Demokratische Kontrolle?

geschrieben von Richard Keßler

14. März 2012

Wer sich einen äußerst spannenden Vortrag erhofft hatte, behielt auch diesmal Recht. Rolf Gössner schilderte auf Einladung der Humanistischen Union am 9. Februar in der Villa Ichon die langjährigen mühevollen Versuche einer öffentlichen Kontrolle des Verfassungsschutzes.

Wer sich einen äußerst spannenden Vortrag erhofft hatte, behielt auch diesmal Recht. Rolf Gössner schilderte auf Einladung der Humanistischen Union am 9. Februar in der Villa Ichon die langjährigen mühevollen Versuche einer öffentlichen Kontrolle des Verfassungsschutzes. Selbst wurde er 38 Jahre lang ausgespäht, weil er sich über Jahre in Niedersachsen als Justiziar der Landtagsfraktion der Grünen und später als Verfassungsrichter und Innendeputierter für die Bremer Linksfraktion um die Entschleierung eines Geheimdienstes bemühte, der sich bislang der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen wusste. Ein Urteil des Kölner Verwaltungsgerichtes legte kürzlich klar, dass nicht etwa Rolf Gössner als irgendwelcher undemokratischer Aktivitäten Verdächtiger ausgeforscht wurde, sondern weil er in seiner Anwaltstätigkeit und seinen Ämtern mit Menschen in Berührung kam, die irgendwie ins Visier der 17 Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder geraten waren. Die Kopien seiner zu 80% geschwärzten Akte ließen sich sehr gut in der Kunsthalle ausstellen. In einem Interview hatte er der Bremer TAZ gegenüber am selben Tag ausgeführt: „die geheimen Strukturen des Verfassungsschutzes (VS) widersprechen den demokratischen Prinzipien der Transparenz und Kontrollierbarkeit. Über seine V-Leute etwa verstrickt er sich zwangsläufig in kriminelle Machenschaften… Die bezahlten V-Leute sind hartgesottene Neonazis, gnadenlose Rassisten und Gewalttäter – sie beobachten nicht bloß. Der VS schützt sie mitunter gegen Ermittlungen der Polizei, schottet sie ab, unterdrückt Beweise.“ Rolf Gössner belegte es mit zahlreichen Hinweisen auf die finanzielle Unterstützung von NPD-Aktivitäten durch den Aufbau eines Informanten-Systems. Der Verbotsprozess 2003 hatte nicht stattfinden können, da die V-Mann-Führer z.T. keinerlei Aussageerlaubnis hatten, die für das Verfahren benannten Zeugen oft selbst und mit Zuwendungen des VS die Beweise produziert hatten, die die aktiv kämpferische Demokratiefeindlichkeit belegen sollten. Um die umwitterten Arbeitsmethoden geheim zu halten, erhalten nicht einmal Richter Einsicht in die Originalakten, die Öffentlichkeit bleibt ausgeschlossen, die Zeugen werden nur aus zweiter Hand zitiert. Rolf Gössners Fazit: die bundesdeutschen Inlandsgeheimdienste müssen soweit möglich einer öffentlichen demokratischen Kontrolle zugeführt werden, wenn schon ihre Auflösung aus Staatsraison nicht möglich erscheint. Sie bleiben ein Fremdkörper im demokratischen Staatswesen, was ihre Entstehungsgeschichte im Kalten Krieg mit Führungspersonal aus Gestapo und SD nahelegt. Ihre Aufgaben könnten effizienter und kontrollierbarer von wissenschaftlichen Forschungsinstituten übernommen werden.

