Gedenkveranstaltung

6. November 2017

zur Erinnerung an den 79. Jahrestag der Pogromnacht vom 9./10. Nov. 1938 gegen jüdische Mitbürger
Donnerstag, den 9. November 2017, 17:00 Uhr am ‚Jacob-Wolff-Platz‘ in Aumund
Veranstalter: Internationale Friedensschule Bremen Beirat des Ortsamtes Vegesack
Evgl. Kirchengemeinde Alt-Aumund

SA-Absperrung beim Brand der Synagoge in Vegesack am 10. Nov. 1938

Im Dezember 1942 verstarb Jacob Wolff, der letzte Vorsteher der Jüdischen Gemeinde für Vegesack und Umgebung, an den Folgen seiner Haft im Konzentrationslager Theresienstadt. Wie er verloren mehr als 70 jüdische Mitbürger aus Bremen-Nord ihr Leben während der NS-Gewaltherrschaft.
Am 8. November 2007 wurde der Platz vor der Gedenkstätte in Aumund ‚Jacob-Wolff- Platz‘ benannt. Die Gedenkstätte auf dem Platz wurde von der Bildhauerin Clarissa Dietrich neu gestaltet.

17:00 Wortbeiträge Gerd Meyer ‚Internationale Friedensschule Bremen
Dr. Jürgen Hartwig Beiratssprecher/Ortsamt Vegesack

musikalische Begleitung durch den Chor`CHORIGINELL`
Leitung: Wilhelm Torkel

Nach der Gedenkveranstaltung kann die vom Bremer Lehrer Rolf Rübsam gestaltete Ausstellung zur Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde im Vegesack besucht werden (im benachbarten Gemeindehaus der evgl. Gemeinde Alt-Aumund).

Internationale Friedensschule Bremen Reihe ARCHIV-Gespräche im Bürgerhaus

6. November 2017

Dienstag 07. November 2017, 17 Uhr Kellerbühne im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus
Vortrag mit anschließender Diskussion Ulrich Schröder
„Räte und ’sozialistische Republik‘
in Vegesack und im Kreis Blumenthal (1918 – 1921)“

Am 7. November 1918 versammelten sich bei Schichtbeginn etwa 3.500 Vulkanarbeiter in der Schiffbauhalle I des Bremer Vulkan. Damit begann die sog. Novemberrevolution im heutigen Bremen-Nord. Etwa 20 aufständische Matrosen und Soldaten waren per Bahn von Bremen dazugekommen und bildeten einen Soldatenrat. Auf dem Vulkan, in der Bremer Wollkämmerei und in anderen Industriebetrieben wurden Arbeiterräte gewählt, und es wehten dort rote Fahnen. Am frühen Nachmittag strömten etwa 6.000 – 7.000 Frauen und Männer zum Sedanplatz. Die Massenversammlung bestätigte einen „Arbeiter- und Soldatenrat für Vegesack und den Kreis Blumenthal“, der die Aufsicht über die Vegesacker Stadtverwaltung und das Blumenthaler Landratsamt übernahm. Am 11. Januar 1919 folgten die Revolutionäre im „Wirtschaftsgebiet Vegesack“ dem Vorbild ihrer Bremer Genossen und riefen die „sozialistische Republik“ aus. Erhebliche politische Konflikte und Machtkämpfe waren die Folge.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Februar rückten Regierungstruppen ein und beendeten das Experiment mit Gewalt. Doch vor allem auf betrieblicher Ebene vermochten sich die Räte zu halten. Die Tätigkeit eines im Herbst 1919 gewählten Bezirksarbeiterrates, der die Sozialisierung vorbereiten sollte, lässt sich bis zum Sommer 1921 nachweisen.

Genau 99 Jahre nach Beginn der Revolution wird der Historiker Ulrich Schröder über deren Verlauf in Bremen Nord berichten.

