Die Breidbachs

geschrieben von Marlies Böner Zollenkopf

12. Januar 2013

Ich lernte Inge und Herbert Breidbach 2002 bei Recherchen zum Buch über den Buntentorfriedhof kennen.

Ich lernte Inge und Herbert Breidbach 2002 bei Recherchen zum Buch über den Buntentorfriedhof kennen. Breidbachs haben ein Familiengrab auf diesem Friedhof. Dort ist auch ihr Sohn Peter begraben, der knapp 19-jährig tödlich verunglückte. Ich sprach mit Inge und Herbert über das Grab, die Familie, über Peter und über ihre unermüdliche politische Arbeit. Sie erzählten mir von der Zeit, als die KPD illegal war, von der Gründung der DKP, von Reisen in viele Länder und von der Arbeit in „ihrem“ Stadtteil, der Bremer Neustadt. Ich fand es schade, über solch ein erfülltes Leben im Rahmen eines Friedhofsbuches nur wenig schreiben zu können. Herbert und Inge sind weit über 60 Jahre ein Paar und haben eine enge Beziehung zueinander. Was macht diese Beziehung aus? Wodurch hält Liebe mehr als 60 Jahre? Ende 2007 begannen wir mit einer Reihe langer Gespräche und überlegten, ob daraus ein Buch werden könnte. Herbert hat ein unglaubliches Erinnerungsvermögen, Namens und Datengedächtnis. Oft saßen wir am Esstisch in der Herrmannstraße und Herbert erzählte von der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion, von seiner Rückkehr als Kommunist und seiner Arbeit in der Partei. Wir sprachen über das Ende der DDR, über Herberts Arbeit als Zeitzeuge an Schulen und bei der Verlegung von Stolpersteinen. Ich erfahre auch viel aus Inges Leben. Kindheit in Oberneuland, Arbeitsamtsmitarbeiterin, junge Kommunistin, Mutter. Sie erzählte auch über ihre jahrzehntelange Mitarbeit im Beirat Neustadt. Herbert und Inge sind einen langen gemeinsamen Weg gegangen. Es waren die gleichen Ziele, für die sie sich einsetzten und für die sie sich noch heute engagieren. Nie wieder Krieg, Verbot rechtsradikaler Parteien, Gerechtigkeit und Frieden. Sich etwas zu sagen haben, sich auseinandersetzen, Leserbriefe formulieren, nicht alles hinnehmen, füreinander da sein, wenn im Alter das Leben anstrengend wird – das macht einen großen Teil der Liebe zueinander aus. Ich habe ein „subjektives“ Buch über Herbert und Inge Breidbach geschrieben, das mit Sicherheit nicht alle Facetten im Leben der beiden wiedergibt. Inge und Herbert sind zu Wort gekommen, aber auch Menschen, die sie ein Stück weit begleiteten. Sicher gibt es noch viele weitere Weggefährten, die Inge und Herbert gut kennen und zu ihnen etwas sagen könnten. Das Kriterium für die Auswahl meiner Gesprächspartner war meine persönliche Bekanntschaft mit ihnen. Alle sprachen mit viel Sympathie und Respekt über die Breidbachs. Ich wünsche Inge und Herbert, dass sie sich gegenseitig noch lange erhalten bleiben.

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Marlies Böner Zollenkopf, Die Breidbachs, Kellner Verlag Bremen, 9,90 Euro, ISBN 978-3-939928-94-2

Strafverteidigung im Konflikt mit dem Zeitgeist.

7. Januar 2013

08.01.2013

Dr. Heinrich Hannover zu

Strafverteidigung im Konflikt mit dem Zeitgeist.

Dienstag, 08. Januar 2013, 20 Uhr

Villa Ichon Goetheplatz 4

MASCH Bremen

Er schildert an Beispielen aus seiner Verteidigerpraxis, wie sich das aus dem Nazi-Reich übernommene Feindbild „Kommunismus“ und später das in jahrelangen Medienkampagnen angeheizte Feindbild „Terrorismus“ auf die Wahrheits- und Rechtsfindung der bundesdeutschen Strafjustiz ausgewirkt hat… oft wurden die Verteidiger der Angeklagten, selbst wenn es nur um rechtswidrige Haftbedingungen oder unhaltbare Anschuldigungen ging, im Gerichtssaal und in der Medienöffentlichkeit als Komplizen ihrer als Staatsfeinde geltenden Mandanten hingestellt und behandelt.

