Barcelona Gurs Managua – Auf holprigen Straßen durch das 20. Jahrhundert

geschrieben von Hartmut Stinton

10. April 2012

Was dieses Buch auszeichnet, ist das stets spürbare humanistische Engagement des Autors ohne jedes Pathos.

Durch die „junge Welt“ aufmerksam geworden, nahmen Jürgen Karbe und ich am 21. V. mit ca. 60 weiteren Interessierten an einer 2-stündigen Hafenrundfahrt, veranstaltet vom Verein „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik e. V.“ und dem Landesjugendring, in einer Barkasse teil. Treffpunkt war auf der Fußgängerbrücke zur Speicherstadt an der Fahne der Spanischen Republik (rot-gelb-lila), die anschließend am Heck der Barkasse flatterte. Während der Fahrt wechselten sich drei Kameraden ab, uns, von rumgereichten Fotos unterstützt, über den Widerstand im Hafen und die vielen Zwangsarbeiterlager dort selbst zu informieren. Das war sehr informativ, wurde aber leider oft trotz Verstärkung vom Tuckern des Motors übertönt. Im Widerstand spielte auch Dagobert Biermann, Wolf Biermanns Vater, eine wichtige Rolle. Interessant war auch die Begegnung mit einem Schlepper der Reederei Fairplay. Letztere wurde arisiert und als einzige nach einigen Auseinandersetzungen nach dem Faschismus der jüdischen Besitzerin, die emigriert war, zurückgegeben. Anschließend wurde im Duckdalben, Begegnungsstätte für Seeleute in Veddel, nach Kaffee und Kuchen mit Liedern des Spanischen Bürgerkriegs, in der Eingangshalle eine Gedenktafel für Wolfgang Hoffmann feierlich enthüllt. Dieser Spross einer sozialdemokratischen, jüdischen Wiener Familie wurde Kommunist und Seemann, kämpfte in den Internationalen Brigaden in Spanien, fiel den deutschen Faschisten in Belgien in die Hände und wurde im Lager Groß-Rosen zu Tode gebracht. Ehrengast war Gert Hoffmann, der fünf Jahre jüngere Bruder des Geehrten. Er ließ auch seine äußerst lesenswerte Biographie „Barcelona GursManagua – Auf holprigen Wegen durch das 20. Jahrhundert“ verkaufen. 1917 geboren, wurde auch er Kommunist und von der Schulbank weg, noch unter den Austrofaschisten, wegen Widerstands verhaftet und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Nachdem die Nazis anlässlich ihrer Übernahme Österreichs alle politischen Gefangenen amnestiert hatten, konnte er nach Spanien zu den Interbrigaden fliehen. Nach deren Niederlage wurde er in Gurs und anderen französischen Lagern interniert und schlug sich mit falschen Papieren als Spanier in Frankreich durch. Auf der Suche nach seiner Mutter in Belgien erfuhr er, dass auch beide Eltern von den Nazis ermordet wurden. Mit den Nachkriegsjahren in Wien, seiner Heirat und 2 Töchtern unterbrach Gert seine biografischen Anmerkungen und schloss mit Berichten aus den achtziger und neunziger Jahren über seine Solidaritätsarbeit und die erneute Niederlage in Nicaragua. Was dieses Buch auszeichnet, ist das stets spürbare humanistische Engagement des Autors ohne jedes Pathos. „Wenn meine Kinder mich heute fragen, ob ich zu meinen Jugendidealen stehe, antworte ich ihnen: Meine Träume von damals haben sich nicht erfüllt. Um ihre Verwirklichung haben sich unzählige Menschen bemüht und dafür große Opfer gebracht. Ich kann mich damit nicht abfinden, dass es unmöglich sein soll, der Gerechtigkeit in dieser Welt zum Durchbruch zu verhelfen.“ Gert Hoffmann: Barcelona Gurs Managua – Auf holprigen Straßen durch das 20. Jahrhundert, Berlin 2009, S. 251, 24,90 €

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Tiefe Wunden

geschrieben von Marion Bonk

10. April 2012

Eigentlich sollte man bei Krimireihen ja mit dem ersten Band anfangen, aber als Antifaschist konnte ich nicht anders und musste mit dem 3. Band der Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff Reihe von Nele Neuhaus zu beginnen.