Mahnwachentermine

2. November 2017

Treffen Bremer Friedensforum: jeden ersten Donnerstag im Monat um 18.30 Uhr in der Villa Ichon, Goetheplatz 4
Jeden Donnerstag, 17 bis 18 Uhr, Mahnwache Bremer Friedensforum, Marktplatz
Jeden dritten Freitag im Monat, 12 bis 13 Uhr, Mahnwache gegen die Rüstungshochburg Bremen an der Domsheide (in Höhe von Hausnummer 8)
Jeden Freitag, 17 Uhr, Kundgebung der „Nordbremer Bürger gegen Krieg“, Bremen-Vegesack, Gerhard-Rohlfs-Straße/Breite Straße

Weitere Termine aus der Friedensbewegung: http://www.friedenskooperative.de/termine.htm

Jahreswende

2. November 2017

zum Jahresauftakt der Bremer VVN-BdA möchten wir Euch herzlich einladen, zum Samstag, den 20. Januar um 15 Uhr in die Geschichtswerkstatt Gröpelingen, Liegnitzstraße 61, Nähe Waterfront, zu kommen. Wir freuen uns ganz besonders, dass Christiane Palm-Hoffmeister sich bereit erklärt hat, nach unserem Jahresrückblick und einem ordentlichen Schluck Kaffee aus ihrem neusten Buch „Ende gut. Alles! (siehe Seite)Eine heimliche Liebe in Zeiten des Krieges. Romancollage“ (Kellner Verlag), zu lesen. Wer abgeholt werden möchte, sollte kurz Bescheid geben.
Die Bundestagswahlen vom 24. August 2017 haben uns allen einen heftigen Schock versetzt. Der Einzug der AfD in den Bundestag als drittstärkste Fraktion war in der Stärke nicht erwartet worden. Die Polarisierung innerhalb dieser extrem rechten nationalkonservativen Formation wächst zunehmend. Die personellen Querelen haben zum Austritt zahlreicher Abgeordneter und zur Gründung der Partei „die Blauen“ unter Frauke Petry geführt. Gauland tönte in der Wahlnacht: „Wir werden dieses Land verändern“, ließ aber offen, wie. Faschistische Untertöne werden besonders in Landtagen deutlich vernehmbar, „Identitären“ wird in der AfD die Türe geöffnet. Die bürgerlichen Parteien beeilten sich, wenigstens in den anstehenden Landtagswahlen Elemente nationalkonservativer Forderungen zu übernehmen. Somit ist bereits vor der Bildung einer neuen Bundesregierung der Weg der Rechtsentwicklung geebnet. Erstaunlich zügig kamen die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen in Fahrt. Damit geht der Kurs auf verstärkte Verschleuderung öffentlichen Eigentums, Privatisierung staatlicher Mehrheit unterliegender Unternehmen, Abbau von Steuern zugunsten Bemittelter. Der Solidaritätszuschlag soll fallen, die Leistungen der Gesundheitsfürsorge gesenkt werden. Soziale Kälte und chauvinistischer Nationalismus greift in Europa weiter um sich. Die Aufnahme rechtspopulistischer Kräfte in die Regierung ist seit den Wahlen in Polen, Großbritannien und Norwegen Wirklichkeit, Österreich und Tschechien haben nachgezogen. Die Liebe zur Wahrheit fällt in die Zeit vor der europäischen Aufklärung zurück. Der Schwur von Buchenwald bleibt uns aller Denunziationen und Verfassungsschutzmärchen zum Trotz mahnende Verpflichtung. Mehr denn je geht es um die Wurzeln des Faschismus.
Der Landesvorstand

