Den Gegnern und Opfern des Faschismus

20. Juli 2015

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Mitten in Findorff – an der Admiralstraße – steht ein Bunker. Er zeichnet sich aus durch ein antifaschistisches Wandgemälde. Nun möchte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ihn verkaufen. Mit dieser Entscheidung kriegen auch Bemühungen um den Schutz des Gemäldes eine große Dringlichkeit. Das Wandgemälde ist inzwischen auch ein Wahrzeichen Findorffs. Vor allem aber ist es ein lebendiges Denkmal gegen Faschismus und Verfolgung an einem historischen Ort….Nachdem am 30. Januar 1933 die Macht in Deutschland an die NSDAP übertragen worden war, verstärkte die SA ihren Terror gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten – nun sogar offiziell unter staatlichem Schutz. Ein Ergebnis dieses Terrors war, dass an vielen Stellen Konzentrationslager der SA entstanden. In ihnen wurden vor allem Kommunistinnen und Kommunisten, Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten festgehalten und gequält. In Bremen entstand bereits im März 1933 ein solches Lager in den ehemaligen Auswandererhallen der Auswandereragentur Friedrich Mißler in Findorff. Mitten im Stadtteil fanden tägliche Misshandlungen statt. Familien, FreundInnen, Kollegen und GenossInnen der Inhaftierten konnten wahrnehmen und berichten, was mit den Insassen des KZ Missler geschah. In der Bahnhofsvorstadt entwickelte sich Protest gegen die Vorgänge in den Hallen. Auch aus diesem Grund beschlossen die Bremer Nazi-Oberen das KZ Mißler aufzulösen. Die Gefangenen wurden im September 1933 in das Konzentrationslager Ochtumsand – einen ehemaligen Schleppkahn – an der Ochtummündung überführt. Das Konzentrationslager Ochtumsand wurde im Mai 1934 geschlossen. Die Gefangenen wurden auf das Ostertorgefängnis, das Untersuchungsgefängnis und das Konzentrationslager Langlütjen II in der Wesermündung aufgeteilt. Für viele Bremer Sozialdemokraten und Kommunisten begann im KZ Mißler und in Ochtumsand ein langer Weg durch faschistische Lager und Gefängnisse. …

Auszug BAF Artikel 08./09.2015

Sommerausfahrt zur Gedenkstätte Esterwegen

20. Juli 2015

Sa. 29.08. gegen 10 Uhr ab Linkstreff West Gröpelingeer Heerstraße/Ecke Moorstraße: Sommerausfahrt in die Gedenkstätte Esterwegen. Geplant ist Fahrgemeinschaften zu bilden. Wir werden dort um 11:45 Uhr von Kurt Buck, dem Leiter der Gedenkstätte, erwartet. Fahrzeit ab Bremen ca. 90 min. Anmeldungen erbeten bei Raimund Gaebelein unter (0421) 6163215 raygaeb@web.de 0176/4986 5184 bitte angeben ob PKW zur Verfügung und Möglichkeit der Mitnahme. Dauer Vortrag und Besichtigung ca. 3 Stunden. Möglichkeit zum Kaffeetrinken nach Anmeldung gegeben.
Bebilderter Vortrag zur Geschichte der Emslandlager im Seminarraum; Erläuterungen zur Topographie des Lagers Esterwegen am Luftbild im Eingangsbereich; anschließend Gang über das Lagergelände mit Erläuterungen; Einführung in die Ausstellungen und individueller Rundgang; Abgeurteilt von Justiz und Wehrmacht. Gefangene in der Strafanstalt Lingen und den Emslandlagern 1935-1945 Sonderausstellung von Studierenden der Universität Osnabrück in Kooperation mit den Gedenkstätten Gestapokeller Osnabrück und Esterwegen.
„Unmittelbar nach der Machtübertragung an den Faschismus am 30. Januar 1933 begann eine Phase der Machtsicherung. An die Stelle der verhältnismäßig liberalen Rechtsordnung der Weimarer Republik sollte eine völkische Lebensordnung treten. Recht ergab sich aus den Vorstellungen der „Volksgemeinschaft“ und dem „Führerwillen“. Neue Verordnungen und Gesetze wie das „Ermächtigungsgesetz“ zerstörten die parlamentarische Demokratie und setzten verfassungsmäßige Grundrechte außer Kraft. Neue politische Straftatbestände wurden geschaffen und durch die zivile Justiz streng geahndet. Gleichzeitig verschärfte sie auch die Rechtsprechung gegenüber kriminellen Angeklagten drastisch. Strafvollzug sollte vor allem harte Sühne sein. Die Militärjustiz begriff sich als Instrument zur „Aufrechterhaltung der Manneszucht“ in der Wehrmacht und fällte ebenfalls mit zunehmender Dauer des Krieges immer gnadenlosere Urteile. Eine beispielhafte Auswahl von zwölf Gefangenen-Biographien zeigt unterschiedliche Lebensläufe und Tatvorwürfe. Mit ihnen werden individuelle Schicksale sichtbar, die hinter der Rechtsprechung der NS-Gerichte standen. Nicht alle Verurteilten waren ausschließlich Opfer. Einige waren auch zugleich Täter. Aber alle wurden Opfer einer politischen Justiz. Die Haftzeiten der ausgewählten Gefangenen reichten insgesamt von 1935 bis 1945 und machen die zunehmende Radikalisierung der Rechtsprechung und die stetige Verschlechterung der Lebensbedingungen der Gefangenen deutlich; insbesondere in den emsländischen Strafgefangenenlagern, in denen bis 1945 etwa 1.600 Gefangene umkamen.“
Fahrt (ca. 7 km) zur Begräbnisstätte Esterwegen (Lagerfriedhof) mit geführter Begehung oder Filmvorführung mit Zeitzeugenberichten