Dienstag, 08. Januar 2013, 20 Uhr Villa Ichon Goetheplatz 4 MASCH Bremen Er schildert an Beispielen aus seiner Verteidigerpraxis, wie sich das aus dem Nazi-Reich übernommene Feindbild „Kommunismus“ und später das in jahrelangen Medienkampagnen angeheizte Feindbild „Terrorismus“ auf die Wahrheits- und Rechtsfindung der bundesdeutschen Strafjustiz ausgewirkt hat… oft wurden die Verteidiger der Angeklagten, selbst wenn es nur um rechtswidrige Haftbedingungen oder unhaltbare Anschuldigungen ging, im Gerichtssaal und in der Medienöffentlichkeit als Komplizen ihrer als Staatsfeinde geltenden Mandanten hingestellt und behandelt.

Von Arisierung bis Zwangsarbeit, Verbrechen der Wirtschaft an Ruhr und Ruhr 1933 bis 1945

geschrieben von Ulrich Stuwe

10. Dezember 2012

Die Zeit des Faschismus in Deutschland zwischen 1933 – 1945 gilt als die historisch bestaufgearbeitete Periode der deutschen Geschichte.

Die Zeit des Faschismus in Deutschland zwischen 1933 – 1945 gilt als die historisch bestaufgearbeitete Periode der deutschen Geschichte. Unzählige Bücher kann man zu fast jedem Thema finden. Selbst zur Rolle deutscher Eliten in allen Phasen gibt es zunehmend seit den achtziger und neunziger Jahre immer mehr Literatur. Dagegen gehört die Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Machtübergabe, Machterhaltung und Verbrechen der Nazis zu den eher vernachlässigten Gebieten. Dem Buch „Von Arisierung bis Zwangsarbeit“, das auch aus der Rallye Spurensuche „Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945“ entstanden ist, wurde das Ziel gesetzt dem abzuhelfen. Dies ist auch weitestgehend gelungen. Da viele der damaligen Konzerne und Trusts ihren Sitz im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen hatten, konnten die Autorinnen und Autoren nachweisen, dass sich die „Industriekapitäne“ spätestens seit 1931/32 für eine Kanzlerschaft Adolf Hitlers einsetzten und nicht nur von der Bekämpfung der Arbeiterbewegung, der Aufrüstung, der Eroberung von Rohstoffquellen und Industriebetrieben in ganz Europa und Zwangsarbeit profitierten, sondern dies alles vom Regime forderten und umsetzten. Der Schwerpunkt wird dabei auf das Großkapital gesetzt, wie Thyssen, Krupp, die IG Farben, die Deutsche Bank, Henkel, Mannesmann, Rheinmetall, Stinnes, die Flicks, die Quandts und Verbandsorganisationen des Großkapitals. Exemplarisch für den Mittelstand – wegen seiner heutigen Bedeutung – wurde aber auch der Bertelsmann Verlag beleuchtet und zu mindestens im Kapitel über Düsseldorf finden sich auch kleinere Firmen, die vom NS-Regime profitierten. Ebenso gelang den Autoren der Nachweis, dass nach dem Krieg vielfach die Firmenleitungen aktiv verhindert haben, dass es zur Aufdeckung der aktiven Tätigkeit kapitalistischer Firmen an allen Aktivitäten des NS-Regimes kam und dass Opfer des NS-Regimes entschädigt wurden. Auch zur Zwangsarbeiterentschädigung wurden die global agierenden deutschen Unternehmen gezwungen. Mal abgesehen davon, dass nicht alle schuldigen Firmen zahlten und die ausgezahlten Summen nicht einmal annähernd die gemachten Schäden (nichtbezahlter Lohn, Gesundheitsschäden) deckten. Einschränkend muss man allerdings sagen, dass bei einigen wenigen Schlussfolgerungen die „Beweisdecke“ doch etwas dünn bleibt. Zwar gelingt der Nachweis einer „Mitverantwortung“ wichtiger Teile des Kapitals für das „nationalsozialistische Unrechtsregime“ und auch der Nachweis, dass die gesamte Industrie die Kanzlerschaft Hitlers „gleichgültig unter welchen Umständen wünscht“. Es fehlt allerdings am Beweis, dass dies ausschlaggebend für die Entscheidung von Reichspräsident Hindenburg war, Hitler am 30.01.1933 zu berufen. Abträglich für das Buch wirkt allein der Abschnitt „Antikommunismus – die Grundtorheit unserer Epoche“ der Thesen der VVN-BdA (Aachen), wo den Westalliierten vorgeworfen wird aufgrund ihrer antikommunistischen Haltung nicht nur die faschistischen Kriegsvorbereitungen gegen die UdSSR geduldet zu haben, sondern auch durch die späte Landung in der Normandie den Krieg unnötig verlängert zu haben (S. 111). Diese Haltung ist mir zu verkürzt und einseitig. Doch im ganzen gesehen kann das Buch seine Intention, nämlich die Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse über den Anteil, den das deutsche Großkapital am NS-Regime und seiner Verbrechen hatte, erreichen. Allerdings müsste es hierzu eine breite Leserschaft erreichen, was ich ihm sehr wünsche.