68. Täterkinder und Rebellen

2. November 2017

Der Aufstieg der selbsternannten „Alternative für Deutschland“, wachsender Antisemitismus, das Nichtverbot der NPD, die Beobachtung der VVN-BdA durch einschlägige Dienste sind drohende Signale einer erneuten Erkaltung der gesellschaftspolitischen Lage in der Bundesrepublik. 50 Jahre nach dem weltweiten Aufbruch einer ganzen Generation gegen die konservative Erstarrung einer Nachkriegsordnung geraten ihre Errungenschaften in Verruf. Sollte die von Helmut Kohl geforderte „geistig-moralische Wende“ nun von einer Jamaika-Koalition umgesetzt werden? Ausgangspunkt eines „Familienromans“ ist die Ermordung des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1968 in Westberlin, Hintergrund die weltweiten Proteste gegen den Krieg der US-Regierung gegen die vietnamesische Bevölkerung, der Vormarsch der neofaschistischen NPD in die Landtage, das Infragestellen gesellschaftlicher Normen, deren Wurzeln in die Kaiserzeit zurückreichten, die Unzufriedenheit mit den Ausbildungsinhalten und -formen an Schulen und Universitäten. Hunderttausende junger Menschen erfasste diese Bewegung. Schon der Blick ins Inhaltsverzeichnis des „Familienromans“ enthüllt den tiefgehenden Konflikt von Kriegskindern aus nichtwiderständigen Elternhäusern mit ihrer Elterngeneration. Sahen sie sich als vergessene Generation, war ihr Aufbegehren ein Mythos, wohin sollte sich der gesellschaftliche Aufbruch bewegen, welche Bilanz ist am Ende zu verzeichnen?
Das Schweigen der Eltern über ihre Rolle in den zwölf Jahren Faschismus steht im Mittelpunkt der Gespräche der Autorin Karin Wetterau mit 23 AktivistInnen der Westberliner Studentenbewegung 2007/09, darunter auch Susanne Schunter-Kleemann und Eike Hemmer. „Das ist alles verdrängt worden, dass ganz viele Menschen in Deutschland in dieses Nazi-System verwickelt waren“, sagt Eike Hemmer. Der Aufbruch einer ganzen Generation sollte hin zu einer neuen Welt gehen, daher suchten sie ihre Vorbilder in den Befreiungsidealen der „Dritten Welt“. „Die Bilder sind eindrücklich gewesen: die treibenden Kräfte des Kapitalismus, die um jeden Preis Profit machen wollen ohne Rücksicht auf Menschen, auf Umwelt, auf andere Völker“, sagt Eike Hemmer. Die Auseinandersetzung mit der Verstrickung der Elterngeneration in den „Zivilisationsbruch des 20. Jahrhunderts“ sollte in der Folge zu einer massiven Konfrontation mit der Staatsmacht führen. In der Erfahrung mit der Staatsgewalt und der ersten Niederlage im Frühjahr 1968 polarisierten sich die Beteiligten. Manche entpolitisierten sich und suchten die Selbstverwirklichung in Stadt- und Landkommunen, einige suchten die Selbstbefreiung mit der Waffe in der Hand, einige wenige gerieten ins Fahrwasser des Faschismus. Der größere Teil allerdings suchte die Veränderung im langen Marsch durch die Institutionen, durch Theoriezirkel und geduldige Projektarbeit mit Randgruppen, durch Selbstorganisation oder Anschluss an bestehende Organisationen der Arbeiterbewegung. Die Staatsgewalt reagierte mit 3,5-millionenfacher Überwachung, mit 11.000 Verfahren wegen Verdachts auf Verfassungsuntreue. Fazit der Autorin: „Es ist die große Leistung von 68, sich durch diese Vergangenheit hindurchgearbeitet zu haben, Scham und Schrecken ausgehalten, die Täter ermittelt und angeprangert und schließlich auch eine Sprache für das Leid der Opfer gefunden zu haben…“
Karin Wetterau, 68. Täterkinder und Rebellen. Familienroman einer Revolte, Aisthesis Verlag Bielefeld 2017, 325 S, 28,- Euro, ISBN 978-3-8498-1168-6