Schwanensterben – Ein Bremen-Krimi

geschrieben von Marion Bonk

14. März 2012

Klappentext:DIE TOTE IM WASSER An einem Novembermorgen wird die Leiche der jungen Russin Sonja Achmatova in einem Wassergraben auf einem Reiterhof am Rande Bremens gefunden. Schnell ist ein Verdächtiger gefunden: ein Pferdepfleger, der ein Verhältnis mit dem Opfer hatte – ein Routinefall für Kriminalhauptkommissar Heiner Hölzle. Doch im Laufe der Ermittlungen entdecken Hölzle und seine Kollegen zunächst Parallelen zu zwei ungeklärten Mordfällen aus den 70er-Jahren und stoßen schließlich auf eine Spur, die bis in das Jahr 1943 reicht …

Was hat der Pferdepfleger Pjotr mit dem Tod der jungen Russin Sonja zu tun, die man an einem Novembermorgen im Wassergraben eines Reiterhofs bei Bremen fand? Heiner Hölzle, der schwäbische Kriminalhauptkommissar, der Bremer Mordkommission und sein Team kommen nur langsam mit ihren Ermittlungen weiter. Sie müssen feststellen, dass es auch Parallelen zu zwei Morden im Rotlichtmilieu von vor 30 Jahren gibt. Was verbirgt sich hinter den alten Aufzeichnungen von Sonjas Großmutter Olga und was haben sie mit Bremen zu tun? Wer ist Valentin, der immer wieder in diesen Aufzeichnungen erwähnt wird. Bis zum unerwarteten Ende bleibt es spannend. Obwohl die Handlung in drei verschiedenen Jahren spielt, bleibt der Leser doch immer auf dem Laufenden und muss nicht zurückblättern, um die Zusammenhänge zu verstehen. Der Bremenbezug ist ganz toll dargestellt, und als Bremer kann man sich wunderbar in den beschriebenen Teilen Bremens zu Recht finden. Für Nicht-Bremer dürfte es vielleicht ein Anreiz sein, Bremen mal zu besuchen und ein wenig auf den Spuren der Beteiligten zu wandern. Für eingefleischte Thrillerfans, zu denen ich nicht unbedingt gehöre, mag dieser Krimi vielleicht etwas zu unblutig sein. Aber das macht gerade diesen Krimi aus. Er geht mehr in die Tiefe und zeigt Details rund um den Mord. Der Bezug auf die Zwangsarbeiter im Dritten Reich ist mal wieder ein Hinweis darauf, dass das Geschehene nicht vergessen werden darf und man sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen sollte. Mit diesem Buch ist den beiden Autorinnen Liliane Skalecki und Biggi Rist eine wunderbare Mischung aus Krimi, Reiseführer und historischem Hintergrund gelungen. Der schwäbische Bremer Kommissar bringt einen immer wieder zum Schmunzeln, wenn er in seinen schwäbischen Dialekt verfällt, was dem Ganzen noch eine humoristische Note verleiht. Ich kann Jedem das Buch nur empfehlen, der mal was Anderes lesen möchte als die harten Krimis bekannter Autoren. Es wäre schön, wenn von diesem Autorenteam noch mehr Romane erscheinen würden. Schwanensterben, von Liliane Skalecki /Biggi Rist, Gmeiner Verlag, ISBN 9783839212301. 422 Seiten, 11,90 €

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das Alphabethaus

geschrieben von Marion Bonk

14. März 2012

Klappentext: Der Absturz zweier britischer Piloten hinter den feindlichen Linien … Ein Krankenhaus im Breisgau, in dem psychisch Kranke als Versuchskaninchen für Psychopharmaka dienen … Die dramatische Suche eines Mannes nach seinem Freund, den er dreißig Jahre zuvor im Stich gelassen hat …

