Im „Visier der Anti-Antifa“

geschrieben von Gerold (AG Neofaschismus)

4. Juni 2001

Das Antifaschistische Info-Blatt hat uns, wie auch viele andere darüber informiert,….

Das Antifaschistische Info-Blatt hat uns, wie auch viele andere darüber informiert, dass wir auf einer Schwarzen Liste, betitelt „Der Wehrwolf“, der „Anti-Antifa“ Saar-Pfalz stehen. Der „Datensammler“, der 16-jährige Ronnie Reimer, hat auch die VVN-BdA Bremen in seinem Visier. Neben den Anschriften der VVN-BdA stehen dort Personen, teilweise mit Bild und Telefonnummer. Es handelt sich vor allem um PolitikerInnen, u.a. Marieluise Beck und Konrad Kunick.

Auch wenn einige der braunen Rotzlöffel in den Niederlanden (Delfzijl) oder den USA (Iowa Park, Texas) „verstecken“, sind sie doch hier erreichbar. Wir werden die In- und Um-Bremer, sowie die Presse informieren, der Staatsanwaltschaft unsere Strafanzeige übermitteln und mal sehen, was sich so ergibt. Denn neben vielen Beschwichtigungsversuchen wie z.B.: „(…) Mit dieser Broschüre gewähren wir Euch [gemeint sind die braunen „Volksfreunde“] einen kleinen Einblick in unsere Ermittlungsarbeit, versteht diese jedoch auf keinen Fall falsch: wir veröffentlichen die Adressen nicht, damit die ermittelten Volksfeinde zu potentiellen Zielen nationaler Gegenwehr werden , ihr sollt lediglich wissen wo er wohnt. (…) Wie ihr aber letztendlich mit diesen Informationen umgeht überlassen wir Euch, überdenkt jedoch genau was ihr tut, Feingefühl ist gefragt.“, liest es sich an anderer Stelle um so deutlicher: „(…) Als Aktivist kann prinzipiell jeder KameradIn mitkämpfen, gleich, ob man sich als Nationalsozialist, Nationalist oder Skinhead versteht. Wer hierfür im Endeffekt in Frage kommt liegt in unserem Ermessen (…).“

Auf wen und was sie sich berufen wird offensichtlich wenn man liest: „(…) nach Jahren des guten Willens, in denen wir uns bereit erklärten einen Machtwechsel im Sinne eines 1933 einzuleiten, (…) wurden die Namen und Adressen der Verantwortlichen gesammelt (…) um diese, wann auch immer zur Verantwortung zu ziehen und somit klarzumachen: wer gegen uns vorgeht hat mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu rechnen, wie immer auch diese aussehen werden!!“

Wie diese „Gegenmaßnahmen“ aussehen können hat der Nazi-Mörder Kay Diesner klar gemacht. Er erschoss zwei Polizeibeamte und versuchte den Berliner PDS-Buchhändler Baltruschat zu töten. Diesner wird als Märtyrer gefeiert. Die Leute der „Anti-Antfa“ nennen sich Nationalsozialisten und wollen einen Machtwechsel im Sinne von 1933. Es wird der Wunsch gehegt in SA-Uniformen zu marschieren, die Hakenkreuzfahne zu schwenken und den rechten Arm zum „Gruß“ zu heben.

Was diese braunen „Volksfreunde“ zum Thema Entschädigung zu sagen haben, sprich ebenfalls für sich: „(…) Antideutsche Hetze und Geldforderungen durch die gierigen Hände eines gewissen Zentralrates wird dadurch vorgebeugt, dass diese Rafferhand abgehackt werden muss!! Für angebliche Taten mit denen wir nichts zu tun haben, lassen wir uns nicht beleidigen, verunglimpfen und erpressen, unsere Geduld wird einmal zu Ende sein und den Hetzern das freche Lügenmaul gestopft werden!!“ [Fehler in den Zitaten jeweils im Original]

Entschließung

geschrieben von 3 Betriebsversammlungen der DaimlerChrysler AG, Werk Bremen

15. Mai 1999

Wir, die Belegschaft der DaimlerChrysler AG, Werk Bremen,

Wir, die Belegschaft der DaimlerChrysler AG, Werk Bremen, verwahrt sich mit Nachdruck gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch am 1. Mai 1999 vor den Toren dieses Werkes. Wir verwahren uns insbesondere auch gegen den Versuch, die Kolleginnen und Kollegen in „Ausländer“ und „Deutsche“ zu spalten.

Wir, die Arbeitnehmer dieses Werkes, haben in der Vergangenheit oft genug bewiesen, daß wir – ungeachtet der Nationalität, der Herkunft oder der Hautfarbe – es nicht nur verstehen, gemeinsam zu arbeiten, sondern auch unsere Interessen durchzusetzen, so ist z. B. die Lohnfortzahlung 1996 von uns erstritten worden, von deren Streichung wir alle betroffen waren.

Deswegen werden wir gemeinsam am 1. Mai dieser geplanten Provokation entgegentreten. Gleichzeitig fordern wir den Innensenator dazu mit aller Dringlichkeit auf, diesen Aufmarsch ohne Wenn und Aber zu verbieten.