Gedenkveranstaltung für die Opfer von Faschismus und Krieg

20. Juli 2015

am Sonntag, den 13. September um 11:30 Uhr am Feld K auf dem Osterholzer Friedhof mit Prof. Dr. Jörg Wollenberg zur „Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus“ und Ausschnitten aus ihrer Zeitung „der Aufbau“. Musikalisch unterstützt von Aline Barthélémy.

Gedenkstätten und Geschichtspolitik

20. Juli 2015

Die verstärkte Europäisierung der historischen Forschung und die zunehmende Infragestellung von Ritualen in der Erinnerungskultur werfen Fragen auf. In acht Beiträgen und einer ausführlichen Dokumentation thematisieren norddeutsche WissenschaftlerInnen aus langjähriger Erfahrung Veränderungen in der Gedenkstättenpolitik. Detlef Garbe (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) geht es vor allem um die Perspektive der Gedenkstätten. Von Erstarrung der Erinnerungskultur wird in Feuilletons großer Zeitungen geschrieben, von Pathosformeln und Sinnleere. Hinzu treten verstärkt Angriffe aus Polen, den baltischen Staaten und der Ukraine gegen den antifaschistischen Konsens. Sie erklärten den 23. August 1939 zum Kriegsbeginn (Vertrag zwischen Molotow und Ribbentrop). Vor fünf Jahren bereits hatte das Ename Institut in Deinze eine Konferenz mit Vertretern verschiedener europäischer Gedenkstätten organisiert, bei der im Eingangsreferat faschistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit in eine Reihe gestellt wurden mit europäischen Kriegsgräuel seit dem 30-jährigen Krieg.
Dem vorliegenden Heft 16 der KZ-Gedenkstätte Neuengamme liegen Vorträgen einer Tagung in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück vor zwei Jahren zugrunde. Es geht darin um die Erwartungen bei Politikern wie bei gesellschaftlich engagierten Gruppen aus Gewerkschaft und Kirche an die Gedenkstättenarbeit. Es geht um das Wirken von Kräften, die faschistische Verbrechen in eine Reihe stellen wollen mit Ungesetzlichkeiten und Verbrechen in den ehemaligen sozialistischen Staaten. Damit einher geht seit Jahren eine Umwidmung finanzieller Mittel. Es geht im Weiteren um die Fortsetzung der Erinnerungsarbeit, wenn in absehbarer Zeit keine Überlebenden mehr in der Lage sind, über ihre Erlebnisse und ihren Widerstand zu sprechen. Es geht um die Rolle ihrer Nachkommen und der politischen Erben in den Vereinigungen der Zeitzeugen. Verstärkt berühren Forschungen auch Opfergruppen, die keine Vertretungen gründen konnten, sowie Gesprächskreisen von Nachkommen der Täter. Schließlich geht es verstärkt auch um die Frage, wie sich historische Überreste baulicher Art jüngeren Besuchern erschließen, wieweit eine Konservierung Geschehnisse erfassbar machen kann.
Den Weg zur Bildung eines Selbstverständnisses heutiger Gedenkarbeit beschreibt Thomas Lutz (Topografie des Terrors, Berlin). Cornelia Siebeck beleuchtet die staatlich geförderte Gedenkstättenlandschaft der vergangenen 30 Jahre, Detlef Garbe die Veränderungen in der Gedenkstättenkonzeption. Weitere Betrachtungen beschäftigen sich mit den Rahmenbedingungen für das Geschichtsverständnis („Diktaturenvergleich“) und den Erwartungen von BesucherInnengruppen an die Authentizität der Gedenkorte. Besonders sticht dabei die Dokumentation der Auseinandersetzung in Neuengamme um den Einsatz eines Bundeswehrangehörigen als pädagogischer Mitarbeiter heraus.
Gedenkstätten und Geschichtspolitik, Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland Heft 16, 208 S. 32 Abb. Edition Temmen Bremen, 14,90 EUR ISBN 9-783837-84048-3
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Libération internationale