Eigentlich sollte man bei Krimireihen ja mit dem ersten Band anfangen, aber als Antifaschist konnte ich nicht anders und musste mit dem 3. Band der Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff Reihe von Nele Neuhaus zu beginnen. Die beiden Ermittler werden zu der Leiche eines erschossenen 92-jährigen Holocaust-Überlebenden gerufen. Es gibt nur einen einzigen Hinweis, die Zahl 16145, die mit Blut auf einen Spiegel geschrieben ist.. Bei der Obduktion findet man eine Tätowierung unter der Achsel, die die Frage aufwirft, ob der Tote David Josua Goldberg bei der SS war. Von oberster Stelle wird die weitere Ermittlung in diesem Fall untersagt. Innerhalb weniger Tage kommt es zu zwei weiteren Morden an Menschen im Alter von Goldberg. Jedes Mal taucht wieder die geheimnisvolle Zahl 16145 auf. Aber was haben die alte Dame aus der vornehmen Seniorenresidenz und der unverbesserliche Alt-Nazi (sein Keller ist angefüllt mit Erinnerungen aus der Nazizeit) mit Goldberg zu tun? Außer dass alle drei mit der ebenfalls alten Clanchefin Vera Kaltenberg bekannt waren, lässt sich keine Verbindung finden. Die Ermittler stehen vor vielen ungelösten Rätseln und Problemen in der Familie Kaltenbach und deren Firma. Schnell wird klar, dass der vermeintliche Selbstmord eines Tatverdächtigen nur auf eine falsche Fährte führen soll. Auf dem Höhepunkt des Krimis führen Pia Kirchhoff ihre Ermittlungen in das ehemalige Ostpreußen, wo es zur dramatischen Auflösung des Falles kommt. Ein spannender und nah an der Wirklichkeit geschriebener Krimi. Es ist schwer zu glauben, dass es sich „nur“ um einen Roman handelt. Vieles, was dort beschrieben wird, ist mit Sicherheit auch während der NS-Zeit und danach geschehen. Es mahnt uns auch weiterhin, unser Ziel, den Faschismus zu bekämpfen, nicht aus den Augen zu verlieren. Nele Neuhaus, Tiefe Wunden, Taschenbuch: 480 Seiten, Verlag: List Taschenbuch, ISBN-10: 3548609023

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Gefährliche Lieder

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. April 2012

Das Buch mag verwirrend sein, so vielgestaltig sind Erfahrungen und Auftreten der befragten Zeitzeugen.

Das Buch mag verwirrend sein, so vielgestaltig sind Erfahrungen und Auftreten der befragten Zeitzeugen. Es erinnert daran, dass ein schräger Ton, ein individuell geschlungenes Halstuch, die Sehnsucht nach anderen Lebensformen, nach einer eigenständigen Fahrt in unbekannte Fernen in den Augen der Herren des sogenannten Dritten Reichs ausreicht, um als unangepasst und widerständig verhaftet, verhört, eingesperrt zu werden. Der Umgang mit den Traditionen und den Liedern der bündischen Jugend und der Pfadfinderbewegung war in den allerersten Jahren nach der Machtübertragung an den Faschismus zwiespältig, war doch ein großer Teil der bürgerlichen Jugend 1917 begeistert in den Krieg gezogen. Verdächtig machte sich jedoch bereits recht früh, wer positive Seiten im Aufbruch der jungen der Sowjetunion sehen wollte, wer die internationale Gemeinschaft in den Vordergrund stellte, nach eigenen Lebensformen suchte. „Hinzu kommt, dass die Lieder dieser Bünde durch ihren Text, Rhythmus [sic!] und Melodie nach den übereinstimmenden Angaben aller vernommenen Personen eine ungleich stärkere Begeisterung zu erwecken vermögen als die Lieder der Hitlerjugend“, so die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach 1935. Zwölf Zeitzeugnisse spiegeln eine gewisse Bandbreite der unangepassten Jugend wider, sie kamen aus Handwerker- oder Arbeiterfamilien, die Eltern hatten frühzeitig Zusammenstöße mit den Nazis. Lieder der Kölner Edelweißpiraten, des Nerother Wandervogel, der katholischen Sturmschar, der Kölner Navajos, des Christliches Jungvolks, der Deutsche Freischar, der St. Georgs Pfadfinder, der Deutschen Jungenschaft 1.11. runden die persönlichen Zeugnisse ab. Es handelt sich nicht um eine geschlossene Darstellung der bürgerlichen oder proletarischen Jugendbewegung der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. „Gefährliche Lieder“ erhebt nicht den Anspruch umfassend den Jugendwiderstand gegen die NS-Herrschaft in Deutschland darzustellen. Im Mittelpunkt dieses regionalgeschichtlichen Werks stehen Zeitzeugenaussagen ehemaliger widerständischer Jugendlicher in Bild und Ton. Der Stadt Köln und dem Landschaftsverband Rheinland ist für ihre Unterstützung dieses Projekts des Edelweißpiratenclubs zu danken. Das Buch von Doris Warheid, Jörg Seyffarth, Jan Krauthäuser „Gefährliche Lieder – Lieder und Geschichten der unangepassten Jugend im Rheinland 1933-1945“, ist kürzlich im Emons-Verlag erschienen. Es hat 191 Seiten und eine einliegende Lieder-CD und es kostet 19,95 EUR (ISBN 978-3-89705-742-5).