NPD-Pleite am 1. Mai

geschrieben von VVN

30. April 1999

Am 1. Mai erlitt die NPD in Bremen eine schwere Niederlage.

Am 1. Mai erlitt die NPD in Bremen eine schwere Niederlage. Ihre geplante Großdemo und -Kundgebung wurde von der Innenbehörde verboten, ihre Beschwerden durch drei Instanzen, zuletzt am Vorabend vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen. Auch Ausweichversuche nach Bremerhaven, Oldenburg und Hannover wurden behördlich untersagt. Ihre Kandidatur zur Bürgerschaftswahl steht zudem unter dem Makel, Unterstützungsunterschriften gefälscht zu haben. NPD-Demonstranten tauchten Bremen nur vereinzelt auf, die meisten blieben zu Hause, wurden unterwegs von der Polizei abgegriffen oder versuchten sich in kleineren Ortschaften abzureagieren. Die NPD – Führung kündigte an, noch vor den Bürgerschaftswahlen doch noch auf die Bremer Straßen zu gelangen. Statt dessen fand im Bremer Osten die bundesweite Demonstration „Null Naziaufmarsch in Bremen“ mit ca. 3000 TeilnehmerInnen trotz vorherigen Verbotes statt. Die Einsatzleitung der Polizei genehmigte sie als „Spontandemo“ und das auch noch auf der von der NPD geplanten Route. Zu Zwischenfällen kam es trotz des größten Polizeiaufgebotes in der Bremer Nachkriegsgeschichte nicht. Die Mai-Demo und die Kundgebung des DGB, inklusive eines „Rock gegen Rechts“-Konzertes fanden wie jedes Jahr im Stadtzentrum statt, standen jedoch deutlich unter dem Eindruck der neofaschistischen Provokation. An Plakaten, Transparenten, am Andrang am Stand der VVN-BdA, die ihre Neofaschismus-Ausstellung im Maizelt aufgebaut hatte, in vielen Gesprächen, wurde die ganze Gefühlspalette deutlich: Erleichterung, Zorn, aber auch Angst. Im vor allem betroffenen Stadtteil Tenever fand ein multikulturelles Straßenfest statt, einige gewerkschaftliche Gruppen formierten sich als Anti-Kriegs-Block inder DGB-Demo. Die komplette Ablehnung der NPD-Demo, die in Dutzenden von Stellungnahmen und Presseberichten deutlich wurde, ließ dem Innensenator Borttscheller keine andere Wahl als das Verbot. Die Begründung beschränkte sich auf die verfahrenstechnische Seite – am 1. Mai sein nicht genügend Polizei aufzutreiben gewesen – oder argumentierte mit dem Links-Rechts-Schema. Borttscheller bedankte sich ausdrücklich bei der NPD darfür, daß sie sich an das Verbot gehalten habe, mokierte sich hingegen über die „Araberfeudel“ (Palästinensertücher) einiger „linksextremistischer“ Gegendemonstranten.

Aufruf

geschrieben von "Bündnis Kein Nazi-Aufmarsch in Bremen"

25. April 1999

Die neofaschistische NPD plant für den 1. Mai einen bundesweiten Aufmarsch ihrer Anhängerschaft in Bremen.

Die neofaschistische NPD plant für den 1. Mai einen bundesweiten Aufmarsch ihrer Anhängerschaft in Bremen. Der Aufmarsch ist Teil der Kampagne der NPD zu der Bürgerschaftswahl im Juni. Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren hat gezeigt, dass sie in der Lage sind, aus dem rechtsradikalen Spektrum mehrere tausend TeilnehmerInnen zu mobilisieren. Mit demagogischen Parolen hetzt die NPD gegen ausländische MitbürgerInnen und sozial Benachteiligte. Sie will Frauen aus dem Erwerbsleben ausgrenzen und in die Rolle der Nur-Hausfrau zurückzwingen. Sie will alle noch vorhandenen sozialen und demokratischen Errungenschaften zerstören. Aggressiver Rassismus und chauvinistische Propaganda ist die „Antwort“ der NPD auf die anstehenden sozialen Fragen. Diese, offen an das Programm der NSDAP anschließende, Partei versucht 66 Jahre nach dem Verbot der Gewerkschaften durch den deutschen Faschismus, den internationalen Tag der Arbeit zu missbrauchen. Wie wenden uns gegen eine Partei, die sich offen in die Tradition des NS-Regimes und seiner Verbrechen stellt. Wir wenden uns gegen eine Partei, die Sammelbecken alter Nazis und militanter Neofaschisten ist. Wir wenden uns gegen eine Partei, die für ein neues „Großdeutschland“ Anspruch auf das Territorium von über zehn Nachbarstaaten erhebt. Wir wenden uns gegen eine Partei, die zutiefst menschenfeindlich und rassistisch ist. Sie kann sich nicht auf demokratische Rechte und Legalität berufen. Wir fordern alle Menschen in dieser Stadt auf, den Neonazi-Aufmarsch zu verhindern. Er muss schon im Vorfeld ein Klima in unserer Stadt geschaffen werden, das den Nazi-Aufmarsch unmöglich macht. Dazu können wir jetzt schon etwas beitragen, indem z.B. rassistische und faschistische Propaganda unterbunden und Gegenöffentlichkeit geschaffen wird. Den Nazis darf kein Raum und kein Forum geboten werden. Wir fordern die Behörden auf, den Neonazi-Aufmarsch, sowie jegliche faschistische und rassistische Propaganda zu verbieten und das Verbot konsequent aufrechtzuerhalten und durchzusetzen. Wir, die UnterzeichnerInnen dieses Aufrufs, wollen den Neofaschisten die Straße nicht überlassen und rufen zu einer Demonstration am 1. Mai am Ort des Nazi-Aufmarsches auf.

