stark gesundheitsgefährdendes Verfahren handelt, so beharrlich ignoriert und bestritten werden? Wieso wurden auch nach 2001, als in Hamburg Achidi John durch Brechmittel getötet worden war, in Bremen weiter gewaltsam Brechmittel verabreicht?
Nachdem der Bundesgerichtshof zweimal die Urteile des Bremer Landgerichts wegen gravierender Mängel kassiert und zurückverwiesen hatte, sah das Gericht dann beim letzten Verfahren ein „Systemversagen…Keiner wurde bislang zur Verantwortung gezogen oder hat die Verantwortung übernommen. Die Berufung auf Nichtwissen über die Wirkungen ist unglaubwürdig. Denn zum Beispiel der Länderbericht EUR 23/02/96 Deutschland von Amnesty International vom Februar 1996 dokumentiert Vorwürfe über Misshandlungen von Ausländern durch Polizeibeamte und Straf¬voll¬zugsbeamte und schildert auch zwei Fälle aus Bremen: …Doch dabei darf es nicht stehen bleiben. Zu den Vorschlägen, wie politische Verantwor¬tung übernommen werden könnte, gehört eine Einladung der Familie Condé nach Bremen, um sie in würdigem Rahmen im Namen des Senats um Verzeihung zu bitten und ihr angemessene Entschädigung anzubieten. Und dazu gehört das Aufstellen eines Denkmals für Laye Condé an einer öffentlichen Stelle in Bremen, quasi als ständiger Stachel im Fleisch der Stadt.
Auszug BAF 08/09.2014

Feuersturm über dem Bremer Westen

8. Juli 2014

Seinen schwersten Luftangriff erlebte Bremen am 18./19. August 1944. Mehr als 1.000 Menschen starben, über 700 wurden verwundet, mehr als 49.000 obdachlos. „Es blieb nichts mehr übrig als aus dem gefährdeten Gebiet zurückzugehen“, stand im Luftschutzbericht. Der Bericht lässt das qualvolle Sterben der vom Feuer eingeschlossenen Bewohner des Bremer Westens nur annähernd ahnen. Von der Faulenstraße bis fast zum Waller Ring lag Bremen in Schutt und Asche. Auf den Straßen und dem Schutt ausgebrannter Häuser zeugten verbrannte Menschen von vergeblichen Versuchen Schutz zu finden vor dem Feuersturm. Der Krieg hatte Deutschland eingeholt, von dessen Boden er ausgegangen war.
Auszug BAF 08/09.2014

„Mit Gott dem Herrn zum Krieg“:

2. Juni 2014

DI. 09.12.14: „Mit Gott dem Herrn zum Krieg“: Kriegsansprachen Bremer Pastoren und Tagebuchaufzeichnungen Bremer Bürger. 17-19:30 Uhr im Bremer Gewerkschaftshaus Prof. Dr. Jörg Wollenberg in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Geschichte der IG Metall Bremen (Detlef Dahlke) (DGB, GEW, Arbeit und Leben, MASCH, Rosa Luxemburg-Stiftung, Stiftung für Sozialgeschichte, VVN/BdA)

Die Grenzgänger: 1914 – Maikäfer flieg !

2. Juni 2014

KONZERT 14.11.14 / 20:00 Friedenskirche Bremen Die Grenzgänger: 1914 – Maikäfer flieg ! Lieder und Gedichte aus dem Weltkrieg 1914-1918 gesammelt im Deutschen Volksliedarchiv www.musikvonwelt.de

Die Ukraine als „Kornkammer Deutschlands“ war ihr Schicksal

2. Juni 2014

DI. 11.11.14: Die Ukraine als „Kornkammer Deutschlands“ war ihr Schicksal: „Bremen als Pionier und Vorkämpfer für deutsche Welthandelsgeltung“. Die „ehrbaren Kaufleute“ um Ludwig Roselius als Profiteure des 1. und 2. Weltkrieges. 17-19:30 Uhr im Bremer Gewerkschaftshaus Prof. Dr. Jörg Wollenberg in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Geschichte der IG Metall Bremen (Detlef Dahlke) (DGB, GEW, Arbeit und Leben, MASCH, Rosa Luxemburg-Stiftung, Stiftung für Sozialgeschichte, VVN/BdA)

Briefe Bremer Arbeiterfamilien aus dem 1. Weltkrieg

2. Juni 2014

DI. 14.10.14: Briefe Bremer Arbeiterfamilien aus dem 1. Weltkrieg: Die Pöhlands im Krieg. 17-19:30 Uhr im Bremer Gewerkschaftshaus Prof. Dr. Jörg Wollenberg in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Geschichte der IG Metall Bremen (Detlef Dahlke) (DGB, GEW, Arbeit und Leben, MASCH, Rosa Luxemburg-Stiftung, Stiftung für Sozialgeschichte, VVN/BdA)

Die Grenzgänger: 1914 – Maikäfer flieg

2. Juni 2014

KONZERT 01.10.14 / 20:00 Kreismuseum Syke Die Grenzgänger: 1914 – Maikäfer flieg ! Lieder und Gedichte aus dem Weltkrieg 1914-1918 gesammelt im Deutschen Volksliedarchiv www.musikvonwelt.de

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