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Ulrich Sander (Hrsg.), Von Arisierung bis Zwangsarbeit, Verbrechen der Wirtschaft an Ruhr und Ruhr 1933 bis 1945, 348 S. PapyRossa Verlag, Köln 2012, Euro 16,90, ISBN 978-3-89438-489-0.

Bremen

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. Dezember 2012

Als frühe Hausbesetzer sind sie uns vertraut, die Stadtmusikanten.

Als frühe Hausbesetzer sind sie uns vertraut, die Stadtmusikanten. Ob sie wohl das beliebte Bremer Bier gelockt hat, das hier seit 700 Jahren gebraut wird? In seinem 126 Seiten starken Büchlein geht Johann-Günther König auf liebenswerte Weise von bekannten oder nicht so bekannten Anekdoten und Werbeslogans über Bremen aus. Auswanderung steht dabei im Mittelpunkt, wohin aber und warum? Das erste Auswandererschiff segelte doch erst 1832 vom gerade erworbenen Bremerhaven aus los. Die auch im Rentenalter höchst teamfähigen Flüchtlinge wollten wirklich nach Bremen, mit dem festen Ziel Musiker zu werden. Das taten sie auch 400 Jahre lang bei Staatsempfängen und Hochzeiten. Überhaupt ist Bremen die Stadt der Innovationen. Wie sonst hätte Friedrich Wagenfeld auf das Märchen von den Sieben Faulen kommen sollen? Bremen als Griechenland der Bundesrepublik? Da sei der Roland vor! Schließlich geht es hier um die siebtgrößte Hightechregion, wenn auch die traditionelle Industrie so nicht mehr besteht. Auch die schwierige politische Lage wird erläutert. Friedrich Ebert und Wilhelm Pieck, Ludwig Quidde und Johann Gottfried Seume haben neben Wilhelm Kaisen und Johan Smidt ihren Platz in der Hansestadt gefunden. In gesellschaftlichen Dingen gaben sich die Bremer Pfeffersäcke eher etwas ruppig, von der Niederschlagung der Stedinger, über die Hinrichtung der Friesenhäuptlinge Gerold und Edo bis hin zur Zerschlagung der Bremer Räterepublik. Dafür haben sie sich redlich Mühe gegeben durch Mäzenatentum ein liebenswertes Bild nach außen zu vermitteln. Aber damit nicht genug, werden in Bremen doch alljährlich Literatur- und Friedenspreis vergeben. Schmuck, freie Fahrt und Rechtsprechung ergaben das dreifache Bremer Recht, damit wird der Leser verschmitzt in die Bedeutung Bremer Redensarten eingeführt. Plattdeutsch als Leitkultur? Aus Solidarität mit den Zugereisten wird es als Mischings ins Hochdeutsche eingeführt. Sicher ein lohnenswertes Geschenk für Freunde und Besucher.

Hellers allmähliche Heimkehr

geschrieben von Gerold Fleßner

10. Dezember 2012

Martin Heller ist im besten Alter, ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder, die ihn anfangs ignorieren, aber im Laufe der Zeit annehmen.