18. Mai 2015

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung war uns vergönnt vier unterschiedliche Gruppen in Bremen zu begleiten. Den Anfang machte der 92-jährige Ire Harry Callan mit Familienangehörigen am 25. April. Er ist einer der letzten noch lebenden Gefangenen, die am Bunker „Valentin“ arbeiten mussten, und reist inzwischen jedes Jahr nach Bremen, um am Mahnmal „Vernichtung durch Arbeit“ insbesondere seiner beim Bunkerbau ermordeten Landsleute zu Gedenken. Seit 2005 erinnern Schülerinnen und Schüler des Sportprofils an der Oberschule an der Egge mit einem „Gedächtnislauf“ an die Befreiung und an die Leiden der Sklavenarbeiter. Im Laufe der letzten Jahre gelang es beide Veranstaltungen zu verbinden und so erhielt in diesem Jahr folgerichtig das Schulereignis den Namen „Harry-Callan-Gedächtnislauf“….Am 2. Mai begleiteten Monika Eichmann, Marion Bonk, Raimund Gaebelein und ich eine Gruppe der französischen „Amicale de Neuengamme“ auf die Bahrs Plate und zum „Denkort Bunker Valentin“. Nach einer herzlichen Begrüßung gab es Reden des Leiters dieser Gedächtnisfahrt (Jean Curial) , in der er auf das Schicksal der Häftlinge im KZ Blumenthal hinwies, aber auch die antifaschistische Arbeit der VVN würdigte….Am Montag, den 4. Mai, kamen dann unsere Freunde der „Stiftung 44“ aus Meensel-Kiezegem zuerst zum „Denkort Bunker Valentin“. Dr. Christel Trouvé vom „Denkort“ begrüßte die Gäste in französischer Sprache. Anschließend gab es eine „Baustellen-Führung“ in deutscher Sprache. Tom Devos‘ brillante Übersetzung sorgte für die Überwindung aller Sprachprobleme. …Einen Tag später wurden am „Denkort“ bereits die belgische „Amicale de Neuengamme“ von Raimund, Marion und mir empfangen. Erneut begrüßte Christel Trouvé und ich führte die Gruppe über das Gelände. Am Mahnmal gab es dann eine Gedenkveranstaltung. Dann ging es weiter zur Bahrs Plate.
Auszug BAF Artikel 06.-07.2015

