Ein Stück Platz an der Sonne erwerben
27. März 2014
Überaus gut besucht war die diesjährige Nordkonferenz, zentrale Bildungsveranstaltung der norddeutschen Landesverbände der VVN-BdA. Sie war ja auch mit Peter Strutynski (BA Friedensratschlag Kassel), Wolfgang Beutin (Autor und Fischer-Schüler) und André Aden (Recherche Nord) mit kenntnisreichen Referenten besetzt. Schwerpunkte waren der Militarismus in Deutschland, sein Griff nach der Weltmacht, Lehren aus der Geschichte, die Rückkehr des Krieges in die Politik, der Rechtspopulismus heute.
Eine Rechtfertigungswelle ergießt sich zum 100. Jahrestag der Entfesselung des Ersten Weltkriegs über das Land. Stellten Geschichtsrevisionisten in der Vergangenheit die Alleinschuld Deutschlands am Krieg infrage, so wird neuerdings jegliche Verantwortung für die Entfesselung des „Großen Krieges“ bestritten.
Nicht gewollt sei es Lehren aus der Geschichte zu ziehen, das ist auch. Peter Strutynski zeigte auf, dass die bewusste Zuspitzung der Konfrontation mit Russland in der Ukraine kein Zufall ist, sondern traditionellen Linien folgt. Entlarvend sei die Rede Gaucks auf der Sicherheitskonferenz in München. Für Peter Strutynski stellt es sich als Rückkehr des Kalten Krieges dar. Ergebnis des 1. Weltkriegs sei der Aufstieg der USA zur Weltmacht, die Zwischenkriegszeit bestimmt von der Konkurrenz zu einem neu erstarkten Deutschland. Die Oktoberrevolution 1917 habe aber auch Sowjetrussland ermöglicht bis zum Einmarsch der Wehrmacht die Frage nach einer Systemalternative aufzuwerfen. Im Ergebnis des 2. Weltkriegs sei der Kalte Krieg gegen die nunmehr weltweite Systemalternative geführt worden. Dem gegenüber seien die fortbestehenden Interessenkonkurrenzen zwischen den imperialistischen Staaten zurückgetreten. In der NATO-Langzeitstrategie 1991 sieht Peter Strutynski eine Neupositionierung mit dem Ziel sich die Rohstoffe und Zugangswege auf der Erde zu sichern. Die Einbeziehung Russlands in die Sicherheitsarchitektur deutet die zunehmende Konfrontationsstellung mit China als neuer Weltmacht an.
Wolfgang Beutin setzte sich in der Tradition Fritz Fischers (Autor: „Griff nach der Weltmacht – Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914-1918) mit den beschwichtigenden Thesen Christopher Clarks (Autor: „Die Schlafwandler) auseinander. Die Thesen Heinrich Class vom Alldeutschen Verband hätten die gewachsenen imperialistischen Ansprüche gegenüber „Russogallien“ mit allen Mitteln vorangetrieben. Deutschland trage die Hauptschuld, wenn auch nicht die Alleinschuld am 1. Weltkrieg. Kanzler Bethmann-Hollweg habe Serbien entlastende Dokumente verschwiegen und Depeschen in einer Weise verfälscht, dass der Krieg gegen Serbien möglich wurde. Clarks Thesen seien vom Bemühen getragen, den 1. Weltkrieg als Naturereignis darzustellen und jegliche Verantwortung für seine Entfesselung zu leugnen.
André Aden schließlich setzte sich mit den Rechtspopulistischen Parteien in Europa auseinander und legte einen Hauptschwerpunkt auf den Mechanismus ihres Aufstiegs. Die Medienwirksamkeit eines Bernd Lucke bewirke, dass die AfD aus dem Kreis kleiner Splitterparteien herauskomme. Verstärkt greife mit dem Kreis um Beatrix von Storch auch ein klerikalfaschistischer Trend in der AfD Raum. Deutlicher illustrierte André Aden den mögliche Kurs dieser Partei am Beispiel der Schweizer Volkspartei, der FPÖ, des Front National, des Vlaams Belang, der Danske Folkeparti, die Zukunftsängste aufgriffen und traditionelle Werte propagierten, die es gegen vermeintliche Eindringlinge von außen zu schützen gelte. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sei Türöffner für Sympathisanten. In Ungarn zeige sich das Zusammenspiel der rechtpopulistischen Regierungspartei FIDESZ mit der faschistischen Jobbik. Die Einbeziehung der Swoboda in die ukrainische Übergangsregierung eröffne selbst neofaschistischen Gruppierungen wie der NPD neue Möglichkeiten. Rechte Ideenschmieden wie die Casa Pound und ideologische Splittergruppen wie die Identitäre Bewegung können rechtspopulistische Bewegungen und Neofaschistische Gruppen längerfristig zusammenführen.
In der Auswertung wurde die Qualität der Vorträge hervorgehoben, aber Länge und Fülle der Referate kritisiert. Die AfD und ihr Verhältnis zum rechten Rand seien auf der nächsten Nordkonferenz Ende März 2015 zu thematisieren. Der Internetauftritt der Küste wurde als wichtiger Selbstverständigungsprozess begriffen. Ob das Projekt unter erheblichen Kosten weiterverfolgt werden soll, wird jetzt die Neofakommission Küste weiter beraten. Heideruh als Konferenzort scheint auf lange Sicht gesichert, eine Begrenzung der Teilnehmerzahl auf ca. 40 wird bei der Anmeldung allerdings ins Auge gefasst werden müssen. Es wurde vorgeschlagen bei der Nordkonferenz 2015 Europaabgeordnete einzuladen um über die Arbeit dieser Parteien zu berichten.