Martin Heller ist im besten Alter, ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder, die ihn anfangs ignorieren, aber im Laufe der Zeit annehmen. Er fängt mehr gezwungenermaßen den Job als Chefredakteur einer Tageszeitung in der norddeutschen Kleinstadt an, der er vor 25 Jahren entfloh. Es gibt dort noch ein paar Freunde und Bekannte. Bald lebt er sich ein, lernt eine symphytische Frau kennen und findet eine neue Wohnung. Alles hätte so schön werden können. Doch schnell muss er erkennen, dass sich im Ort nichts verbessert hat. Im Gegenteil – aus den rechtskonservativen Ideen etlicher Bürger ist ein rechtsnationales Gedankengut geworden. Am 1. Mai wird ihm klar, dass da vieles im Argen liegt. Während der Rede des örtlichen DGB-Chefs skandieren einige „Passanten“ Sprüche wie „Ausländerinvasion stoppen“ oder „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“. Als Ordner sie beruhigen wollen, kommt es zum Handgemenge. Erst jetzt schreitet die Polizei ein und greift sich – natürlich – die Ordner und nicht die Neonazis. Der Polizeichef begründet das Vorgehen der Polizei mit Meinungsfreiheit. In der Folgezeit zeigt sich mehr und mehr eine Kameraderie von Polizei, Verfassungsorganen und Honoratioren mit den Neonazis. Bekannt ist auch, dass sie auf einem Bauernhof ungeschoren Wehrsportübungen abhalten, gefördert vom Rektor des Gymnasiums. Bei „unliebsamen“ Bürgern werfen sie Fensterscheiben ein, sprühen Nazi-Schmierereien an den Wänden, demolieren Hellers Auto und traktieren die Zeitung zu Hauf mit Hass-Mails. Doch letztendlich bringt ein Brandanschlag auf das griechische Restaurant viele Bürger soweit, dass sie merken, dass gehandelt werden muss. Am Ende heißt es wie so oft: „Wir hätten nie geglaubt, dass hier so etwas geschehen kann – noch dazu unter den Augen unserer Verfassungsschützer.“ Schrittweise beginnt die miefige Fassade, hinter der sich alle Beteiligten verstecken, zu bröckeln. Heller stellt in einem Kommentar die Frage, was denn noch alles passieren muss, damit endlich gegen die Neonazis ermittelt wird. Der Polizeichef muss gehen, sein Vize wird strafversetzt, weitere Polizisten müssen gehen. Auch der Rektor des Gymnasiums „fliegt“. Am Ende wird auch Heller entlassen – was ihn weder wundert noch berührt. Die Parallelen zum NSU-Skandal sind natürlich nicht zu übersehen (wird im Buch sogar angedeutet). Auch da scheinen sich Nazi-Terroristen und Geheimdienste zu beschützen. Hier gibt es einen Maulkorb, da werden Akten geschreddert und dort hat einer einen Blackout. Das Buch ist nicht zu¬letzt ein eindringlicher Ap¬pell für eine freie Presse. Auch die lokalen Zeitungen und Magazine müssen sich die notwendige Distanz erhalten. Es ist eine kurze und prägnante Geschichte, die es sicher lohnt gelesen zu werden. Wolfgang Bittner ist in Gleiwitz ge¬boren und im ostfriesischen Wittmund aufge¬wachsen. Er ist promovierter Jurist. Seit etwa 50 Jahren ist er als Autor tätig. Mit sei¬nem Buch „Rechts-Sprü¬che – Texte zum Thema Justiz“ sorgte er für Aufsehen. Heute ist er ein viel gefragter Autor und verfasste über 60 Bücher für Erwach¬sene, Jugendliche und Kinder. Er ist auch als freier Mitarbeiter für viele Zeitungen, den Hörfunk und das Fernsehen tätig. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Er erhielt viele Litera¬turpreise (u.a. 2010 den Kölner Karls-Preis). Er ist Mitglied des PEN sowie im Verband deutscher Schriftstel¬ler. Ebenso ist er ein Bildender Künstler (Malerei und Plastiken).

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Johann-Günther König, Bremen, 126 S., davon sechs Seiten Namens- und Ortsregister, Hoffmann und Campe Verlag Hamburg 2012, ISBN 978-3-455-50233-6, 15 Euro

Der achte Zwerg

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. Dezember 2012

Aus gesundheitlichen Gründen ist Minor Jackson Mitte 1945 aus dem Dienst des OSS, des Nachrichtendienstes des amerikanischen Kriegsministeriums, ausgeschieden.

