Ein aufhaltsamer Aufstieg – Alternativen zu AfD und Co
10. Januar 2018
Viele Bürger sind den „Rechten“ auf den Leim gegangen. Ihre kruden Theorien prangern vieles an, zum Teil sogar zu Recht, nur liefern sie keine einzige Antwort. „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ sind keine Antwort auf, geschweige denn Lösung der Probleme, mit denen wir uns herumschlagen. Ein Teil der Wähler wählt sie aus Protest. Sehr grobe Schätzungen gehen von etwa 30% aus. Natürlich stimmt es, dass „die da oben in den Parlamenten“ weit weg von „uns Bürgern da unten“ sind. Es ist eine eingeschworene, oft unnahbare Clique geworden. Alle vier oder fünf Jahre begibt sie sich runter zum Wahlvolk und verspricht ihnen das Blaue vom Himmel. Aber was verspricht den die AfD, was propagieren denn die Identitären? „Das Unwohlsein, das man empfindet, mit Unwohlsein zu befeuern (…) ist letztlich eine destruktive Strategie“, sagt Hajo Funke (Extremismusforscher), „(…) wenn sie wenigstens Lösungen, praktische, hätten, für die Probleme, die sie sehen (…)“.
Aber gehen wir „Anderen“ ihnen nicht genauso auf den Leim mit ihren Tabubrüchen? Muss jeder idiotische Spruch eines „Bernd“ Höcke, jede provokante Aktion der Identitären gleich ein riesen Medienrauschen hervorrufen? Sie wollen die Reaktion und wir geben sie ihnen. Publicity auf unsere Kosten! Wäre niemand auf Höckes „Mahnmal-der-Schande“-Rede eingegangen und man hätte einfach so neben seinem Haus das „Denkmal der Schande“ errichtet, hätte ganz Deutschland über ihn gelacht und auf seinen Kniefall gewartet.
Die Politik der „Etablierten“ von CSU bis zu den Grünen hat „die Deutschen“ entsolidarisiert. Die Macht des Stärkeren, die Macht des Marktes wurde und wird propagiert. In Krisenfällen (Erdbeben, Überschwemmungen) kommt die Solidarität und Empathie wieder durch – halten tun sie nur nicht lang genug. Und hier docken die „Rechten“ an. Sie kümmern sich, sie helfen – natürlich nur denen, die ihnen passen. Aber sie tun das, was die Institutionen den Hilfebedürftigen nicht geben wollen oder können. Bei der Bundestagswahl 2017 holte die AfD zwischen 8,2% (Schleswig-Holstein) und 27,0% (Sachsen). Bundesweit waren es 12,6%.
Ausgrenzen oder Nichtbeachten ist falsch. Inhaltliche Reaktionen sind gefordert. Was will die AfD, was sind ihre „Vorstellungen“? Was wollen sie z.B. in Sachen Steuerreform: Die Arbeitgeber zahlen in die Sozialkassen weniger bzw. nicht mehr ein – d.h. die Arbeitnehmer müssten mehr zahlen. Klingt das sehr anti-establishment-mäßig? Nein, es könnte problemlos von der FDP kommen. Neben der Senkung des Arbeitgeberanteils fordern sie die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, wie auch Union und FDP. Sie sind für die Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Sie sind somit die Handlanger der Investmentfonds und „Heuschrecken“. „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“, Hauptsache ihre Taschen sind voll. Wiegel zeigt in seinem Buch, dass er sie als im neoliberalen Kapitalismus verwurzelt sieht. Sie sind die Neoliberalen in der Extremversion. „Das Boot ist voll“ sagte auch Otto Schily, vom Stopp des Zuzugs redet auch Horst Seehofer. Es sind Rechtsnationale in der Extremversion. Zudem steht die Partei für eine stärkere Militarisierung. Aussagen der AfD, sie würden sich gegen die NATO stellen, weist u.a. Wiegel als klar falsch dar. Eine Stärkung der Rüstungsindustrie und höhere Rüstungskosten wären die Folge. Sie sind Kriegstreiber in der Extremversion. Man muss deren Politik auseinandernehmen und den potentiellen Wählern klarmachen, dass die AfD alles andere als eine Alternative für Deutschland ist.
Die Meisten der Mitglieder sind keine Nazis, rechts denkend, völkisch motiviert, ja, aber nicht nazistisch. Einem Höcke, Gauland oder Meuthen nachzusagen, sie wären Nazis, wird keinen Protest auslösen – auch nicht bei den Angesprochenen, denn sie wissen es ja. Kein Wähler kann jetzt noch für sich reklamieren, nicht gewusst zu haben, wofür die AfD wirklich steht. Den Mitgliedern muss klargemacht werden, wohin sie Deutschland steuern. In den Abgrund. O-Ton Höcke: „Deutschland in seiner jetzigen Form soll abgeschafft werden.“ Die Wahl beim Bundesparteitag am 02. Dezember 2017 von Gauland und Meuthen als Führer hat gezeigt, dass der rechtsnationalistische Weg der AfD weitergeht. Höckes Wusch, Deutschland „abzuschaffen“, ist nicht unwahrscheinlicher geworden. Die Enkelkinder der AfDler, und der „anderen“ ebenso, werden fragen: „Warum habt ihr das getan, bzw. warum habt ihr nichts getan?“
Doch was können wir tun? Ausgrenzen bringt wie gesagt nichts. Alles was die AfDler sagen, vorschlagen oder initiieren müssen sie auch begründen und erklären – dadurch sind sie auch oft genug entlarvt worden. Die Aura des „Rebellenseins“ muss weg. Es ist wichtig, dass gezeigt wird, dass ihre Ideen Irrsinn sind. Ihnen muss der Opferstatus genommen werden („Alle sind gegen uns“). Sie sind Täter! Aber auch die „Anderen“ müssen etwas tun: Raus aus dem Elfenbeinturm hin zu den Bürgern. Das bedarf aber wohl der größeren Anstrengung.
Gerd Wiegel: Ein aufhaltsamer Aufstieg – Alternativen zu AfD und Co., Papyrossa-Verlag, Köln 2017, 126 Seiten, 12,90 Euro, ISBN 978-3-89438-616-0