Aufruf

geschrieben von Der Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Landesverband Bremen e.V.

25. April 1999

Gegen NPD-Naziaufmarsch und ausländerfeindliche CDU-Aktion ! Für ein demokratisches Staatsbürgerschaftsrecht !

Die NPD plant im Zuge ihres Wahlkampfes in Bremen am 1. Mai eine Großdemonstration. Mit Sieg-Heil-Gebrüll, Hitlergruß und Reichskriegsfahnen wollen ihre, aus dem ganzen Bundesgebiet heranzukarrenden, Anhänger durch Blockdiek ziehen und unter der Parole „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ vom dem Mercedes-Werk eine Abschlußkundgebung durchführen.

Die CDU hat ihren Bremer Wahlkampf mit dem Ziel, stärkste Fraktion zu werden, mit der Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft eingeleitet. Wir setzen CDU und NPD nicht gleich, aber mit dem Schüren von Ängsten gegen die von der Bundesregierung geplanten Erleichterungen für die Einbürgerung betreibt auch die CDU ausländerfeindliche Stimmungsmache. Der Beifall, den sie dafür von NPD und anderen neofaschistischen Kräften erhält, beweist das.

Die CDU behauptet, sie sei auch für Integration – das ist Heuchelei!

16 Jahre war sie in Bonn an der Regierung. Nichts tat sie, um das noch aus der Kaiserzeit stammende, auf völkischer Abstammung beruhende Staatsbürgerschaftsrecht durch ein den Realitäten von heute entsprechendes Recht zu ersetzen. Im Gegenteil, ihre Ausländerpolitik war auf Erschwerung von Integration und Einbürgerung gerichtet. Ihre Innenminister, speziell Bremens Innensenator Borttscheller, praktizieren rücksichtslose, brutale Abschiebemaßnahmen.

Tatsache ist: In Deutschland leben rund 7,3 Millionen Menschen ohne deutschen Paß, rund die Hälfte von ihnen länger als 10 Jahre. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren wurden hier geboren. Der Lebensmittelpunkt für alle diese Menschen liegt seit langem in Deutschland. Längst überfällig ist daher, was die jetzige Bundesregierung mit ihrem Vorhaben, die Einbürgerung zu erleichtern – so verbesserungswürdig ihr Gesetzentwurf im Einzelnen auch sein mag – anstrebt.

Wir fordern:

* Verbot des NPD-Naziaufmarsches

Die NPD-Demonstrationen in Kiel, Magdeburg und anderswo beweisen eindeutig, daß es sich hier um neofaschistische Aktionen handelt, die unter Berufung auf das Grundgesetz (§139) und nicht nur wegen befürchteter gewaltsamer Ausschreitungen verboten und unterbunden werden müssen.

* Ein demokratisches Staatsbürgerschaftsrecht

Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, ihren Lebensmittelpunkt hier haben, müssen die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben können, ohne ihre bisherige aufgeben zu müssen. Kinder, die hier geboren werden, sollen unabhängig von der Herkunft ihrer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

Wir rufen auf:

Gewerkschafter, Demokraten, Antifaschisten – egal welcher Nationalität – demonstrieren wir am 1. Mai unübersehbar auch für ein demokratisches Staatsbürgerschaftsrecht und gegen die ausländerfeindliche, auf Stimmenfang spekulierende CDU-Propaganda und die unmenschliche Abschiebepraxis des Bremer Innensenators.

Sorgen wir bei den Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft und zu den Beiräten am 6. Juni wie auch zum Europaparlament am 13. Juni dafür, daß der NPD und anderen faschistischen Parteien keine Stimme gegeben wird und die CDU für ihre Ausländerfeindlichkeit eine deutliche Niederlage erhält.

Pressemitteilung

geschrieben von ?

25. April 1999

im Namen der 165 Unterzeichner des Gewerkschafteraufrufs „1. Mai – Nazifrei“, der „Gewerkschafter gegen Rassismus und Standortnationalismus“ und der Anmelder der Kundgebung „1. Mai – Nazifrei“:

