Rede zum Gedenken der Bremer Räterepublik von Joachim Griesbaum

21. Februar 2019

Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Genossinnen und Genossen!

Ich möchte als erstes meinen großen Respekt und die Achtung vor den Kämpfern der Bremer Räterepublik ausdrücken.
Die Arbeiter und Matrosen, Frauen und Jugendliche haben in der Novemberrevolution beginnend 1918 Großes geleistet, eine höchste Kampfmoral bewiesen und viele von ihnen mussten ihr Leben dafür lassen.
Das Gedenken einer revolutionäre Entwicklung, wie sie 1918 und 1919 in Deutschland vorhanden war, sollte sich nicht auf eine historische Beurteilung beschränken – so wichtig diese auch ist.
In den Zeiten, in der sich gegenwärtig ausgehend vom US Imperialismus die zwischenimperialistischer Widersprüche erheblich verschärfen,
– in denen eine Tendenz der allgemeinen Kriegsvorbereitung Einzug gehalten hat
– in Zeiten, in denen fast 70 Millionen Menschen weltweit zur Flucht getrieben werden und eine reaktionäre Flüchtlingspolitik Ausdruck einer Rechtsentwicklung der meisten Regierungen in Europa und der bürgerlichen Parteien;
– Zeiten, in denen die systematische beschleunigte Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen allein aus Gründen um den maximalen Profit zu erwirtschaften
– aber auch Zeiten, mit unübersehbaren Massendemonstrationen, Proteste und Streiks nicht nur in Europa
– In solchen Zeiten ist es umso notwendiger über die Frage der Revolution offen zu diskutieren, und diese auch gegen den barbarischen Kapitalismus und Imperialismus weltweit vorzubereiten.
– Die sozialistische Republik Bremen„ vom 10. Januar bis zum 4. Februar 1919 reiht sich ein in die Novemberrevolution in Deutschland, beginnend mit dem Aufstand der Kieler Matrosen.
– Die Revolution vor 100 Jahren war und ist deshalb so bedeutend weil sie nicht die eine oder andere Verbesserung der Lebens und Arbeitsbedingungen der Arbeiter und Massen zum Gegenstand hatte.
– Die Novemberrevolution getrieben von dem Wunsch nach einer von kapitalistischer Ausbeutung befreiten Welt, nach einer Welt der imperialistische Kriege keinen Platz mehr haben.

Was sind nun die allgemeinen Lehren:
erstens: die Menschen und insbesondere die Arbeiter wollten 1918 nicht länger unter den gesellschaftlichen Bedingungen des ersten Weltkrieges, der biederen Ausbeutung und der monarchistischen Unterdrückung leben. Auf der anderen Seite konnten die Herrschenden im damaligen Deutschen Kaiserreich unter der Führung der ultrareaktionären Hohenzollern nicht mehr in der alten Weise weiter regieren wie bisher. Solche Situationen können nicht durch einzelne Reformen verändert werden – sie rufen nach Revolution!
Zum zweiten wäre in dieser Situation nichts wichtiger gewesen als eine starke revolutionäre Massenpartei, die in der Lage ist, einen hoch organisierten Gegner wie den deutschen Imperialismus eine überlegene Kraft entgegenzustellen; die Trennung von der opportunistischen Sozialdemokratie erfolgte zu spät, die Gründung der Kommunisten Partei Deutschlands erfolgte erst Ende 1918!
Drittens: die Organe der staatlichen Macht, das Militär, die Polizei und Behörden – blieben im wesentlichen unangetastet. Sie konnten so zum Ausgangspunkt der Konterrevolution werden!
Viertens: die Novemberrevolution wurde mit großem Mut, Entschlossenheit und Todesverachtung vieler Arbeiter durchgeführt. Es wurden wichtige Elemente einer zukünftigen Arbeiterherrschaft mit den Räten entwickelt.
Fünftens: die Novemberrevolution und verschiedene Bestrebungen für die Räterepublik haben vieles erreicht: Sie haben den Ersten Weltkrieg beendet, sie haben das Frauenwahlrecht ermöglicht, den Kaiser und die Monarchie vertrieben, sie haben wichtige Arbeiterorgane geschaffen, sie haben den Achtstundentag durchgesetzt usw. Dies war möglich, weil die Arbeiter und Massen zur Revolution entschlossen waren.
Daran sollten wir immer denken – und natürlich auch so handeln – wenn wir heute immer wieder ermahnt werden, uns mit der einen oder anderen Reform zufrieden zu geben.
Sechstens: aber die Novemberrevolution hat das wichtigste auch nicht erreicht: den Aufbau des Sozialismus. Eine Diktatur des Monopolkapitals, eine Diktatur mit der sich heute eine Hand voll Konzerne die ganze Gesellschaft sich vollständig untergeordnet haben, in der ihre Organe mit denen des Staates verschmolzen sind und Militär, Polizei und ein ganzer Gewaltapparat zu Unterdrückung bereitsteht,
Eine solche Diktatur muss gestürzt und zerschlagen werden. Und es war Karl Marx, der von Beginn an – und bestätigt durch die Erfahrungen der Pariser Kommune – gefordert hat, dass mit dem Aufstand und der Revolution die Diktatur des Proletariats errichtet werden muss. Vor dieser Konsequenz sind die meisten Revolutionäre 1918 und 1919 noch zurück gewichen.
Damit war dies damit verbunden, dass mit den Räterepubliken keine sofortige Überführung der Produktionsmittel in gemeinsames Eigentum des werktätigen Volkes erfolgte.
In der sozialistischen Republik Bremen führte dies unter anderem dazu dass sich die Banken weigerten der neuen Regierung Geld für Löhne und Gehälter auszuzahlen. Diese reaktionäre Politik war nur möglich, weil eben die Betriebe, die Banken nicht sofort enteignet wurden!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossen!
Wenn wir uns heute kritisch und selbstkritisch mit den Erfahrungen der Novemberrevolution in Deutschland, den Erfahrungen der sozialistischen Republik Bremen und auch den nachfolgenden Kämpfen sie gegen den Kapp Putsch oder dem Hamburger Aufstandes 1923 befassen, so tun wir dies nicht aus einer überheblichen Besserwisserei heraus oder einem Streit von Geschichtsprofessoren.
Wir tun es, weil nicht noch einmal eine solch revolutionäre Situation verstreichen darf und im Blut der Konterrevolution erstickt werden!
Fehler auf dem Weg zum Sozialismus sind unvermeidlich.
Aus den Fehlern zu lernen, das allerwichtigste!
Die Novemberrevolution in Deutschland hatte mit Lenin und dem sozialistischen Aufbau in der Sowjetunion einen festen Verbündeten.
Aber es fehlte auch eine starke Internationale, die die Kämpfe in den verschiedenen Ländern, die Aufstände die es ja gab, koordinierte und eine gemeinsame Kraft über Länder Grenzen hinweg ermöglichte.
Nach dem Verrat der II. Internationale musste eine solche internationale für die sozialistische Revolution erst wieder neu aufgebaut werden, was von den russischen Genossen und viele neue entstandenen kommunistischen Partei sofort in Angriff genommen wurde.
Der Novemberrevolution zu gedenken, den Gefallenen in diesem Freiheitskampf zu gedenken das bedeutet eben ernsthaft, solidarisch, mit Rückgrat auch heute für die internationale, sozialistische Revolution einzutreten.

Vielen Dank!