Nach drei Kriminalromanen, Erbarmen, Erlösung und Schändung, hat sich Jussi Adler-Olsen in seinem Roman „Das Alphabethaus“ einem ganz anderen Thema zugewandt. Der erste Teil des Buches beginnt im Jahre 1944. Bei einer Mission über Deutschland stürzen James und Brian, zwei seit ihrer Kindheit engbefreundete englische Piloten, über feindlichem Gebiet ab. Verletzt können sie sich vor ihren Verfolgern in einen deutschen Lazarettzug aus den Osten retten. Mit falscher Identität kommen sie in ein Sanatorium für physisch und psychisch belastete, verwundete höhere Waffen-SS-Offiziere der Ostfront in der Nähe von Freiburg. Nicht nur die an ihnen und anderen vorgenommenen Versuche der Ärzte, sondern auch die Übergriffe einiger Mitpatienten bringen ihr Leben im sogenannten Alphabethaus mehr als einmal in Gefahr. Mit jeder Seite wird man in den Sog der Geschehnisse hineingezogen. Man fiebert mit ihnen, ob ein Entkommen aus dieser Hölle gelingt. Im zweiten Teil des Buches, 28 Jahre später, begibt sich einer der Beiden auf die Suche nach seinem Freund, den er seit Anfang 1945 nicht mehr gesehen hat. Er muss sich in Freiburg seiner nicht aufgearbeiteten Vergangenheit stellen und gerät erneut in einen Strudel aus Schrecken und Grausamkeit. Fast bis zum Ende des Buches fragt sich der Leser, was drei so ehrenwerte und unbescholtene Bürger Freiburgs mit James und Brian zu tun haben. Es ist Jussi Adler-Olsen mit diesem Werk auf eindrucksvolle und manchmal sehr zu Herzen gehende Weise gelungen, nicht nur einen Einblick in die Verbrechen medizinischer Versuche im Dritten Reich zu geben, sondern auch dem Leser auf dem Hintergrund des leider nicht nur erfundenen Untertauchens höherer Waffen-SS-Offiziere nach 1945, das Drama einer Freundschaft nahe zu bringen. Im Anhang des Buches befindet sich eine Aufschlüsselung der im Dritten Reich benutzen Abkürzungen für die verschiedenen Erscheinungsbilder psychischer Erkrankungen. Für dieses Thema sensibilisiert ist Jussi Adler-Olsen wohl aufgrund der langjährigen beruflichen Tätigkeit des Vaters. Außerdem ist es sehr beeindruckend, mit welch akribischer Kleinarbeit Jussi Adler-Olsen das Thema Psychiatrie im Dritten Reich recherchiert hat. Dadurch wirkt der Roman fast wie ein Tatsachenbericht. Ich kann dieses Buch nicht nur jedem Jussi-Fan, sondern auch allen anderen nur sehr empfehlen. Dank der Spannung und des flüssigen Schreibstils mag man es gar nicht mehr aus der Hand legen, wenn man erst einmal damit begonnen hat. Jussi Adler-Olsen „Das Alphabethaus“ erschienen im DTV ISBN 978-3-423-24894-5 589 Seiten 15.90 €

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Bei Einladung Mord

geschrieben von Marion Bonk

14. März 2012

Kappentext: Wie organisiert man seine eigene Ermordung? Herrlich amüsanter Krimi in bester Agatha-Christie-Tradition. – Finanziell ruiniert, geschieden und tödlich erkrankt, überlegt Olivia, wie sie ihr einst so perfektes Leben auf möglichst glamouröse Weise beenden kann. Sie entschließt sich, ihre ärgsten Feinde auf eine private Luxusyacht einzuladen – und ihr Plan geht auf: Bei einem Sturz muss die 43-jährige ihr Luxusleben endgültig hinter sich lassen. Aber war Olivias Tod nun ein Unfall, Selbstmord oder wurde sie gar ermordet? Zumindest hätten alle an Bord ein Motiv für die Tat …