Das Stadtamt hat soeben mündlich mitgeteilt, daß sowohl die Demonstration der NPD, wie auch alle Gegendemonstrationen am 1. Mai im ganzen Stadtgebiet verboten werden. Somit ist auch die Demonstration der Kolleginnen und Kollegen des DaimlerChrysler-Werkes vor dem Tor 7 verboten worden. Selbstverständlich begrüßen wir das Verbot der NPD-Provokation ausdrücklich, so, wie wir ein generelles Verbot aller faschistischen Organisationen begrüßen würden. Solange dieses Verbot aber nicht erfolgt, sind wir uns dessen bewußt, daß auch dieses ausgesprochene Demonstrationsverbot vor den Gerichten kaum Bestand haben dürfte. Für uns, als Beschäftigte bei DaimlerChrysler und als Gewerkschafter, ist es selbstverständlich, daß wir unser Demonstrationsrecht vor den Toren unseres Betriebes durch alle Instanzen einklagen werden. Für uns steht fest, daß wir, unabhängig davon, ob die NPD-Provokation nun stattfindet oder nicht, vor der Öffentlichkeit demonstrieren wollen, daß sich diese Belegschaft, die z.B. 1996 geschlossen – egal ob Ausländer oder Deutscher – gegen die Kürzung der Lohnfortzahlung gekämpft hat, nicht provozieren oder spalten läßt.

Erben gesucht – Der „Verband Deutscher Soldaten“

geschrieben von Thomas

1. April 1999

Seit März 1999 verfügt der Landesverband Bremen des „Verbandes Deutscher Soldaten“(VDS) über einen neuen Vorsitzenden: Oberst Dirk v. Grone, Kommandeur im Verteidungungsbezirkskommando 20 der Bundeswehr. Im Lokalteil der Verbandszeitschrift „Soldat im Volk“ wandte sich v. Grone wie folgt an die Mitglieder:

Seit März 1999 verfügt der Landesverband Bremen des „Verbandes Deutscher Soldaten“(VDS) über einen neuen Vorsitzenden: Oberst Dirk v. Grone, Kommandeur im Verteidungungsbezirkskommando 20 der Bundeswehr. Im Lokalteil der Verbandszeitschrift „Soldat im Volk“ wandte sich v. Grone wie folgt an die Mitglieder:

„Liebe Kameradinnen und Kameraden: Auf Vorschlag des Ehrenvorsitzenden unseres kleinen Landesverbandes, Herrn Oberst a.D. Hans Michaelis, hat mich das zuständige Gremium zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Ich habe die Wahl für dieses wichtige Amt gerne angenommen – in Respekt vor dem ehrenvollen Einsatz des anständigen deutschen Frontsoldaten und in Anerkennung der nach dem Kriege geleisteten Aufbauarbeit für unser Land. Den Frauen und Männern Ihrer Generation gebührt die Achtung der nachfolgenden. Ich freue mich auf eine gute und gedeihliche Zusammenarbeit und verbleibe in Kameradschaft

Ihr Dirk von Grone“

Die hier vom höchsten Bremer Bundeswehr-Repräsentanten angeschlagene Tonlage wird auf Wohlwollen gestoßen sein, denn die Rechtfertigung und Glorifizierung der Wehrmacht und der Waffen-SS bildeten seit der Vereinsgründung 1951 das Zentrum der Aktivitäten des VDS.

Die Organisation des VDS

Der VDS bildet einen der vorläufig letzten Ausläufer der aus der Kaiserzeit stammenden Wehr- und Kriegerverbände. Ihren Höhepunkt erlebten diese Verbände im Kampf gegen die Weimarer Republik, als der „Stahlhelm“ in einer Reihe mit der NSDAP stand. Während nun der Nachkriegs-„Stahlhelm“ den Weg in das neonazistische Kleingruppenwesen nahm – der Verein löste sich kürzlich nach einer eineinhalbjährigen Kampagne der VVN-BdA Stade auf – legte der VDS Wert auf die Sicherung des Kontaktes zur Bundeswehr. Der Spagat zwischen praktischer Orientierung auf die Bundeswehr und inhaltlicher auf den Neofaschismus zeigt sich in jeder Ausgabe von „Soldat im Volk“: zuhauf findet sich Werbung für diverse neofaschistische Publikationen, keine rechte Geschichtsklitterung wird ausgelassen, selbst gegenüber Ausch- witz-Leugnern zeigt man sich solidarisch. Im Zentrum steht die stupide, unbelehrbare Losung vom „anständigen deutschen Frontsoldaten“.

Organisatorisch steht der VDS kurz vor seinem biologisch bedingten Ende. Aufgrund Jahrzehnte zurückreichender verbandspolitischer Fehler ist der VDS weder ein integrierter Massenverband (es existieren vielmehr eine Fülle gegenseitiger Kooperationen mit anderen Soldatenverbänden), noch durch Bundeswehrangehörige aufgefüllter Verband.

Der VDS verfügt in Bremen noch über ca. 180 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter jenseits der 70, wobei es sich zum großen Teil um Frauen (Witwen) handelt.

Nun sind auch Traditionsverbände daran interessiert, das ideelle wie materielle „Erbe“ so weiter zu reichen, dass den Verbandszwecken weiterhin gedient ist. Die Entscheidung, dem lokalen Bundeswehrkommandeur das Erbe anzutragen, ist daher bezeichnend für das Bild, das sich der VDS von der Bundeswehr macht.