Aus gesundheitlichen Gründen ist Minor Jackson Mitte 1945 aus dem Dienst des OSS, des Nachrichtendienstes des amerikanischen Kriegsministeriums, ausgeschieden. Ein Jahr später etwa beauftragt ihn Franz Oppenheimer (60), jüdischer Emigrant aus Frankfurt/Main, in Deutschland nach seinem Sohn Kurt zu suchen. Immerhin geht es um 1.500 US-Dollar. Den Oppenheimers gelang 1937 die Flucht in die Schweiz und nach Kriegsbeginn im letzten Moment weiter nach England. Kurt Oppenheimer dagegen setzte aus Überzeugung die Untergrundarbeit im deutschen Widerstand fort. Den Kontakt zu Kurt Oppenheimer und seiner Tochter Leah stellt Nicolae Ploscau her, dem Ex-Agent Minor Jackson in Los Angeles das Leben gerettet hat. Ploscau, genannt der Zwerg, ist offenbar nicht nur dem britischen und amerikanischen militärischen Geheimdienst bekannt, hatte er doch gegen 20.000 britische Pfund zu Kriegsende in Rumänien Verstecke für amerikanische Piloten organisiert und Informationen zur Wirkung der Bombenangriffe auf die Ölraffinerien in Ploeşti beschafft. Mit Unterstützung des OSS gehen Jackson und Ploscau nach Frankfurt/Main, um sich dort mit Leah Oppenheim zu treffen und die Spur ihres Bruders aufzunehmen, der inzwischen Nazis jagt und ermordet. Die Suche nach Kurt Oppenheimer wird immer verwirrender. Auch Otto Boddan, ein befreiter Bergen-Belsen-Häftling, ist im Auftrag des sowjetischen Militärgeheimdienstes in Frankfurt/Main auf der Suche nach ihm. Geht es überhaupt darum, seine Jagd auf untergetauchte Nazis zu stoppen? Warum will der britische Geheimdienst unbedingt verhindern, dass er ins britische Mandatsgebiet Palästina geht? Warum interessiert sich Major Gilbert Baker-Bates so auffällig für die Person Nicolae Ploscaus? Warum ist Leah Oppenheimers Jugendfreundin Eva Scheel eng liiert mit Leutnant LaFollette Meyer vom CIC(US Gegenspionage)? Ross Thomas’ Roman „Der achte Zwerg“ führt den Leser in die Nachkriegssituation und den beginnenden Kalten Krieg mit Schwarzmarkt, Prostitution, Mangel an Brennstoff, Zigaretten als Tauschwährung. Vor den Toren der späteren Bundeshauptstadt Bonn kommt die Suche zum überraschenden Ende.

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Ross Thomas, Der achte Zwerg, 350 S. 14,90 Euro, Alexander Verlag Berlin, erste vollständige deutsche Ausgabe April 2012, ISBN 978-3-89581-251-4

Wehrmacht und Konzentrationslager

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. Dezember 2012

Eine Reihe bemerkenswerter Beiträge zur Rolle der Wehrmacht in Neuengamme erschien unlängst bei der Edition Temmen.

Eine Reihe bemerkenswerter Beiträge zur Rolle der Wehrmacht in Neuengamme erschien unlängst bei der Edition Temmen. Sie beruhen weitgehend auf Vorträgen auf einem Workshop Juni 2010 in Neuengamme. Stefan Hördler und Reimer Möller schreiben über den Einsatz von Wehrmachtssoldaten 1944/45 in den KZ-Wachmannschaften, Marc Buggeln geht der Frage nach, ob sich daraus unterschiedliche Bedingungen für die KZ-Häftlinge in den Außenlagern ergaben. Rolf Keller und Christian Römmer beleuchten die Lage der sowjetischen Kriegsgefangenen im KZ, Albert Knoll und Astrid Ley Menschenversuche in Dachau und Sachsenhausen. Dokumentiert wird die Zusammenarbeit der NS-Militärjustiz und der SS bei Vollstreckung von Todesurteilen. Der Band enthält außerdem eine Reihe von Meldungen, Forschungsberichten, Besprechungen. Literaturhinweisen. Dem rassistischen Weltbild folgend wurden 1941/42 in Sachsenhausen und Buchenwald mindestens 19.000 sowjetische Kriegsgefangene ermordet. Weitere 50.000 übergab dir Wehrmacht wegen Arbeitsbummelei der Gestapo. Himmler forderte von der Wehrmacht die Überstellung von 350.000 sowjetischen Kriegsgefangenen für den Arbeitseinsatz. Für Neuengamme unterscheidet Christian Römmer drei Gruppen, etwa 600 ausgesonderte zum Tode bestimmter Kandidaten, 1.000 Arbeitssoldaten, von denen 348 den Winter überlebten, sowie 2-3.000 Kriegsgefangene, die in die Zwangsarbeit entlassen wurden. Hunderttausende Wehrmachtsangehöriger wurden in Stutthof für den Einsatz im KZ geschult. Fast vollständig erhalten sind die Kommandanturbefehle. In Neuengamme kam es wegen der Landung der Alliierten im Herbst 1944 zu einem erheblichen Personalaustausch. Nicht mehr fronttauglichen Offizieren und Unteroffizieren der Wehrmacht wurde die Führung der zahlreichen Außenlager übertragen. Marc Buggeln zufolge stieg ab Herbst 1944 aufgrund der mangelhaften Versorgung und Überbelegung der Unterkünfte die Häftlingssterblichkeit in den KZ-Außenkommandos sprunghaft an. Ein weiterer Komplex des Bandes behandelt medizinische Versuche an KZ-Häftlingen. Dr. Siegmund Rascher führte 1942 in Dachau für die Luftwaffe 300 Versuche mit Unterdruck und 400 Versuche mit Unterkühlung durch. Ab Ende 1944 wurden in Sachsenhausen im Auftrag der Marine leistungssteigernde Medikamente an Häftlingen erprobt