Leute machen Kleider

2. November 2017

Nach ihrem großartigen Erstling „Verschwunden in Deutschland“ (vergl. meine Rezension im BAF 2014!) war ich sehr gespannt, als mich vor einigen Monaten die Ankündigung Imke Müller-Hellmanns neuen Werks „Leute machen Kleider Eine Reise durch die globale Textilindustrie“ und dessen Vorstellung im „Kuß Rosa“ (Gaststätte am Buntentorsteinweg in HB) erreichte.
Den Veranstaltungsraum füllten am 28.IX.2017 schätzungsweise hundert Leute. Zur Einführung betonte Imkes Lektor Bernd Henninger, dass es sich bei dem Buch um Literatur, nicht ein Sachbuch handle und dass jedem Kleidungsstück ein Kapitel gewidmet sei. Imke, die an diesem Tag alle im Buch erkundeten Kleidungsstücke trug, las aus der Einleitung und den Kapiteln über das Unterhemd von Tom Tailor und ihre in China hergestellte Jacke. Anschließend bat sie noch zu Speis‘ und Trank und „besonders, mit mir das Tanzbein zu schwingen“.
Als Einleitung nutzt Imke eine Kurzgeschichte von ihr: Bei einem ganz normalen Frühstück zuhause dringen nach und nach alle an der Herstellung der Lebensmittel Beteiligten durch die Wände ein und sie feiern zusammen ein schönes Fest. Daraus entwickelt Imke das Konzept des Buchs, der Herkunft ihrer Lieblings-Kleidungsstücke nachzuforschen: Unterhose, Mütze, Socken, Fließjacke, Jeans, Unterhemd, Top, T-Shirt, Jacke, Schuhe. Jedes Kapitel beginnt mit – teilweise absurden – Auszügen aus schriftlicher und fernmündlicher Korrespondenz mit den jeweiligen Herstellern. Letztere zog sich bis zu Monaten hin. Ihr Haupt-Anliegen war jedes Mal, eine an der Herstellung ihres speziellen Kleidungsstücks beteiligte Person zu interviewen. Neben detaillierter Darstellung mancher Produktionsvorgänge, Fakten zu den Ursprungs-Ländern und einfühlsamer Vorstellung der InterviewpartnerInnen werden ausführlich Reise- und Recherche-Erlebnisse geschildert. Da kommt wohl Imkes frühere Tätigkeit als Reiseleiterin zum Tragen. Was leider fehlt, ist Analyse: Ursachen, Wirkungen, Alternativen. Dank Imkes sehr spezieller, sich auf Menschen einlassender Denk- und Schreibweise finde ich das Buch dennoch sehr lesenswert.
Imke Müller-Hellmann: Leute machen Kleider, Hamburg 2017, 20,00 € ISBN-13: 978-3955101411

Repressalien und Terror – „Vergeltungsaktionen“ im deutsch besetzten Europa 1939-1945