Jenseits der Aufklärung

18. Mai 2015

Äußerst informationsreich war die diesjährige Nordkonferenz der VVN/BdA-Küstenländer…. sehr erfreulich, mit Andreas Kemper (Münster) einen kompetenten Referenten gewonnen zu haben, der recht einprägsam das komplizierte schwarzbraune Gestrüpp zu lichten vermochte. Weitergehende Informationen zu Entstehung, Ideologie und Charakter dieser rechtspopulistischen Partei lassen sich auf seiner Internetseite http://andreas.kemper.wordpress.com….. Die Neokonservativen fordern den Schutz des ungeborenen Lebens vor Abtreibung und Stammzellenforschung. Das bringt sie an die Seite von Pegida, von Pro-Deutschland-Anhängern bis hin zu Neofaschisten. Ihre Position gegenüber weltweiten Freihandelsabkommen gerät dabei mehr und mehr zum Streitpunkt. Der neoliberale Flügel um Hans-Olaf Henkel und Bernd Lucke tendiert zur völligen Marktfreiheit. Ein Auseinanderfallen der unterschiedlichen Flügel könnte das Ende der AfD als dauerhafte Rechtspartei einleiten.
Auszug BAF Artikel 06.-07.2015

Heideruh im Umbruch

18. Mai 2015

Vielen Antifaschist*innen ist Heideruh ein Begriff. Unweit von Hamburg in der Nordheide gelegen, ist es über Jahrzehnte Erholungsort und Treffpunkt. Ehrenamtliche Mitarbeit ist eine Selbstverständlichkeit und ein Muss, denn das Heim lebt von Spenden. Mit einer verjüngten Geschäftsführung unter Bea Trampenau, einem schlagkräftigen Team von Ehrenamtlichen, einem jüngeren Vorstand und dem neuen Projektnamen „Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh“ sollten sich neue Zugangswege eröffnen. Nicht zuletzt um den Grundgedanken gegen das Vergessen: „dass nie wieder geschehe, was einst geschah“ zu verbreiten. Internationales Begegnungszentrum ist es seit fünf Jahren, vor allem auch Ende Juli/Anfang August seit Gruppen des Service Civile International und bis zu 60 antifaschistischen Jugendlichen aus der Umgebung zum Work-, bzw. Jugendcamp kommen. Wer heute kommt, sieht zunächst sehr viel mehr jüngere Antifaschist*innen. Sie versammeln sich wöchentlich zu gemeinsamen Diskussionen, Beratungen, Musik- und Filmabenden, und sie engagieren sich vehement für die Verbesserung der Lage der Geflüchteten.
Auszug BAF Artikel 06.-07.2015

»Macht und Krieg – Der Trümmerhaufen als Aussichtsturm in Bremen nach zwei Weltkriegen«

23. April 2015

Ein Vortrag von Jörg Wollenberg
Mittwoch, 6. Mai, 19:00 Uhr – Vortrag und Buchvorstellung
Stadtbibliothek Bremen – Zentralbibliothek / Wall-Saal

Vor 100 Jahren legte der Bremer Mäzen und Kaufmann Ludwig Roselius (1874-1943) sein Kriegszielprogramm vor, das mit der Linie von Belgien bis zu den Dardanellen auch große Teile Russlands dem „Großdeutschen Reich“ einverleiben sollte. Die Denkschrift von 1915 an das Auswärtige Amt wurde von ihm wieder aufgenommen in seinen „Briefen und Schriften zu Deutschlands Erneuerung“ von 1933. 30 Jahre später, Anfang Mai vor 70 Jahren, versammelten sich Bremer Frauen und Männer, um ein „Sofortprogramm“ zur Neuordnung Deutschland vorzulegen. Sie veröffentlichten ihr Programm am 6. Mai 1945 im „AUFBAU“, dem Presseorgan der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF).
Moderation: Christoph Lieber (VSA-Verlag).