Der neue Kriminalroman von Carmen Posadas beginnt mit einem Zitat aus Agatha Christies Roman „Blausäure“: „Alle hassen Rosemary Barton. Wenn Gedanken töten könnten, hätten sie sie garantiert längst umgebracht.“. Im ersten Teil des Buches wird der Leser mit Einblicken in das Leben Olivia Uriates, ihrer Schwester Agata und von sieben ihrer allerbesten Freunde vertraut gemacht. Zur Feier ihrer Scheidung lädt die Hauptakteurin Olivia Schwester und Freunde zu einer Kreuzfahrt auf der Segeljacht ihres Ex-Mannes ein. Auf der „Sparkling Cyanide“ (Blausäure) erfahren sie, warum sie wirklich eingeladen wurden und warum gerade sie es sind. Nach dem plötzlichen Ableben Olivias auf der Jacht beginnt ihre Schwester Agata im zweiten Teil mit Aufzeichnungen von Begebenheiten kurz vor Olivias Tod. Mit diesen Aufzeichnungen und Recherchen führt sie den Leser langsam zum wahren Grund ihres Todes. Das Puzzle, das Carmen Posadas in ihrem Roman für die Leser versteckt hat, baut sich langsam aber sehr spannend zu einem Ganzen zusammen. Denkt man, man hat wieder ein Stück gefunden, stellt man fest, es könnte auch zu einer anderen Stelle passen. Bis zum Schluss reißt die Spannung nicht ab, und man weiß nicht, war es Mord, ein Unfall oder Selbstmord. Das stellt sich erst am überraschenden Ende heraus. Der Schreibstil von Carmen Posadas ist flüssig und gut verständlich, was dazu führt, dass man das Buch bis zum Ende gar nicht mehr aus der Hand legen mag. Carmen Posadas „Bei Einladung Mord“, edtion zeilenreich, Gütersloh, Februar 2012, 400 Seiten, 16,95 EUR, EAN:206004122352

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4.Antifaschistisches Vernetzungstreffen in Heideruh

geschrieben von Marion Bonk

20. November 2011

Das Hauptaugenmerk dieses Treffens lag in der Auswertung des Antifaschistischen Jugendcamps in diesem Jahr und den ersten Vorbereitungen zum nächsten vom 20.-24. Juli 2012.

Die angebotenen Workshops wurden von den Jugendlichen mit großem Interesse angenommen und sollen nächstes Jahr mit gleichen und anderen Themen fortgesetzt werden. …Nächstes Jahr wird das Camp durch die Jugendlichen des SCI (Service Civil International)Camps erweitert, die schon 14 Tage vorab da sein werden und in Heideruh einen Generationenspielplatz und einen Barfußpfad anlegen werden. …Auch wollen wir versuchen die unterschiedlichen Gruppen, die sich in Heideruh treffen, zusammen zu bringen und sie damit mit einander zu vernetzen.

In den Tod versachleppt

geschrieben von Raimund Gaebelein

20. November 2011

Marion und ich nahmen an einem verregneten Donnerstag an der Stolpersteinsetzung für Hans (10), Erika (8) und Margret Buhlrich (3) in Gröpelingen teil. Erschüttert gedachte ihr Bruder seiner Geschwister, die im Krieg der Euthanasie zum Opfer fielen.

Erneut verlegten am 22. und 23. September Schüler der Alwin-Lonke-Schule Stolpersteine…Schüler der siebten Klassen des Alten Gymnasiums gestalteten Freitagmorgen in beeindruckender Weise mit kleinen Lesungen und Musik die Gedenkveranstaltungen für Anneliese Röttgen (7) in der Bornstraße und für Alfred (48), Wilma (36) und Günter Cohn (12) am Wegesende. …Prof. Karl Holl ließ sich zum 80. Geburtstag die Stolperstein-Patenschaft für Max und Helene Ginsberg schenken, ….Sehr beeindruckend appellierte der Friedensforscher Karl Holl an die Verantwortung der Anwesenden für die Aufrechterhaltung des Gedenkens und die Wachsamkeit vor jeglicher Wiederholung. Dem schwulen Max Kossel widmete der Chor DaCapo-AlDente einen Gedenkstein in der Dijonstraße. …Der bekannte Schriftsteller Johann-Günter König hatte in der Großen Johannisstraße Karoline Katzenstein einen Stolperstein gewidmet, deren Sohn Josef Kastein ein bekannter und zu Unrecht vergessener Bremer Schriftsteller war