2. November 2017

Kürzlich erschien im Schöningh Verlag Paderborn eine Zusammenstellung von Vorträgen und Forschungsergebnissen zu den Folgen der „Vergeltungsmaßnahmen“ von Wehrmacht und SS im besetzten Europa während des Zweiten Weltkriegs. Dr. Oliver von Wrochem legt darin 16 Beiträge von Historikern vor, die sich seit langem im Rahmen der Gedenkstättenarbeit und historischen Untersuchungen mit dem System von Zwangsarbeit deportierter Widerstandskämpfer und Geiseln aus besetzten Ländern Europas auseinandergesetzt haben. Dabei geht es um Mechanismen zur Aufrechterhaltung der Besatzungsmacht gegen den wachsenden Widerstand im besetzten Europa. Genauer betrachtet werden die Legitimationsstrategien, die Entwicklung des Repressionsapparates in der ersten Kriegshälfte und die Kriegsendverbrechen, ausgehend von der Rathausausstellung im Januar 2015 zu den vergessenen Orten des Terrors und der „Vergeltung“ und den folgenden Foren.
Mit den Repressalien gegen Murat, Meensel-Kiezegem, Putten und Warschau sollten Oliver von Wrochem zufolge „vermeintliche oder tatsächliche Widerstandsakte geahndet und die Bevölkerung in den besetzten Ländern eingeschüchtert werden.“ Sie richteten sich vor allem gegen zumeist unbeteiligte Zivilisten. Wehrmacht, Waffen-SS und SIPO wurden bei ihren tausendfachen Mordtaten durch örtliche Kollaborateure unterstützt. Rassistische Motivation und totale, zügellose Kriegsführung dieses Vernichtungskrieges traf die besetzten slawischen Gebiete Ost- und Südosteuropas ungleich härter als West-und Nordeuropa. In Ost- und Südosteuropa standen die (vorausgegangenen) Widerstandshandlungen selten im Zusammenhang zu den getroffenen „Vergeltungsmaßnahmen“. Im Vordergrund stand der Vernichtungskrieg gegenüber dem jüdischen Bevölkerungsteil, der nationalen Intelligenz und dem „Bolschewismus“ bei Wehrmacht, SS-Einsatzgruppen und zivilen Stellen.
Nur unter Umkehrung der Ursachen konnte die Besatzungsmacht „Vergeltung“ betreiben, wie Habbo Knoch hervorhebt. Moralische Maßstäbe wurden außer Kraft gesetzt, das Feindbild einer aus dem Hinterhalt agierenden dunklen Macht entwickelt und verbreitet. Wurden in der ersten Kriegshälfte im besetzten Nord- und Westeuropa nur vereinzelt Geiseln erschossen, Ortschaften niedergebrannt, Gruppen von Menschen deportiert, ganze Landstriche geplündert und die Felder abgebrannt, so war es in Ost- und Südosteuropa gängige Praxis. „Vergeltungsaktionen“ der Wehrmacht erfolgten ohne vorausgegangene Widerstandsakt. Die zivile Bevölkerung wurde mit dem Widerstand gleichgesetzt, und unter Generalverdacht gestellt. In Serbien wurden Partisanen, Juden, Kommunisten, Roma gleichermaßen als Widerstandpotential angesehen. Die männliche Bevölkerung ganzer Ortschaften wurde erschossen, Frauen und Kinder in Lager verschleppt, die Ortschaft niedergebrannt. Die bereits vorgesehene Bevölkerungsumsiedlung folgte dem Niederbrennen der Ortschaften. Örtliche Stellen und kollaborierende Teile der Bevölkerung wurden bei Vernichtungsaktionen einbezogen, selbst im tschechischen Lidice wie im norwegischen Telavog.
Nach Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie richteten sich Aktionen des Widerstandes in starkem Maße auch gegen kollaborierende Kräfte in der eigenen Bevölkerung. In dieser letzten Kriegsphase wurden verstärkt auch Ortschaften in Nord- und Westeuropa von Repressalien und rassistisch motivierten Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung getroffen. „Vergeltungsmaßnahmen“ in vergleichbarer Härte, wurden meist durch vorher im Krieg im Osten verrohte militärische Einheiten verübt. Kurz vor dem Abzug wurden noch Tausende in die deutschen KZ verschleppt. Der Widerstand erhielt dadurch starken Zulauf. Die Folgen der Verwüstung der Lebensplanung in den verwüsteten Ortschaften und in den durch Deportation des Familienoberhauptes zerrissenen Familien sind bis heute bei weitem nicht aufgearbeitet. Das ritualisierte Gedenken trägt zur Verlängerung der Opfersituation bei. Die Nichtaufarbeitung der Verquickung von Krieg, Besatzung, rassistischer Gedankenwelt verhindert bislang eine Auseinandersetzung der überlebenden Opfer und ihrer Angehörigen mit der eigenen Rolle. Es verhindert auch die Auseinandersetzung mit der Kollaboration im eigenen Ort.
Oliver von Wrochem (Hg.) Repressalien und Terror – „Vergeltungsaktionen“ im deutsch besetzten Europa 1939-1945, 271 S., 24,90 Euro, Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn 2017, ISBN 978-3-506-78721-7

Ende gut. Alles!?

