Bundeskongress 2014

8. Juli 2014

Im SAALBAU Gallus, dem Ort an dem 1964/65 der Frankfurter Auschwitz-Prozess stattgefunden hatte, tagte am 31. Mai und 01. Juni 2014 der jüngste Bundeskongress unserer Organisation. Schwerpunkt des Kongresses waren die Rechenschaftslegung des alten Vorstands (SprecherInnenkreis), die Diskussion und Beschlussfassung über die gestellten Anträge und die Wahl eines neuen SprecherInnenkreis.
Am Abend vor der Eröffnung des Bundeskongresses fand am Tagungsort bereits eine interessante Podiumsdiskussion mit dem Titel „Neofaschismus und Rechtspopulismus in Europa entgegentreten“ statt. Es diskutierten neben Ulrich Schneider als Generalsekretär der FIR auch vier VertreterInnen von Schwesterorganisationen aus Frankreich, Griechenland, den Niederlanden und Ungarn. Die TeilnehmerInnen berichteten vom zunehmendem Auftreten von Rechtskräften in ihren Ländern. Trotz sehr unterschiedlicher Situationsbeschreibungen in den einzelnen Staaten und Deutungen dieser Rechtskräfte waren sich die DiskutantInnen doch darin einig, dass die eigentliche Ursache für das Anschwellen der rechten Kräfte in der sich verschlechternden wirtschaftlichen und sozialen Lage der jeweiligen Bevölkerung zu suchen sei. Grund hierfür sei die neoliberale Politik der jetzigen (im Falle Ungarns vorherigen) Regierungen.
Zum Bundeskongress erschienen 158 Delegierte und viele Gäste. Nach einem Bericht über eine Neuinszenierung von Peter Weiss‘ „Die Ermittlung“ wurde der Kongress offiziell eröffnet. Die Totenehrung – bei der auch Friedrich Beckers gedacht wurde -, Bestätigung der Regularien, Wahl der Leitungsgremien und weiterer Kommissionen und Grußworte (insbesondere durch den Frankfurter Stadtrat Möbius) wurden vorzeitig abgeschlossen.
Cornelia Kerth hielt – anlässlich des Rechenschaftsbericht des SprecherInnenkreises – eine Rückschau über die politische Entwicklung und unsere Aktivitäten der letzten zwei Jahre. Sie verwies auf die Großdemonstration in Rostock 2012, die fortlaufende NO-NPD-Kampagne und V-Leute-Kampagne, die Blockadeaktionen in Dresden und unsere Beteiligung an den Aktionen gegen den Geschichtsrevisionismus in Litauen. Hinsichtlich der aktuellen Lage ging sie ein auf die durch Neofaschisten unterstützten Demonstrationen gegen Heime für Immigranten, die Maßnahmen zur Sicherung der „Festung Europa“, der Kriminalisierung von antifaschistischen Demonstranten, die zunehmende Einstimmung der Bevölkerung auf weitere Kriegseinsätze der Bundeswehr und die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der neuen ukrainischen Regierung und ihren Unterstützern auf dem Maidan. Dort gehören auch „Swoboda“ und der „Rechte Sektor“ zu. In der BRD ist höchste Wachsamkeit wegen der Ukraine geboten. Wir müssten stärker werden und unsere Zusammenarbeit verbessern.
Regina Elsner hielt als Schatzmeisterin den Finanzbericht, der auch schriftlich vorlag. Sie betonte, dass die Gemeinnützigkeit weiterhin anerkannt ist und dass die sämtliche externen und staatlichen Prüfungen von Buchhaltung, Rechnungslegung und Abschlüssen zu keinen Einwendungen führten. Die finanzielle Lage der Bundesorganisation ist dergestalt, dass zur Zeit die Reserven verbraucht werden, sodass verschiedene Einsparvorschläge vom Bundesausschuss diskutiert werden. Die Aufgabe der Bundesgeschäftsstelle bzw. des -geschäftsführers standen dabei nicht zur Debatte. Keiner dieser Sparvorschläge wurde bisher verwirklicht. Beschlossen wurde aber eine Erhöhung der Umlage der Landesverbände an den Bund von 1,- Euro auf 1,20 Euro. Auch der – wegen der Erkrankung ihres Vorsitzenden – nur schriftlich vorliegende Bericht der Revisionskommission enthielt keine Beanstandungen. Der SprecherInnenkreis als Geschäftsführender Vorstand im Sinne des BGB wurde mit großer Mehrheit entlastet. Vor der Entlastung gab es vielfältige Nachfragen, Statements und Informationen zu den Rechenschaftsberichten, u.a. eine Einführung von Bea Trampenau zur Arbeit in Heideruh.