Antifaschistischer Rundgang durch das Buntentor

geschrieben von Ingeborg Breidbach

20. November 2011

23 junge und ältere Interessierte, u.a. zwei Mitglieder des Beirates mit ihren Frauen, zu einem Rundgang durch den Stadtteil Buntentor zusammen gefunden

Arbeiterstadtteil war. Hier wohnten viele Sozialdemokraten und Kommunisten…Der Treffpunkt Osterstraße war gewählt worden, weil hier Johann Knief geboren und gewohnt hat…Wir gingen weiter zu dem Gedenkstein für die Toten im Erdbunker, der Pfingsten 1943 von einer Luftmine getroffen wurde. ….In den Anlagen besuchten wir den zweiten Gedenkstein für die 400 Neustädter Juden, die 1941 nach Minsk gebracht und dort ermordet wurden…In der Kantstraße hat unser Kamerad Herbert Breidbach an dem Stolperstein, der an seinen Klassenkameraden Alfred Bostelmann erinnert….Wir gingen weiter zur Waterloostraße. Hier hat sich nach 1945 Jan Onasch ein Haus gekauft. Er war bei dem Matrosenaufstand 1918 in Kiel dabei, der erreichte dass der Kaiser abdanken musste und die Weimarer Republik entstand. ….Der letzte Treffpunkt an diesem Morgen war das Rote Haus im Buntentorsteinweg…Im Hof befand sich die Druckerei, dort wurden Plakate der KPD gedruckt…. Schon im März 1933 besetzte die SA das Haus und richtete im Keller eine Folterstätte ein

Bremer Aktion “Stolpersteine“ seit November im Internet

geschrieben von Herbert Breidbach

20. November 2011

Am 02. November fand im Rathaus eine Würdigung der, im Land Bremen 2004 begonnenen Aktion „Stolpersteine“ statt. Unmittelbarer Anlass dafür war die Vorstellung einer Web-Seite zum „Projekt“ Stolpersteine Bremen. Aus der kann sich nun der Internet- nutzer über den neuesten Stand der Aktion informieren und konkrete Angaben über die Opfer einholen.

Unmittelbarer Anlass dafür war die Vorstellung einer Web-Seite zum „Projekt“ Stolpersteine Bremen. Aus der kann sich nun der Internet- nutzer über den neuesten Stand der Aktion informieren und konkrete Angaben über die Opfer einholen. …Namentlich bekannt sind jedoch über 1.500 Bürger und Bürgerinnen, die von 1933-1945 von den Faschisten umgebracht wurden. …Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und neonazistische Gewalttaten und Organisationen sind nicht verschwunden; die offen verfassungsfeindliche NPD ist nicht verboten. Unsere VVN-BdA ist darum immer bemüht, das Gedenken an die Opfer von damals mit diesen Realitäten des Heute zu verbinden

Zum Internationalen Gedenktag für die Opfer von Faschismus und Krieg

geschrieben von Kristina Vogt

10. September 2011

seit 1947 wird am 2. Sonntag im September in ganz Europa der Opfer von Faschismus und Krieg gedacht.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Freunde,

seit 1947 wird am 2. Sonntag im September in ganz Europa der Opfer von Faschismus und Krieg gedacht. In der BRD allerdings nur in den Hansestädten. In Bremen lud Wilhelm Kaisen am 12. September 1947 zu einer Großveranstaltung der VVN ins Rathaus und legte zwei Tage später den Grundstein für das Feld K für KZ-Häftlinge auf dem Osterholzer Friedhof. Die Bremische Bürgerschaft rief damals zur Teilnahme auf: Diese beiden Veranstaltungen werden für Bremen eines der Zeugnisse ablegen, in welcher die Gesinnung und die Auffassung der Lebenden für die Toten dokumentiert wird.“ Eberhard Peters schrieb am 09. September 1947 im Weser Kurier: „Der deutsche Staat ist ein Scherbenhaufen geworden, und auf dem gigantischen politischen Friedhof, den er hinterlassen hat, sollte auf jedem Gedenkstein für seine toten politischen Häftlinge und Soldaten stehen: „Für gewisse Konzerninteressen geopfert“. Das wäre die nackte Wahrheit… Die Toten mahnen – damit nicht unsere Kinder dem selben Moloch geopfert werden.“