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Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland Band 13 Wehrmacht und Konzentrationslager, Edition Temmen, Bremen 2012, 267 S., 14,90 Euro ISBN 978-3-8378-4033-9

Den NPD-Verbotsprozess begleiten

geschrieben von Raimund Gaebelein

2. Dezember 2012

Eine informative, aber eher durchschnittlich besuchte Landesmitgliederkonferenz führte am 24. November unsere Kameradinnen und Kameraden erneut in die Räume des Arbeitervereins „Use Akschen“.

Eine informative, aber eher durchschnittlich besuchte Landesmitgliederkonferenz führte am 24. November unsere Kameradinnen und Kameraden erneut in die Räume des Arbeitervereins „Use Akschen“. Thomas Willms, Kamerad und Bundesgeschäftsführer, erläuterte aktuelle Entwicklungen für ein erneutes NPD-Verbotsverfahren….Nikolaus angesetzte Innenministerkonferenz hat nun einen erneuten Anlauf für ein Verbot der NPD diskutiert. Als Anregung erhielten sie von unserer Bundesorganisation die ersten 10.000 Unterschriften für ein konsequentes NPD-Verbot….Anhand eines bilderten Rechenschaftsberichts konnten sich die Anwesenheiten noch mal unsere wesentlichen Aktivitäten betrachten, im Kassenbericht gab Regine eine gelungene Übersicht über die wesentlichen Einnahmen- und Ausgabenschwerpunkte. Dabei konnten wir sehen, dass unsere Arbeit Geld kostet, und dass wir neue Mitglieder und reichlich Spenden brauchen. Ohne Gegenstimme wiedergewählt wurden zum Landesvorsitzenden Raimund Gaebelein, Stellvertreterin Marion Bonk, Landeskassiererin Regine Albrecht wie auch die Mitglieder des Geschäftsführenden und des weiteren Landesvorstandes.

Putz und Rosen zum 9. November

geschrieben von Heiner Rosebrock

2. Dezember 2012

Es zeigte sich wie so oft, dass eine gute Öffentlichkeitsarbeit vorher meist Früchte trägt.

Von verschiedenen Orten in Bremen ausgehend: vom Jakob-Wolff-Platz in Vegesack im Nordwesten bis hin zum Gemeindehaus der Brückengemeinden in der Sebaldsbrücker Heerstr. im Südosten des Landes begingen wir den 74. Jahrestag des Reichspogroms gegen Leib und Leben von Jüdinnen und Juden, deren Synagogen, Schulen, Kindergärten, Geschäfts- und Wohnhäusern….Es zeigte sich wie so oft, dass eine gute Öffentlichkeitsarbeit vorher meist Früchte trägt….Das waren jetzt in diesem Jahr deutlich mehr teilnehmende Gruppen als früher….Das Herangehen an (Berufs-) Schulen, Betriebe und weitere Vereinigungen ist bisher immer wieder ohne genügende Antwort geblieben….Manchmal braucht es ja nur einen kleinen Anstoß,

Winter der Welt

geschrieben von Raimund Gaebelein

17. November 2012

Der umfangreiche Roman Ken Folletts spiegelt sein Verständnis des Umbruchs in Europa vom Faschismus zum Kalten Krieg wieder.