Sachwalter der Waffen-SS

Festgehalten werden muss, dass v. Grone auch das Erbe der Waffen-SS übernommen hat. Der VDS wurde nicht nur demonstrativ von den Generälen der Waffen-SS Hausser und Gille mitgegründet, sondern ist durch die kooperative Mitgliedschaft der verbliebenen HIAG-Gruppen auch praktisch der Sachwalter dieser vom Internationalen Militärtribunal in Nürnberg 1946 als verbrecherisch eingestuften Organisation. Praktisch konnte v. Grone bereits durch eine Geldsammlung für den „Verband der estnischen Kriegsversehrten“ (ebenfalls kooperatives Mitglied im VDS) tätig werden, dem aus Bremen 2000,- DM überwiesen wurden. Nachschlagewerke weisen aber nur einen einzigen estnischen Militärverband an deutscher Seite aus: die „20. Waffengrenadierdivision der SS“.

Die Entscheidung für v. Grone traf offenbar der im Mai diesen Jahres verstorbene Ehrenvorsitzende des Landesverbandes, zugleich Mitglied der „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger“: Oberst a.D. Hans Michaelis. Michaelis wurde im WK II für „einen ganz besonders kampfentscheidenden Einsatzerfolg gegen übermächtigen Feind mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet“ wie v. Grone in seinem Nachruf auf Michaelis bewundernd schrieb. So einer konnte es in der Bundeswehr natürlich auch bis zum Kommandeur der Panzergrenadierbrigade in Schwanewede und dem „Goldenen Ehrenkreuz der Bundeswehr“ bringen.

Die Stabübergabe kam nicht überraschend. In den letzten Jahren führten das „Verteidigungsbezirkskommando 20“ und die „Dachorganisation Bremischer Soldatenverbände“, in dem offenbar der VDS den Ton angibt, regelmäßig eine gemeinsame Gedenkfeier zum Volkstrauertag durch. Man traf sich in der Scharnhorst-Kaserne (Huckelriede) zu Festakt, Kranzniederlegung, Totenehrung, Kaffee und Kuchen.

Zwei Erbberechtigte Natürlich stehen auch andere Erben bereit: Die neofaschistischen Organisationen werden bekanntlich nicht müde, dafür auf die Strasse zu gehen, dass ihre „Großväter keine Verbrecher waren“. Doch im VDS vertraut man offenbar auf „das Soldatische an sich“ innerhalb der Bundeswehr, deren Entwicklung vom VDS rückhaltlos begrüsst wird.

Aus Sicht der Bundeswehr-Führung fällt die Zusammenarbeit mit dem VDS unter das Kapitel „freiwillige Reservistenarbeit“ und wird gelegentlich finanziell unterstützt. Welch weitreichenden inhaltlichen Aussagen in der Zusammenarbeit mit dem VDS von den höchsten Militärspitzen getroffen werden, soll abschließend das Beispiel des gemeinsam vom Inspekteur des Heeres und den Soldatenverbänden betriebene „Ehrenmals des deutschen Heeres“ zeigen. Das 1972 in der Festung Koblenz errichtete Denkmal trug bis 1995 die Inschrift: „Den Toten des Deutschen Heeres 1914-1918 + 1939-1945/ Ihr Vermächtnis: Frieden“ Stattdessen heißt es seitdem: „Den Toten des deutschen Heeres“ Erstens wurden die verschiedenen deutschen Armeen des vergangenen Jahrhunderts einschließlich der Bundeswehr auf einen Nenner gebracht. Zweitens entfiel die zumindest verbale Ermahnung zum Frieden und drittens wurde ausdrücklich bereits an die zukünftigen Toten des Heeres der Bundeswehr gedacht.

Resolution zur angekündigten Kundgebung der NPD am 1. Mai 1999 in Bremen

geschrieben von IG Metall-Vertrauenskörperleitung von DaimlerChrysler, Werk Bremen,

8. März 1999

Daher unsere Parole: 1. Mai – Nazifrei!

Die Vertrauenskörperleitung bei DaimlerChrysler betrachtet die Ankündigung der NPD, am 1. Mai in Bremen vor dem DaimlerChrysler Werk Bremen eine Kundgebung durchzuführen und in den Wohnvierteln aufzumarschieren, als Herausforderung an alle demokratischen Kräfte der Freien Hansestadt Bremen und als Provokation der Belegschaft des DaimlerChrysler Werkes. Die NPD steht mit ihrer dumpfen völkischen Ideologie und ihrer Parole “ Deutsche Arbeitsplätze nur für Deutsche“ und ihrer Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus ideologisch hinter den Ausschreitungen gegen ausländische Mitbürger und gegen eine demokratische und sozial gerechte Gesellschaft. Sie appelliert mit ihren Parolen an die niedrigen Instinkte und zielt daher auf die Zerstörung des sozialen Friedens in unserem Lande. Wir fordern den Innensenator der Freien Hansestadt Bremen auf, die Kundgebung und die Demonstration der NPD am 1. Mai in Bremen an keinem Platz zuzulassen! Wir sind als Beschäftigte der DaimlerChrysler AG Mitarbeiter eines internationalen Konzerns, dessen Arbeitsplätze vom Export an Ausländer und damit von dem guten Ruf des deutschen Namens abhängig sind. Wir fordern deshalb den Innensenator auf, alle juristischen und politischen Möglichkeiten auszuschöpfen, das Auftreten der Rechtsradikalen an jedem Ort und vor jedem Betrieb Bremens am 1. Mai zu verhindern. Wir erwarten von der Politik, dass sie den sozialen Frieden in unserem Lande sicherstellt. Wir werden das Auftreten von Neonazis vor unseren Betrieben in Bremen nicht tatenlos hinnehmen! Im DaimlerChrysler Werk Bremen arbeiten 7% ausländische Kolleginnen und Kollegen. Mindestens 50% unserer Produktion gehen aber ins Ausland, werden von Ausländern gekauft. Von einer Gefährdung deutscher Arbeitsplätze durch Ausländer kann also gar keine Rede sein – im Gegenteil! Abgesehen davon betont die Vertrauenskörperleitung der IG Metall bei DaimlerChrysler im Werk Bremen, dass die Würde des Menschen entsprechend unserem Grundgesetz und der internationalen Menschenrechtserklärung weder von der Nationalität, noch von der Rasse, der Religion oder der Weltanschauung abhängig ist.