Zugleich Auftaktveranstaltung zur Dämmerstunde über Vergessenes und Verdrängtes des Arbeitskreises Geschichte der IG Metall
Schon vor Ende des 2. Weltkrieges hatten sich Bremer Frauen und Männer zusammen gefunden, um ein „Sofortprogramm“ zur Neuordnung Deutschland vorzulegen. Sie veröffentlichten ihr Programm am 6. Mai 1945 im „AUFBAU“, dem Presseorgan der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF). Erst am 19. September 1945 erschien die erste Ausgabe des „Weser Kuriers“ mit einem Bericht über „eines der blutigsten Kapitel der Naziherrschaft: Der Belsen –Prozess hat begonnen.“
Nach 12 Jahren Nazi-Herrschaft konnten die Bremer wieder frei atmen, durften sie sich wieder als Menschen fühlen. Mit Wehmut und Trauer gedachten sie –wie schon 1918- der Toten. Sie begannen mit der Beseitigung der Trümmer und sahen eine ihrer ersten Aufgaben darin, die Verantwortlichen des NS-Systems anzuklagen und zu verurteilen. Nicht noch einmal sollte „am deutschen Wesen die Welt genesen“. Denn schon 1914 waren die prominenten Vertreter des Bremer Handelskapitals den Ideen der „nationalen Revolution“ als Geburt der Volksgemeinschaft gefolgt. Ludwig Roselius war einer der einflussreichen Anhänger der „Ideen von 1914“, die für den Kaffee-HAG-Gründer im „Geist von Potsdam am 21. März 1933 kulminieren sollten (der feierlichen Konstituierung des neuen Reichstages in der Potsdamer Garnisonskirche in Gegenwart von Hitler und Hindenburg). Der Hitler-Bekenner Roselius hatte schon 1914 ein Kriegszielprogramm vorgelegt, das
»Macht und Krieg – Der Trümmerhaufen als Aussichtsturm in Bremen nach zwei Weltkriegen«
Ein Vortrag von Jörg Wollenberg.
Vor 100 Jahren legte der Bremer Mäzen und Kaufmann Ludwig Roselius (1874-1943) sein Kriegszielprogramm vor, das mit der Linie von Belgien bis zu den Dardanellen auch große Teile Russlands dem „Großdeutschen Reich“ einverleiben sollte. Die Denkschrift von 1915 an das Auswärtige Amt wurde von ihm wieder aufgenommen in seinen „Briefen und Schriften zu Deutschlands Erneuerung“ von 1933. 30 Jahre später, Anfang Mai vor 70 Jahren, versammelten sich Bremer Frauen und Männer, um ein „Sofortprogramm“ zur Neuordnung Deutschland vorzulegen. Sie veröffentlichten ihr Programm am 6. Mai 1945 im „AUFBAU“, dem Presseorgan der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF).
Moderation: Christoph Lieber (VSA-Verlag).
Stadtbibliothek Bremen – Zentralbibliothek / Wall-Saal

Zugleich Auftaktveranstaltung zur Dämmerstunde über Vergessenes und Verdrängtes des Arbeitskreises Geschichte der IG Metall

Schon vor Ende des 2. Weltkrieges hatten sich Bremer Frauen und Männer zusammen gefunden, um ein „Sofortprogramm“ zur Neuordnung Deutschland vorzulegen. Sie veröffentlichten ihr Programm am 6. Mai 1945 im „AUFBAU“, dem Presseorgan der Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF). Erst am 19. September 1945 erschien die erste Ausgabe des „Weser Kuriers“ mit einem Bericht über „eines der blutigsten Kapitel der Naziherrschaft: Der Belsen –Prozess hat begonnen.“
Nach 12 Jahren Nazi-Herrschaft konnten die Bremer wieder frei atmen, durften sie sich wieder als Menschen fühlen. Mit Wehmut und Trauer gedachten sie –wie schon 1918- der Toten. Sie begannen mit der Beseitigung der Trümmer und sahen eine ihrer ersten Aufgaben darin, die Verantwortlichen des NS-Systems anzuklagen und zu verurteilen. Nicht noch einmal sollte „am deutschen Wesen die Welt genesen“. Denn schon 1914 waren die prominenten Vertreter des Bremer Handelskapitals den Ideen der „nationalen Revolution“ als Geburt der Volksgemeinschaft gefolgt. Ludwig Roselius war einer der einflussreichen Anhänger der „Ideen von 1914“, die für den Kaffee-HAG-Gründer im „Geist von Potsdam am 21. März 1933 kulminieren sollten (der feierlichen Konstituierung des neuen Reichstages in der Potsdamer Garnisonskirche in Gegenwart von Hitler und Hindenburg). Der Hitler-Bekenner Roselius hatte schon 1914 ein Kriegszielprogramm vorgelegt, das mit der Linie von Belgien bis zu den Dardanellen auch große Teile Rußlands dem „Großdeutschen Reich“ einverleiben wollte: Die Beherrschung Europas, Rußlands und Kleinasiens: Das war sein Ziel der Neuordnung der Welt schon 1914. Ein Projekt, das Roselius mit den „Alldeutschen“ und großen Teilen der deutschen Großbourgeoisie teilte. Sie lehnten nach 1918 entschieden das neue Phänomen der „Massendemokratie“ ab. Sie übernahmen 1933 freiwillig eine tragende Rolle im NS-Staat und stellten sich erneut nach 1945 dem „Wiederaufbau“, nicht dem Neuanfang zur Verfügung. Schon 1941 gehörten sie zu den „Modernisierern“, die unter Federführung von Roselius und der IHK die Nachkriegsplanungen des Handelskapitals mit der Wiederaufnahme des Überseegeschäftes und der Reprivatisierung des Norddeutschen Lloyd prägten. Dafür hatte Roselius Professor Alfred Müller aus Münster, den Leiter des dortigen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts, gewonnen. Nach 1945 wandelte der Professor seinen Namen in Müller-Armack um und wurde zum Mitbegründer der „sozialen Marktwirtschaft“. Was blieb angesichts dieser Vorgeschichte nach 1945 vom „Aufbau-Programm“ der KGF? Fragen, die sich aus Anlass der Buchvorstelllung des „Aufbaus“ von 1945 und des VSA- Bandes über „Macht und Krieg. Hegemoniekonstellationen und Erster Weltkrieg“ von 2015 stellen.