2. November 2017

Jekyll & Hyde – Dichter oder Henker? Wer verbirgt sich hinter dem Schreiber der zärtlichen Briefe, die die Tochter lange nach dem Tod des Vaters aufspürt? Auf der Suche nach Antworten enthüllen sich ihr 70 Jahre deutsche Nachkriegsgeschichte und das Schicksal ihrer ledigen Mutter; unerwartete Erkenntnisse über das tatsächliche Wesen des Nazi-Richters zwischen Mitläufern und Widerstandskämpfern lassen dieses neue Buch von Christiane Palm-Hoffmeister zu einem Kaleidoskop der Zeitgeschichte werden. Liebesgeschichten und Lebensschicksale, die exemplarisch für die durch Krieg und Nationalsozialismus geprägten Erfahrungen deutscher Familien im 20.Jahrhundert stehen, werden anschaulich neben die persönliche Geschichte der Autorin gestellt. Brisantes fördern die Briefe des Vaters zutage, die die Tochter erst lange nach dem Tod der Mutter in die Finger bekommt; noch mehr Zündstoff für die Beurteilung seiner Rolle im Justizapparat der NS-Zeit liefert die Entnazifizierungsakte. „Ende gut. Alles!?“ erzählt eine der vielen Liebesgeschichten, die die irre Zeit in Berlin während des Krieges trotz alledem mit sich gebracht hat. Und ehe man es sich versieht, ist man beim Lesen mitten drin: Sowohl der Beruf des Vaters als Richter am Kammergericht als auch das Kunststudium der Mutter und natürlich besonders deren uneheliche Schwangerschaft, ziehen die Tochter unweigerlich hinein in das politische und juristische Geschehen der NS Zeit und des zerstörenden Krieges.
Geboren im Februar 1945, entrollt sich vor ihren Augen bei der Suche nach dem wahren Wesen des Vaters, mit der Kindheitsgeschichte die ganze Verlogenheit und Verwirrtheit der Akteure in den fünfziger Jahren, vor einer unbewältigbaren Vergangenheit. Der ehemalige Richter, dem es nicht gelingt, seine ursprüngliche Berufstätigkeit wiederaufzunehmen, die Kunststudentin, die durch die Schwangerschaft von ihrem Höhenflug abgebracht wird und das Los einer unehelichen Mutter erdulden muss – die ungelöste Gesetzeslage, die Verstrickung des Richters in die Nazi-Justiz und den vermeintlich kommunistischen Widerstand, all das sind Stolpersteine, die bewältigt werden müssen. Vergleiche mit prominenten Lebenswegen illustrieren die gewaltsamen Eingriffe der NS-Herrschaft in die Biographien. Und über allem die bis heute fast unbekannten Bestrebungen der jungen Bundesrepublik, mit allen Mitteln in der Weltpolitik wieder eine bedeutende Rolle zu spielen und dafür die erneute Militarisierung, den Einstieg in die Atomenergie, die Kommunistenhetze in Kauf zu nehmen. Was als harmlose Vatersuche geplant war, gerät mehr und mehr zu einem menschlichen Kaleidoskop der Zeitgeschichte von 70 Jahren in Deutschland.
Christiane Palm-Hoffmeister, Ende gut. Alles!? Eine heimliche Liebe in Zeiten des Krieges. Romancollage, Kellner Verlag, Bremen, 2017, 16,90 € ISBN 9-783956-511578

Julius Fučík aus dem Pantheon in Prag entfernt

18. September 2017

… Wie der Museumsdirektor Michal Lukeš bekannt gab, wurde sie bereits 1991 beseitigt. Er sagte wirklich beseitigt, so als handle es sich um Abfall. Angeblich geschah das wegen Fučíks „ideeller Verbindung zum kommunistischen Regime“. Fučík ist 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden, also fünf Jahre vor der Errichtung des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei. Er kann also weder eine ideelle noch eine organisatorische Verbindung zu diesem Regime gehabt haben… Allein dass Fučík mit seiner Reportage unter dem Strang geschrieben die Weltöffentlichkeit über das Leid und den Freiheitskampf des tschechischen Volkes informiert hat, müsste ihm einen Platz im Nationalmuseums sichern. Als einzigartiges historisches Dokument ist das Werk Bestandteil der Weltliteratur… Es betrübt mich, dass manche das vergessen haben. Ich halte das für ein Zeichen der moralischen und politischen Desorientierung…

Kurt Nelhiebel, Kultur- und Friedenspreisträger der Villa Ichon in Bremen
Artikelauszug BAF 10./11.17