Die Familie des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Walter von Ulrich und seiner britischen Frau Maude Fitzherbert erlebt die Zerstörung jeglicher Rechtsgrundsätze nach der Machtübertragung Ende Januar 1933. Maud von Ulrich und die britische Parlamentsabgeordnete Ethel Leckwith, verbunden durch jahrelangen gemeinsamen Kampf um das Frauenwahlrecht, erleben im Berlin des Jahres 33 einen SA-Überfall auf Mauds Zeitungsredaktion. Die Polizei sieht nicht nur tatenlos zu, sondern verhaftet Zeitungsredakteure, die sich dem Überfall entgegenstellen. Bei einer von faschistischen Schlägern gestürmten Wahlkampfveranstaltung lernen Walter und Maud von Ulrich sowie Ethels Sohn Lloyd Williams über den Wissenschaftler Wilhelm Frunze die Gymnasiasten Werner Franck und Wladimir Peschkow kennen, den Sohn des sowjetischen Militärattachés. Sie erleben die Verhaftung von Walters Cousin Robert, seines Lebensgefährten Jörg Schleicher und Lloyd Williams’, als Robert von Ulrich sich weigert, dem Schwager des frisch beförderten Leiters der politischen Abteilung Thomas Macke das Szenerestaurant Chez Robert gegen 20.000 Reichsmark zu verkaufen. In Oranienburg erlebt Lloyd Williams den menschenverachtenden Terror des deutschen Faschismus. Um Robert von Ulrich gefügig zu machen, lässt Macke Roberts Freund Jörg von Hunden zerfleischen. Trotz Massenverhaftung Tausender Arbeiterfunktionäre vertraut Walter von Ulrich immer noch auf den bürgerlichen Anstand, selbst als das Zentrum dem Ermächtigungsgesetz zustimmt. Nach Cambridge zurückgekehrt, organisiert Lloyd Williams Protestkundgebungen gegen das Auftreten britischer Faschisten um Mosley. Als Redner gewinnt er den emigrierten Robert von Ulrich. Lloyd verliebt sich in Daisy, die Tochter des russisch-amerikanischen Magnaten Lev Peshkow. Um gesellschaftlich anerkannt zu werden, heiratet sie jedoch seinen Studienfreund und faschistischen Jugendleiter Boyd, Sohn des Kohlebarons Fitzherbert, Bruder Maud von Ulrichs. Mit seinen Freunden Lenny Griffiths und Dave Williams schließt sich Lloyd Williams 1937 in Spanien den Interbrigaden an, um an der Seite der Spanischen Republik den faschistischen Putsch zurückzuwerfen. An der Belchitefront werden ihm die Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen linken Gruppierungen bewusst. Erneut begegnet er Wladimir Peschkow, der im Auftrag des sowjetischen Nachrichtendienstes nach einem faschistischen Spion in den Reihen der Interbrigadisten fahndet. Lloyd muss erleben, wie aus privaten Rivalitäten Spionagevorwürfe entstehen, wie ein taktischer Rückzug mit Kriegsrecht geahndet wird, dem seine Freunde zum Opfer fallen. Desillusioniert kehrt er nach England zurück. 1940 entkommt er mithilfe französischer Partisanen der deutschen Gefangenschaft. Über Spanien kehrt er nach England zurück und wird für die Fluchthilfe alliierter Gefangener aus dem besetzten Frankreich eingesetzt. Wladimir Peschkow führt der Weg 1939 nach Berlin zurück, wo er im Auftrag des militärischen Nachrichtendienstes GRU ein Nachrichtennetz aufbaut, damit die Sowjetunion frühzeitig über Aufrüstungs- und mögliche Angriffspläne informiert ist. Carla von Ulrich, Werner und Frieda Franck und der ehemalige Zentrumsabgeordnete Heinrich von Kessel erfahren durch intensive Nachforschungen von der systematischen Euthanasie Behinderter. Die Ermordung ihres Vertrauten, Pastor Ochs, und Walter von Ulrichs durch die Politische Abteilung Thomas Mackes bringt sie an die Seite von Wladimir Peschkows Nachrichtengruppe. Es gelingt ihnen, Informationen und Dokumente zum bevorstehenden Angriff auf die Sowjetunion nach Moskau zu senden, die Richard Sorges Meldungen aus Tokio bestätigen. Nach langem Zögern wird Stalin aktiv. Tod und Gefangenschaft Hunderttausender von Rotarmisten und Hunderte von Kilometern Geländegewinn konnte die deutsche Wehrmacht von Juni bis Dezember 1941 erzielen. Zum ersten Mal wird Wladimir Peschkow 1937 mit Berichten über die Entwicklung einer Atombombe konfrontiert. Mithilfe der Physikerin Zoja