Vergeltungsmaßnahmen der Besatzungsmacht

19. März 2015

Eine eindrucksvolle Ausstellung zu militärischen Vergeltungsmaßnahmen der deutschen Besatzungsmacht im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs wurde am 15. Januar im Hamburger Rathaus eröffnet. Für mehrere Wochen war dort die von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erstellte Wanderausstellung zu sehen…. Zu sehen ist die Zerstörung Warschaus nach dem Scheitern des Aufstands der polnischen Heimatarmee Oktober 1944, wie auch die Erschießung vermuteter Widerstandskämpfer und die Deportation erheblicher Teile der männlichen Bevölkerung von Murat im Zentralmassiv, Putten in den Niederlanden und Meensel-Kiezegem unweit Brüssels nach Neuengamme und seine Außenlager…In ihrer Eröffnung wies Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin darauf hin, dass das Entsetzen über den Holocaust den Blick nicht verstellen dürfe für den millionenfachen Tod von zivilen Opfern in ganz Europa, nicht nur im Osten. Eindrucksvoll war die Rede 87-jährigen Janusz Kahl aus Warschau. Die ganze Familie wurde im Rahmen der Niederschlagung des Warschauer Aufstands Anfang August 1944 in das Durchgangslager Pruszków verschleppt und von dort nach Sachsenhausen,…Am 30. Januar fand im Mahnmal St. Nikolaikirche ein 2 ½ stündiges Gespräch mit Martin Reiter (Gedenkstätte Neuengamme), Oktaaf Duerinckx und Tom Devos (beide Stichting Meensel-Kiezegem 44) statt, bei dem die Hintergründe der Geiselaktionen August 1944 eingehend beleuchtet wurden….Im Mittelpunkt der Gespräche und Fragen sehr interessierter Zuhörer*innen stand die Auswirkung der Ereignisse vom August 1944 auf Erinnerung und Haltung der nachfolgenden Generationen….Unerwartet war die Einschätzung, dass aus der Begegnung mit Deutschen an Orten ehemaliger KZ-Kommandos sehr viel mehr Empathie für das Leiden der Waisenkinder und Witwen hervorgebracht habe als zuhause.
Auszug BAF 04./05.2015