Die Würde des Menschen ist unantastbar! Deshalb lassen wir es nicht zu, dass die Würde unserer ausländischen Kolleginnen und Kollegen von ewig gestrigen beleidigt und beschmutzt wird. Der 1. Mai ist ein internationaler Tag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und kein Tag der ewiggestrigen Nationalisten!

Appell an die Jugend

geschrieben von von Esther Bejarano und Peter Gingold

14. März 1997

Nehmt es wahr, nehmt wenigstens ihr es wahr……was von Eueren Vorfahren meistens verdrängt, auch diskriminiert und verleugnet wurde: Das Bedeutsamste und Kostbarste aus deutscher Geschichte ist und bleibt der antifaschistische Widerstand.

Zumeist waren es einfache Frauen und Männer, vorwiegend aus der Arbeiterbewegung, in der Mehrzahl Jugendliche, die gegen Hitler und den Krieg kämpften. Nicht erst, als offenkundig wurde, daß Hitler den Krieg verliert, sondern von 1933 an! Den Krieg wollten sie verhindern, den jüdischen Menschen, den Völkern Europas und dem eigenen Volk das unermeßliche Leid ersparen, das der Nazifaschismus letztlich über sie brachte. Dafür riskierten sie alles, ihre Existenz, ihre Freiheit und ihr Leben, nahmen Konzentrationslager und Folter in Kauf. Vergeßt deshalb nie! Ihnen ist es zu verdanken, daß der Name unseres Landes nicht ausschließlich mit Schande und Ehrlosigkeit besudelt wurde.

Wir, die Überlebenden, haben vor 50 Jahren die »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes«, die VVN gegründet. Unterschiedlich in unseren politischen und weltanschaulichen Auffassungen, sowie in unserer sozialen Herkunft, waren wir gemeinsam im Widerstand und verfolgt. So haben wir auch gemeinsam die VVN gegründet, Kommunisten, Sozialdemokraten, Liberale, Juden und Christen. Wir haben überlebt mit einem einzigen Gedanken: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! Es galt das Vermächtnis der Millionen Toten der faschistischen Massenvernichtung zu bewahren, die die Befreiung am 8.Mai nicht erleben konnten.

Der Nazihölle entronnen, dem sogenannten »Tausendjährigen Reich«, das für uns tatsächlich wie tausend Jahre war, jede Stunde, jeden Tag den Tod vor den Augen. Diese entsetzliche Zeit hinter uns, träumten wir von einem künftigen Leben ohne Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Militarismus.

Wir wollten, daß unsere unmenschlichen Erfahrungen eine Warnung für die Nachwelt sein würden.

Wir träumten von einem Leben in sozialer Gerechtigkeit, in Frieden und Freundschaft mit allen Völkern.

Wir träumten, daß nun für alle Zeiten unsere Kinder und Kindeskinder sich der Sonne, der Blumen, der Liebe erfreuen können, ohne in Angst vor Faschismus und Krieg leben zu müssen. Nach der Befreiung war es für uns, die Überlebenden, unvorstellbar, daß fast nichts von unseren Visionen und Hoffnungen in Erfüllung gehen würde.

Unfaßbar für uns, wie reibungslos sich der Übergang vom Nazireich in die Bundesrepublik vollzog. Daß ehemalige hohe Nazifunktionäre entscheidende Positionen in Regierung, Verwaltung, Wirtschaft, Justiz, Hochschulen, Medizin, im Geheimdienst und Militär einnahmen, und damit jahrzehntelang wesentlich das Klima der Politik und die prägenden Geburtsjahre dieser Republik bestimmten. Kriegsverbrecher, selten belangt und wenn, dann schonend behandelt, erhalten bis heute Opferrenten, während ganze Gruppen von Verfolgten des Naziregimes, u.a. ehemalige Zwangsarbeiter, immer noch ohne Entschädigung bleiben. Ganz zu schweigen von dem diskriminierenden Umgang mit Wehrmachtsdeserteuren die sich verweigerten, einem verbrecherischen Krieg zu dienen.