Wir stehen heute an der Ostertorwache, einem Biedermeiergefängnis, einem wilheminischen Kerker, der Gestapofolterhölle, und bis in die Neunziger eine Wache, die zahlreiche TeilnehmerInnen von Demonstrationen von innen erleben „durften“ und zu letzt, auch das passt in die unsägliche Tradition, ein Abschiebeknast. Die Statue „Freiheitskämpfer“ von Fritz Crämer erinnert an die Gestapo-Opfer, die hier verhört und gefoltert wurden. Nach langen vorbereiteten Listen wurden Arbeiterfunktionäre am Tag nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 verhaftet. Vor ihrer Einlieferung ins KZ Mißler saßen hier auch der ehemalige Präsident der Bremischen Bürgerschaft August Hagedorn, und der Senator Willy Dehnkamp. 1944 waren bis zu 260 Männer und 98 Frauen zur gleichen Zeit in diesen Zellen eingesperrt, darunter wegen „Arbeitsbummelei“ mehr als 100 Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion.

Die Gestapo-Zentrale befand sich am Wall. Dort fanden die berüchtigten „Sonderbehandlungen“ der Gestapoleiter Herlein und Frieden statt. Drei große Prozesse gegen mehr als 200 Mitglieder von Arbeiterparteien wegen Fortsetzung ihrer politischen Arbeit und Fortführung ihrer Strukturen wurden vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht verhandelt. Das Bremer Sondergericht fällte 54 Todesurteile, von denen 45 vollstreckt wurden.

Wer nun aber denkt, der Terror des Nazi-Regimes gegen Arbeiter und ArbeiterInnen, gegen Menschen jüdischen Glaubens, gegen politisch anders Denkende, gegen Menschen, die einen anderen Lebensentwurf oder eine andere Sexualität lebten als es das Weltbild der Nationalsozialisten vorsah, sei seit 1945 Geschichte, der irrt. Rassismus und Ausgrenzung bestimmen in Europa längst wieder den politischen Zeitgeist und diktieren damit nicht nur vielen Mitbürgern und MitbürgerInnen einen unerträglichen Alltag, der zuweilen auch Todesopfer fordert, wenn braune Schlägerbanden ihre Vorstellung von „national befreiten Zonen“ in die Tat umsetzen. Nein Rassismus und Ausgrenzung bestimmen längst auch wieder politische Entscheidungen. Überall in Europa feiern rechtspopulistische Parteien Wahlerfolge und stellen sogar – wie in Ungarn – die Regierung. Asyl- und Aufenthaltsgesetzgebung wurden in den letzten Jahren EU-weit verschärft um die wenigen, die es trotz eines unerklärten Krieges an den EU-Außengrenzen, schaffen als Flüchtlinge nach Europa zu kommen, möglichst schnell wieder los zu werden.

Ein antimuslimischer Rassismus vergiftet auch hier das Klima. Zugleich darf man in der BRD wieder ungestraft gegen alle der so genannten Unterschicht hetzen: gegen Hartz-IV-EmpfängerInnen, SozialhilfebezieherInnen und auch gegen Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Man darf nicht vergessen, dass ein Thilo Sarrazin zunächst gegen Hartz IV-EmpfängerInnen wetterte, bevor er die BRD durch die angeblich natürliche Dummheit und die Fruchtbarkeit von MigrantInnen bedroht sah. Ausgrenzung und Hetze gegen MigrantInnen und Menschen, die in dieser kapitalistischen Gesellschaft von vielen für überflüssig angesehen werden, weil sie angeblich nichts leisten, findet man in allen Gesellschaftsschichten. Aber wenn Vertreter aus Politik und Wirtschaft mediengerecht ihre Parolen verbreiten dürfen; dann kann man getrost behaupten: das rechte Lager bekommt sein Fanal von ganz oben.

