Die im Dunkeln sieht man nicht

4. November 2019

Januar 1950 wird in München der Fuhrunternehmer Otto Brandl ermordet aufgefunden. Oberkommissar Ludwig Gruber kommt in den folgenden Monaten kaum voran mit seinen Ermittlungen. Immerhin schält sich das Motiv heraus, die Suche nach dem Verbleib der kurz für Ankunft der amerikanischen Einheiten aus dem „Führerbunker“ geraubten Kunstwerke, die selbst wiederum aus ganz Europa geraubte Beutekunst sind. Es gibt unterschiedliche Gruppen von Interessenten: Neben dem dubiosen Emil Brennicke, dem führenden Ermittler der Kriminalpolizei, die München beherrschende Gruppe von Schwarzmarkthändlern um Walter Blohm, den Deutsch-Amerikaner Andrew Aldrich, der nach eigenen Aussagen die geraubte Beutekunst für Collecting Point beschaffen will, um sie den rechtmäßigen Besitzern bzw. deren Erben zurückzugeben. Er verfügt über gute Verbindungen zur Chicagoer Unterwelt. Eine dritte Gruppe von Interessenten ist eine geheime Gruppe von Altnazis unter Henning von Mahnstein, die sich „die Wahren Deutschen“ nennt und sich regelmäßig in einem Nebenzimmer des Gasthauses Kammerwirt trifft. Georg Borgmann holt seinen Schulfreund Karl Wieners aus Berlin in die Redaktion der Zeitschrift Blitzlicht, damit der Schriftsteller die Hintergründe aufdeckt und daraus eine Artikelserie gestaltet. Er kommt zunächst bei ihm unter, geht dann aber ins Gasthaus Kammerwirt, das von seinem Bruder Veit geführt wird. Bis 1938 hatte Karl Wieners dort gelebt, in Berlin hält ihn nach dem Tod seiner Frau und der Kinder nichts mehr.

Es entspannt sich ein zunehmend spannender werdender Wettlauf um den Ort, an dem die geraubten Bilder eingelagert sein könnten. Die Mordkommission bemüht sich das Dickicht an Mutmaßungen zu durchdringen, befragt die unterschiedlichen Interessenten, den Galeristen Mohnhaupt und seine Tochter, den Walter Blohm, Andrew Aldrich, kommt aber wochenlang nicht recht weiter. Karl Wieners ermittelt aus journalistischen Ehrgeiz, merkt aber zunehmend, dass er benutzt wird. Er erhält verschiedene Hinweise, sucht Mahnsteins Pferdegestüt auf, spricht mit Andrew Aldrich und wiederholt mit Ludwig Gruber. Für den nehmen die Ermittlungen um den offenen Mord an Otto Brandl wieder Fahrt auf, als kurze Zeit nach Einvernahme zweier polnischer Diebe, Janusz Falski und dem 17-jährigen Lech, beide ermordet aufgefunden werden. Bei ihnen finden sich Hinweise auf den aufgebrochenen Tresor Brandls. Auch die Dolmetscherin Maria Gronska und ihre Geliebte Olga werden tot aufgefunden. Nicht wenige Mitbeteiligte an den Untersuchungen verschwinden erst einmal spurlos. Magda Wieners wird entführt, Veronika Brandls Geliebter Herbert Kumpfmayer, der für Walter Blohm tätig war ebenfalls und auch der dubiose Kripoermittler Emil Brennicke.

Die Geschichte führt ein in das Nachkriegsmünchen zu Beginn des Kalten Kriegs. Die meisten Beteiligten stellen sich fünf Jahre nach dem Krieg auf eine Normalisierung ihres Lebens um, suchen einen Neuanfang, verharren aber sehr stark in gewohnten Bahnen. An einigen Äußerungen lässt sich festmachen, dass eine gründliche Nachforschung nach den Ursachen nicht wirklich gewünscht ist. Es wäre nun interessant, eine Fortsetzung der Lebenswege und Wiederbegegnung der Charaktere verfolgen zu können.

Andreas Götz, Die im Dunkeln sieht man nicht, Fischer Scherz Verlag Frankfurt/Main 2019, 248 Seiten, ISBN 978-3-651-02587-5

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