1945 war es für uns unvorstellbar, daß Ihr, die Nachgeborenen, erneut konfrontiert sein würdet mit Nazismus, Rassismus, einem wieder auflebenden Nationalismus und Militarismus. Und nun noch die ungeheure Massenarbeitslosigkeit, die immer größer werdende Kluft zwischen arm und reich, die katastrophale Zerstörung der Umwelt. Immer mehr junge Menschen leben in Zukunftsängsten.

Wir hoffen auf Euch. Auf eine Jugend, die das alles nicht stillschweigend hinnehmen wird! Wir bauen auf eine Jugend, die sich zu wehren weiß, die nicht kapituliert, die sich nicht dem Zeitgeist anpaßt, die ihm zu trotzen versteht, und deren Gerechtigkeitsempfinden nicht verloren gegangen ist.

Wir setzen auf eine Jugend, höllisch wachsam gegen alles, das wieder zu einer ähnlich braunen Barbarei führen könnte; eine Jugend, die nicht wegsieht, wo Unrecht geschieht, wo Menschenrechte verletzt werden; eine Jugend, die sich in die Tradition des antifaschistischen Widerstandes zu stellen vermag, eine Jugend, die diese Tradition aufnimmt und auf ihre eigene Art und Weise weiterführt. Wir glauben, daß dafür Eure Herzen brennen können, daß Euer Gewissen nicht ruhen wird.

Laßt Euch nicht wegnehmen, was Ihr noch an demokratischen und sozialen Errungenschaften vorfindet. Laßt sie nicht weiter abbauen! Von keinem Regierenden sind sie Euch geschenkt worden:

Es sind vor allem die Errungenschaften des antifaschistischen Widerstandes, der Niederringung des Nazifaschismus. Verteidigt, was Ihr noch habt, verteidigt es mit Klauen und Zähnen!

Es verlangt nur etwas Zivilcourage, nicht einmal besonderen Mut. Ihr riskiert nicht das Leben, nichts was dem antifaschistischen Widerstand vergleichbar wäre. Und vergeßt nicht: Der Internationalismus und die Solidarität mit den Benachteiligten und Ausgegrenzten sind unentbehrlich in diesem Kampf. Knüpft dieses Band immer fester, macht es unzerreißbar!

Reiht Euch auch ein in die Kampfgemeinschaft VVN-Bund der Antifaschisten, der organisierte Ausdruck des kollektiven Gedächtnisses an Widerstand und Verfolgung. Sie braucht Euch! In absehbarer Zeit wird es keine Zeitzeugen des schrecklichsten Abschnitts deutscher Geschichte mehr geben. Laßt das Vermächtnis des Widerstandes nicht in Vergessenheit versinken, den Schwur von Buchenwald:

»Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!«

Übernehmt Ihr nun diesen immer noch zu erfüllenden Auftrag: ein gesichertes menschenwürdiges Leben im friedlichen Nebeneinander mit den Völkern der Welt! Sorgt dafür, daß aus der Bundesrepublik ein dauerhaftes, antifaschistisches, humanes, freiheitliches Gemeinwesen wird, in dem einem Wiederaufflammen des Nazismus, nationalem Größenwahn und rassistischen Vorurteilen keinen Raum mehr gegeben wird.

Wir vertrauen auf die Jugend, wir bauen auf die Jugend, auf Euch!

Esther Bejarano, 1924 geboren in Saarlois/ Saarland. 1940 flüchtet die Familie vor den Nazis nach Breslau, wo Esther 1941 in das Zwangsarbeiterlager Neuendorf gebracht wurde, während ihre Eltern nach Riga (Litauen) deportiert und dort in einem Wald von der SS erschossen wurden. Am 20. April 1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert und musste zunächst in einem Arbeitskommando Steine schleppen. Später hatte sie die Möglichkeit, wegen ihrer musikalischen Fähigkeiten, im Mädchenorchester von Auschwitz zu spielen. Auf einem Todesmarsch konnte sie fliehen. Sie überlebte, ging nach Israel und kehrte 1960 mit ihrer Familie nach Deutschland zurück. Heute tritt sie als Zeitzeugin auf und gibt Konzerte mit jiddischen Liedern.

Peter Gingold, 1916 in Aschaffenburg geboren, wurde 1933 verhaftet und musste nach mehreren Monaten Gefängnis nach Frankreich emigrieren. Dort war er in der Résistance, der französischen Widerstandsbewegung aktiv. Er wurde 1943 verhaftet und gefoltert. Durch eine List entkam er den Nazis. Er schloß sich erneut der Résistance an und half bei der Befreiung von Paris. Später in Italien ging er zu den Partisanen, um weiter gegen den Faschismus zu kämpfen. Nach der Befreiung lebte er wieder in Frankfurt und war in der kommunistischen und antifaschistischen Bewegung aktiv. Als Zeitzeuge sprach er vor tausenden Schulklassen und Jugendgruppen, auf Demonstrationen und Kundgebungen, wo er seine Erfahrungen auf sehr lebendige und eindringliche Art vermittelte. Peter Gingold starb am 29. Oktober 2006 in Frankfurt am Main.