Worotsyntsow kann er die Berichte verifizieren. Vier Jahre später erhält er Informationen, dass eine Abteilung britischer und amerikanischer Wissenschaftler an der Entwicklung einer Nuklearbombe arbeitet. Greg Peshkov, Daisy Fitzherberts Halbbruder gehört zum Stab Brigadegeneral Grooves, der die Manhattan Engeneer Group überwacht. Zu dieser Gruppe gehört auch der emigrierte Wissenschaftler Wilhelm Frunze aus Berlin. Bei der Moskauer Außenministerkonferenz Oktober 1943 lernt Wladimir Peschkow Woody Dewer kennen, einen Studienfreund seines ihm unbekannten amerikanischen Cousins Greg Peshkovs. Er lässt durchblicken, dass die Eröffnung der zweiten Front in Europa wohl auf sich warten lassen werde, da sich die Aufmerksamkeit der USA auf den Pazifischen Raum und Ostasien konzentriere. Anfang August 1945 platzt in die Hochzeit Wladimirs und Zojas die Nachricht vom Atombombenabwurf auf Hiroschima und Nagasaki. Mit der Verhaftung Zojas wird Wladimir Peschkow dazu gebracht, Wilhelm Frunze in Amerika aufzusuchen, um Kopien der Konstruktionspläne der Bomben zu beschaffen. Zoja wird in der Zwischenzeit im Moskauer Gefängnis Lubjanka festgehalten, um seine Rückkehr zu sichern. Trumans Eindämmungspolitik, Marshallplan, Währungsreform und Luftbrücke sind Schritte zu einem weltweiten Kalten Krieg, die Sowjetunion sichert das Gleichgewicht der Kräfte durch Entwicklung einer eigenen Atombombe. Der umfangreiche Roman Ken Folletts spiegelt sein Verständnis des Umbruchs in Europa vom Faschismus zum Kalten Krieg wieder. Der Leser gerät in eine komplexe Verwicklung handelnder Personen, deren persönliche Beziehungsgeschichte bereits aus dem Band „Sturz der Titanen“ bekannt ist, aber nicht zwingenderweise im zweiten Band „Winter der Welt“ vorausgesetzt wird. Die Zeitspanne der Jahre 1933-49 beschreibt den mittleren Teil von Ken Folletts Jahrhundertsaga. Eindrücklich wird der Terror des deutschen Faschismus dargestellt. Der Abgeordnete Walter von Ulrich hat ein britisches Internat durchlaufen. Seine britische Frau Maud wurde von ihrer adligen Familie ausgestoßen. Bereits im ersten Weltkrieg waren sie Außenseiter. Für ihre demokratische und unkonventionelle Haltung gibt es im Faschismus keine Chance, sie scheitern an ihrer Aufrichtigkeit. Die nächste Generation ist sehr viel stärker den Einflüssen der Zeit ausgesetzt. Sohn Erik nimmt die Phrasen des Faschismus ernst. Aus seiner gutbürgerlichen Erziehung heraus ist es zu erklären, dass er an der Richtigkeit der faschistischen Propaganda zweifelt. Aber es bedarf der Folge von Niederlagen, bis er den vollen Umfang der Lügen sieht. Seine Schwester begreift sehr viel früher die Verlogenheit des Faschismus. Der Autor Ken Follett ist bemüht, die Gründe für die Entstehung des Kalten Kriegs darzustellen. Er verfängt sich nicht in einer Gleichsetzung des Kommunismus mit dem Faschismus. Die Ungesetzlichkeiten des Stalinismus, der große Terror der Jahre 1936/38, die Furcht vor Angriffen auf die sozialistischen Ziele werden angedeutet und in der Beziehung der Familie Peschkow verständlich gemacht. Wladimir Peschkows Vater war ein Held der Oktoberrevolution, Wladimir ist überzeugt von der Richtigkeit der Argumente und wählt die für ihn überzeugende Form zum Aufbau seines Landes und der neuen Gesellschaft: den militärischen Nachrichtendienst. Er wird konfrontiert mit abstoßenden Vorgehensweisen der Geheimpolizei und durchlebt erhebliche Zweifel. Follett urteilt nicht, aber seine Auffassung fließt in das Handeln der dargestellten Personen ein. Auch in die Schilderung der Zurückhaltung einflussreicher Kräfte in den USA vor dem Kriegseintritt und ihrem Hinauszögern der zweiten Front in Europa. Im zögerlichen Handeln der treibenden Kräfte schimmert unverhohlen Profitinteresse als eigentliche Triebkraft der einflussreichen Kräfte in Amerika durch.

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Ken Follett, Winter der Welt, 1023 S. Lübbe Verlag, Köln 2012, 29,99 Euro ISBN 978-3-7857-2465-1

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