70 Jahre VVN-BdA Bremen

18. September 2017

Am 24.08.2017 lud die VVN-BdA Bremen zu einer kleinen Feier anlässlich ihres 70. Jährigen Bestehens in die St. Pauli Gemeinde ein. Zur Einstimmung der zahlreich erschienenen Gäste sang das Rote Krokodil erstmal das Lied „Miteinander“ von Dieter Süverkrüp. Die Begrüßung erfolgte dann durch den Landesvorsitzenden Raimund Gaebelein. Er ließ die Anfänge der Gründung und einige prominente Mitglieder noch einmal Revue passieren. Gleichzeitig mahnte er, dass auch heute die Gefahr von rechts nicht abgewendet ist und erinnerte an den Schwur von Buchenwald, der immer noch nicht erfüllt ist… Die vollständigen Originalreden sind auf www.bremen.vvn-bda.de in der Rubrik Artikel nachzulesen.

Marion Bonk

Zum 20. Mal fuhren 48 Angehörige der „Nationalen Konföderation der Politischen Gefangenen und Angehörigen Meensel-Kiezegem ‘44“ nach Neuengamme und seine Außenlager, zum 15. Mal gedachten wir mit ihnen gemeinsam der Toten zweier Razzien belgischer SS unter deutschem Kommando Anfang August 1944… Die Suche nach den Gräbern der Angehörigen ließ keinen ruhen. Erinnerungstafeln am Schützenhof, auf Bahrs Plate und am Massengrab auf dem Osterholzer Friedhof sind Zeichen langjähriger gemeinsamer Nachforschungen…

Wilhelm Henkel

Im Bunker sahen wir auch dieses Jahr wieder viele Veränderungen… Unsere vertrauten Führer Ulrich & Moni sorgten wie gewohnt wieder für einen hervorragenden Vortrag, und die vielen Fragen, die folgten, wurden gerne beantwortet…

Tom Devos

Zahlreiche Grußworte erreichten unsere Landesvereinigung zum 70. Jahrestag.

„…Gehen doch nicht wenige Zeichen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Bremen gegen NS-Willkürherrschaft und Krieg gesetzt wurden, auf das Engagement von Mitgliedern der VVN-BdA zurück… Wir denken dabei gern an die Mitwirkung von Walter Federmann zurück, der über zwei Jahrzehnte unserem Vereinsvorstand angehört hat, wofür wir bis heute dankbar sind…

Günter Knebel, Schriftführer Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.

„…Zu Anfang der 2000er Jahre kamen wir auf unserer Suche in Kontakt mit Raimund Gaebelein und seinen Kameraden. Seither kommen wir fast jedes Jahr zum Schützenhof, wo dank des Bundes der Antifaschisten eine Erinnerungstafel für unsere Toten angebracht wurde… Das 70-jährige Bestehen der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ beweist, dass der Kampf gegen extrem rechte Ideologie weiter notwendig bleibt, die sich vor allem auf Rassismus gründet, auf Fremdenfeindlichkeit, gegen Probleme mit Flüchtlingen und Einwanderern. Ist der nächste Einwanderungs-Ausschluss-Vorwand vielleicht der Schutz von blonden Haaren und blauen Augen? …

Freddy Duerinckx, stellv. Vorsitzender der NCPGR Meensel-Kiezegem ‘44

…Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit. Wir freuen uns auf weitere erfolgreiche Jahre mit euch.“

Hermann Ernst, Rudolf Weinlich, Dardo Balke und Roberto Larze, Vorsitzende Sinti Vereine Bremen und Bremerhaven

„Seit 70 Jahren mahnt und forscht der VVN-BdA zu den Verbrechen der Nazis… Als „Dank“ gab es vom Staat Berufsverbot und in anderen Bundesländern noch immer geheimdienstliche Überwachung. Die Beobachtung von Antifaschist*innen muss bundesweit aufhören!“

Sofia Leonidakis, MdBB Die Linke

Artikelauszug BAF 10/11.17

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