Ansprache zum 65. Jahrestag der Befreiung Neuengammes und seiner Außenlager

geschrieben von Frau Chris Desaever-Cleuren, Bürgermeisterin der belgischen Samtgemeide Tielt-Winge

31. Dezember 1969

Heute stehen wir hier zusammen am Fuß eines Erinnerungszeichens zum Gedenken an die Ereignisse in Meensel-Kiezegem (die beiden SS-Razzien im August 1944).

Heute stehen wir hier zusammen am Fuß eines Erinnerungszeichens zum Gedenken an die Ereignisse in Meensel-Kiezegem (die beiden SS-Razzien im August 1944). Unsere ersten Gedanken gelten zunächst unseren Opfern Emiel Reynders, Guillaume Vanhellemont, Oktaaf Janssens, Eduard Vangoidsenhoven, Richard Hendrickx und René Janssens, die von dem Geschehen ereilt wurden und dabei ihr Leben ließen. Standrechtlich ermordet oder verschleppt und dann körperlich und seelisch gefoltert. Unser Besuch der Todeslager hält uns unmittelbar vor Augen, welche Grausamkeit hier herrschte. Völlige körperliche Erschöpfung infolge von Mangelernährung, knallharter Zwangsarbeit und Folterung mussten zweifellos zum Tode führen. In gleichem Maße werden der lang anhaltende seelische Druck, die beständige Erniedrigung, das System von Unmenschlichkeit zum kaum zu ertragenden Elend geführt haben, das unsere Mitbürger erlitten haben. Nur wenige haben diesen Kreuzweg überlebt, sie alleine wissen und können bezeugen, was dort geschehen ist. Ohne jeden Zweifel haben sich diese Ereignisse fest in ihrer Seele eingeprägt. Nie wieder konnten sie ihr Leben auf dieselbe Weise weiterführen. Unsere Gedanken gelten auch denen, die nach diesen Ereignissen (den beiden SS-Razzien) einen oder gar mehrere Familienangehörige verloren haben. Sie blieben fassungslos zurück, ohne zu ahnen, was ihnen und ihren Lieben bevorstehen sollte. Das angstvolle Warten auf Nachrichten, die vielen Fragen, der Aufschrei nach dem Warum haben zweifellos ihr tägliches Leben wie ein Fluch bestimmt. Die Worte, die mir in den Sinn kommen, vermögen dieses Leid nicht annähernd beschreiben. In aller Güte dieser Ereignisse zu gedenken ist eine würdige Form der Ehrung aller Opfer dieser Übeltaten. Bei aller Erinnerungspflege muss diese Gedenkveranstaltung uns auch zur Besinnung und Analyse leiten. Vor allem, um solche Entgleisungen für die Zukunft auszuschließen. Das bringt uns zu der Frage „Wie konnte es soweit kommen?“ Denn in dem angesprochenen Zeitabschnitt des vergangenen Jahrhunderts ist Meensel-Kiezegem nicht das einzige Dorf, das vom Naziregime getroffen wurde. Auch in den Niederlanden, in Frankreich, Italien und unterschiedlichen osteuropäischen Staaten wurden solche Mordaktionen organisiert. Dazu kommt außerdem noch, was Juden, Sinti und Roma, Behinderten und anderen sogenannten Untermenschen zugefügt wurde. Damit möchte ich den Finger auf die Wunde legen, dass besonders das faschistische Gedankengut die institutionalisierte Gewalt in ihrem Schoß birgt. Früher oder später führt das zu solchen Entgleisungen wie sie auch in Meensel-Kiezegem sich zeigten. Die Geschichte lehrt uns, dass quasi alle totalitären Regime ohnehin in gleichem Maße krank sind. Zweifellos ist diese Feststellung die Ursache dafür, dass die Entschuldigung „wir haben es nicht gewusst“ nicht mehr greift. Auf der anderen Seite gibt es uns allen den Auftrag, der in den allgemeinen Menschenrechten festgelegt ist. Wir haben die Aufgabe, unsere Gesellschaft so zu organisieren, dass Ereignisse dieser Art nie wieder geschehen. Nicht nur die Pflege unseres demokratischen Gedankenguts ist wichtig, in gleichem Maße gilt es dafür zu sorgen, dass es im Sinne der Allgemeinen Menschenrechte auch wächst. Wir dürfen nicht davon ablassen, es beständig weiterzugeben, den kommenden Generationen das Erschrecken mit auf den Weg zu geben, darüber, was damals geschehen ist, und ihr den Weg für ein friedliches Zusammenleben zu zeigen. In friedlichen Zeiten ist die Erinnerung der Menschen immer nur von kurzer Dauer, und sie scheinen keine Lehren aus der Geschichte zu ziehen, die uns doch zu einem dauerhaften Frieden bringen könnten. Auf diese Weise müssen wir uns dafür einsetzen, unsere Mitmenschen zu dem zu erziehen, was ich „Kritische Bürger“ nennen möchte. Menschen, die imstande sind einzuschätzen, welche Grundregeln es für ein menschenwürdiges Zusammenleben gibt, und die sich auch unermüdlich dafür einsetzen. Nur so und mit unablässiger Aufmerksamkeit für einander schaffen wir es, eine Gesellschaft zu bauen, in der für jeden Einzelnen eine menschenwürdige Existenz gesichert ist.

Ich danke Ihnen

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