Die ‚Arisierung‘ von jüdischem Haus- und Grundbesitz in Bremen

19. März 2015

Die Enteignung jüdischen Haus- und Grundbesitzes in Bremen vor Kriegsbeginn stand im Mittelpunkt eines informativen Vortrags von Hanno Balz am 12. Januar im Rahmen der Ausstellung „Ausplündern und Verwalten“. Nach einer Fülle diskriminierender Maßnahmen und der völligen Entrechtung begann im Rahmen des Vierjahresplans die systematische Erfassung und Aneignung jüdischen Eigentums. Hanno Balz, inzwischen Dozent an der John Hopkins Universität Baltimore, hatte sich mit dem Thema bereits im Rahmen der Goldhagen-Debatte beschäftigt und intensives Studium der Katasterakten im Staatsarchiv betrieben. Um inflationären Entwicklungen und Preisverfall entgegenzuwirken, hatte die Regierung Oktober 1936 eine Preiskontrolle eingeführt. Juli 1938 wurde eigens eine Preisregelung bei Grundstücksveräußerungen eingeführt. Es galt eine Stopppreisgrenze von 80% des amtlichen Taxates. In Bremen musste die Grunderwerbssteuerstelle Veräußerungen im Vorfeld dem Katasteramt anzeigen.
Hanno Balz verdeutlichte den mehr als 180 Zuhörern an zwei Beispielen, dass in Bremen Hausverkäufe nicht notwendigerweise mit Ausnutzung der Notlage jüdischer Besitzer verbunden sein mussten. Der nichtjüdische Rechtsanwalt Hellmuth Stutzer lernte als Rechtsberater die Witwe Auguste Michel kennen, die in der jüdischen Gemeinde aktiv war. Von ihrem Mann erbte sie 1938 das Wohnhaus Rembrandtstraße 25. Sie wohnte dort mit Tochter und Enkelin und bemühte sich um Auswanderung, nachdem eine ihrer Töchter bereits in die USA entkommen war. Das Haus wurde zum Judenhaus erklärt, 17 weitere Personen dort eingewiesen und die Ausstellung eines Visums für Kuba verzögerte sich bis Sommer 1941. Stutzer regelte den Verkauf des Hauses, der Wert auf 35.000 RM taxiert, als Kaufpreis 34.000 angesetzt, die er beim Katasteramt auch durchsetzen konnte. Den Kaufpreis entrichtete er auf das Konto der Reichsvereinigung der Juden, um den Erwerb der Visa für Familie Michel sicherzustellen. Die Ausreise gelang, das Haus wurde von der Gestapo beschlagnahmt. Stutzer gelang jedoch nach längeren Prozessen die Rückgabe.
Anders verlief es im Steintor. Der Kaufmann Richard Holst betrieb ein Bekleidungsgeschäft Vor dem Steintor 153. Bis 1945 war er auch Leiter der Bezirksfachgruppe Bekleidung der Einzelhandelsabteilung bei der Bremer Handelskammer. In dieser Funktion betrieb er aktiv „Arisierungen“ konkurrierender Geschäfte. Das Nachbarhaus gehörte Selma Beverstein, geb. Rothschild, schon 1925 hatte Holst ihr Ladenlokal gemietet. 1935 gelang es ihm die Miete auf ein Drittel zu drücken. Sein Vorkaufsrecht machte Holst November 1938 geltend. Er drohte mit Beschlagnahme, sollte sie nicht verkaufen, zahlte aber die von ihr verlangten 40.000 RM, die auf ein Sperrkonto gingen. Selma Beverstein verzog ins Jüdische Altersheim Gröpelinger Heerstraße und wurde in Auschwitz ermordet. Ihre Schwester Hedwig war Mieterin in dem Haus und lebte mit ihrem Mann Heinrich Lohmann in einer „privilegierten Mischehe“. Eine Räumung konnte Holst vor Gericht nicht erwirken. Daher suchte er sie in der Wohnung auf und beschimpfte sie aufs unflätigste. Da weitere Räumungsversuche nicht glückten, ließ Holst eine Tafel mit den Namen der Mietparteien anbringen und ergänzte sie mit dem Geburtsnamen Rothschild und einem Davidstern. Nach vergeblichen Versuchen diese Tafel per Gerichtsbeschluss entfernen zu lassen, gaben Lohmanns entnervt auf und zogen aus.
Hanno Balz‘ lesenswertes 128 Seiten starkes Buch „Die ‚Arisierung‘ von jüdischem Haus- und Grundbesitz in Bremen“, erschien 2004 in der Schriftenreihe Erinnern für die Zukunft, Bd.2, bei Edition Temmen Bremen (ISBN 3-86108-689-1).

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