Last but, not least verabschiedete der Kongress die ausscheidenden Mitglieder des Sprecherinnenkreises: Heinrich Fink, Heinz Siefritz und Richard Häusler. Heinrich Fink wurde unter standing ovations aller Anwesenden zum Ehrenpräsidenten der VVN-BdA ernannt. Heinz Siefritz bat scherzhaft darum ihn nicht zum Ehrenkassierer zu ernennen.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen begann dann die Zukunftswerkstatt. Diese erhielt einen gewissen Reiz dadurch, dass die Gruppenzugehörigkeit dieses „Workshops“ erst peu à peu bekannt gegeben wurde. Wir wurden aufgrund einer Zuweisung in unseren Delegiertenunterlagen einem bestimmten Tisch zugewiesen. Den dort versammelten Delegierte/n debattierte dann über Themenvorschläge für Arbeitsgruppen. Ein Mitglied der Gruppe sortierte dann die entsprechenden Vorschläge bestimmten Themengruppen zu. Im Folgenden konnten die einzelnen Delegierte/n jede dieser Themengruppen mit bis zu fünf Klebepunkten prämieren. So wurden sieben Themen herausgearbeitet, die jeweils von zwei bis drei Tischen getrennt voneinander diskutiert wurden. Insbesondere sollten wir uns dabei an den thematisch passenden Anträgen zum Bundeskongress orientieren. Die Ergebnisse wurden auf großen Seiten Packpapier gesammelt und den anderen Gruppen präsentiert. Eine der Workshopgruppen kam zum Ergebnis, dass Antrag zwei zu aufgebläht war und wollte ihn durch 3 kurze Forderungen ersetzen. Dafür fand sich am nächsten Tag allerdings keine Mehrheit.
Am Sonntag wurden dann parallel zwei Aktionen durchgeführt. Einerseits wurde in geheimer Wahl über die Vorsitzenden, die Schatzmeisterin und die weiteren Mitglieder des SprecherInnenkreises abgestimmt. Auch die Revisions- und Schiedskommission wurden gewählt. Andererseits wurde über die Vielzahl der zum Bundeskongress gestellten Anträge, Änderungsanträge usw. diskutiert und entschieden.
Gewählt wurden zu Vorsitzenden Cornelia Kerth und Axel Holz, zur Schatzmeisterin Regina Elsner, als weitere Mitglieder im SprecherInnenkreis Regina Girod, Ulrich Sander und Ulrich Schneider. Die Mitglieder der Schiedskommission heißen Doris Finsch, Heinrich Fink, Wilhelm Girod und Traute Springer-Yakar und die der Revisionskommission Uwe Döring und Heinz Siefritz. Die BewerberInnen erhielten in der Regel fast alle Stimmen, der jeweils noch abstimmenden Delegierte/n. Problematisch war, dass die Größe des SprecherInnenkreises auf acht Mitglieder festgelegt wurde und nur sechs gewählt wurden.
Die Antragsdiskussion war breit gefächert und zeichnete sich dadurch aus, dass die Antragskommission hinsichtlich der ersten beiden Anträge zu „Neofaschismus“ und „Geschichtspolitik, Gedenken und Erinnern“ die Änderungsanträge der Kreisverbandes Stuttgart komplett übernahm. Im Bezug auf den Neofaschismusantrag führte dies zu einer sprachlichen Verbesserung und geringer Präzisierungen und Aktualisierungen. Bezüglich des Geschichtsantrages bedeutete dies auch eine deutliche Akzentveränderung. Statt nur – wie im ersten Antragsentwurf den 27. Januar zum europaweiten Gedenktag zu begehen – fordert die VVN-BdA nun den 8. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Im weiteren wurde der Arbeiterwiderstand breiter und präziser gewürdigt. Eine kurze Debatte wurde darum geführt, ob unsere Organisation auch diejenigen Antifaschisten ehren soll, die durch Maßnahmen der Sowjetunion zu Tode kamen. Doch eine Mehrheit sprach sich dafür aus.
Der dritte Antrag beschäftigte sich mit der Situation der Immigranten. Betont wurde, dass Deutschland und Europa für einen großen Teil der Fluchtursachen (Krieg, Armut) der Heimatländer der Flüchtlinge mitverantwortlich sei. Der Antrag wendet sich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, gegen Waffenexporte, gegen die „Festung Europa“ und gegen alle Sondergesetze, welche die Würde des Menschen verletzen, wie die Residenzpflicht, das Asylbewerberleistungsgesetz.
Antrag vier behandelte den „Antiziganismus“. Bei ihrer Abwehr von Flüchtlingen bedienen sich rechte Politiker von den Unionsparteien bis zur NPD antiziganistischer Stereotypen. Wir fordern dagegen die Anerkennung von Sinti und Roma als kulturelle Minderheit in der BRD, eine Korrektur des Verhaltens gegenüber dieser Minderheit auch von PolitikerInnen, staatlichen Institutionen und Medien. Die Zurückweisung antiziganistischer Propaganda und ihre Bestrafung als Volksverhetzung.
Der fünfte Antrag, indem wir uns gegen Militär und Krieg wenden, wurde wieder stärker diskutiert. Zwar war man sich in der Beurteilung der Politik von Bundesregierung und Nato relativ einig, doch die Frage, ob man die Begrenzung der Bundeswehr auf ihren defensiven Auftrag oder die Auflösung der Bundeswehr fordern sollte wurde heiß diskutiert. Eine Mehrheit wollte die Auflösungsforderung.
Weitere Anträge konnten wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr vom Kongress behandelt werden und wurden wohl an die zuständigen Gremien verwiesen. Da ich – durch KameradInnen aus dem KV Ostfriesland gebeten – am Ende der Kongresses bei der Wahlkommission mit eingebunden war, bekam ich auch nicht mehr alles mit.
Die zwei Tage des Kongresses in Frankfurt waren zwar mit viel Arbeit angefüllt, ließen aber genug Raum für viele Gespräche. Lobend erwähnen muss man die konsequente Versammlungsleitung durch Cornelia und Axel, die es schafften den Kongress zügig durchzuführen, ohne Diskussionsbeiträge abzuwürgen und die Organisatoren, insbesondere aus Frankfurt, die dafür sorgten, dass ich mich während der gesamten Zeit sehr wohl fühlte.