Welche Auswirkungen das hat, haben wir vor wenigen Wochen in Norwegen erlebt: 77 Meschen starben bei den Anschlägen, die Anders Breivik verübt hat. Er ermordete 77 Menschen, weil sie nicht in sein Weltbild passten. In einem 1.500-seitigen Manifest voller Hass gegen EinwandererInnen und SozialistInnen machte er deutlich, dass für ihn alle auf die Todesliste gehören, die seinem Ideal von Weltbeherrschung durch eine auserwählte Kaste nicht entsprechen. Der Attentäter von Oslo steht nicht alleine. Er war Mitglied der rassistischen norwegischen Fortschrittspartei. Vorbilder hatte er im amerikanischen Oklahoma-Bomber Timothy McVeigh und im Oktoberfest-Attentäter Gundolf Köhler. Wie sie steht er in der Tradition des Faschismus, geprägt durch Wehrsportübungen und Fortschrittshass.

In einem politischen Zeitgeist, in dem Angst vor MigrantInnen, vor allem vor muslimischen MigrantInnen, geschürt wird, fühlen sich solche rechten Mörder sicher und im Recht.

Bremen hat am 22. Mai dieses Jahr gewählt. Bei der sehr niedrigen Wahlbeteiligung konnte nicht verhindert werden, dass die faschistische NPD in die Beiräte Gröpelingen und Blumenthal eingezogen ist, und sechs weitere Mandate an die rechtspopulistischen „Bürger in Wut“ fielen. Beide Parteien stellen das nachhaltige Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Muttersprache und Religion in Frage. Sie nutzen die Perspektivlosigkeit vieler Erwachsener und Jugendlicher, um Hass und Diskriminierung gegen Teile der Bremer Bevölkerung zu schüren. Beide Parteien haben sich nur gezwungener Maßen von dem doppelten Anschlag in Norwegen distanziert.

156 Menschen wurden seit 1190 durch faschistische und rechte Schlägertrupps ums Leben gebracht. Sie sprachen türkisch, hatten eine schwarze Hautfarbe, hörten gerne Punkmusik, waren politisch links orientiert oder einfach nur obdachlos.

Wir gedenken hier an dieser Stelle der Opfer des Faschismus damals und heute. Ihre Namen sollen nicht vergessen sein, sonst kann sich faschistische Gewalt jederzeit wiederholen. Die Voraussetzungen dafür sind leider gegeben: soziale Kälte und die elitäre Vorstellung des Rechts des Stärkern sind in unseren Gesellschaftsstrukturen eingebettet. Es ist unsere Sache, für eine Gesellschaft einzutreten, in der kein Platz für Ausbeutung und Ausgrenzung und in letzter Konsequenz daher auch kein Platz für einen Genozid ist, wie wir ihn durch die Nationalsozialisten erlebt haben. Wir fangen heute im Kleinen an, hier an dieser Stelle.

Zum Internationalen Gedenktag für die Opfer von Faschismus und Krieg

10. September 2011

11.09.2011

Zum Internationalen Gedenktag für die Opfer von Faschismus und Krieg

Sonntag, 11. September 2011, 11:00 Uhr

an Fritz Cremers Figur „der Freiheitskämpfer“ am rechten Seiteneingang der Ostertorwache

Es spricht Kristine Vogt (MdBB die Linke). Es spielt Aline Barthélémy. Im Anschluss Besichtigung der Gedenkstätte.

Sonntag, 11. September 2011, 11:00 Uhr an Fritz Cremers Figur „der Freiheitskämpfer“ am rechten Seiteneingang der Ostertorwache Es spricht Kristine Vogt (MdBB die Linke). Es spielt Aline Barthélémy. Im Anschluss Besichtigung der Gedenkstätte.

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