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Deutschland und „seine“ Kroaten

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. April 2012

Tagtäglich bringen Radio, Zeitungen und Fernsehen Informationshäppchen zu den Ereignissen 1989/90 und versuchen die augenblicklichen wirtschaftlichen Sorgen zur Seite zu drängen.

Tagtäglich bringen Radio, Zeitungen und Fernsehen Informationshäppchen zu den Ereignissen 1989/90 und versuchen die augenblicklichen wirtschaftlichen Sorgen zur Seite zu drängen. Im Windschatten der Ereignisse vollzog sich der Zerfall der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens. Der frühere ARD-Korrespondent Ulrich Schiller erhellt im vorliegenden Buch die Hintergründe des mörderischen Bürgerkriegs in Bosnien. Er kennt die Herzegowina noch von 1953, hat Freunde an der Neretva, dem legendären Fluss der Partisanenkämpfe im 2. Weltkrieg. Er beschreibt aufs Tiefste erschüttert die Spuren, die der Völkermord der kroatischen Ustaša an den Serben, Juden und Roma im KZ Jasenovac in der gesamten Region bis heute hinterlassen hat. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht im April 1941 begannen Verhaftungen von Serben in der Herzegowina, vier Monate später die Zusammentreibung und Erschießung. Einzelheiten konnten erst 1957 in einem Prozess enthüllt werden. Die Ustaša organisierte sich als Geheimbund, plante 1934 das Attentat auf den jugoslawischen König und schuf 1941 unter deutscher Schutzherrschaft ein Großkroatien unter Einschluss Bosniens. Die Partisanenbewegung siegte, die Briten überstellten die nach Österreich geflohenen Ustaša-Faschisten an die Partisanenarmee Titos, der kroatische Führer Ante Pavelic floh über die Rattenlinie nach Argentinien. Die katholische Kirche entwickelte eine Gedenktradition für die Opfer der Repressalien durch die Partisanen Titos. Der Kalte Krieg ermöglichte die Entstehung und Ausbreitung kroatischer Exilverbände vor allem im Süden der Bundesrepublik, Geheimdienstverflechtungen und Bombenanschläge inbegriffen. Auch in Jugoslawien wuchs seit Anfang der 70er Jahre der kroatische Nationalismus. Die Kriegsverbrechen der 90er Jahre führt Ulrich Schiller zurück auf die nur spärliche Aufarbeitung der kroatisch-serbischen Spannungen unter Tito. Der frühere Partisan und Universitätsprofessor Franjo Tudjman wandte sich stärker dem kroatischen Nationalismus zu, sammelte nach Titos Tod auf ausgedehnten Reisen Exilkroaten und versicherte sich 1990/91 wiederholt der Unterstützung der deutschen Außenpolitik für seine Abspaltungspläne. Erneut wurden Krajina und Neretva Ziele von Säuberungsaktionen gegenüber Nicht-Kroaten. „Unabweisbar stellt sich dem Autor alsbald die Frage deutscher Mitverantwortung“ schreibt Hans Koschnick in seinem Vorwort. Am 11.9.94 und am 7.2.96 war der UN-Administrator für Mostar selbst Ziel kroatischer Anschläge. Kroatiens Präsident Stipe Mesic geht es heute darum, dass die Vergangenheit nicht unter einer verharmlosenden Relativierung der Ustaša-Verbrechen entsorgt wird. Ein kleines zartes Pflänzchen Hoffnung. Ulrich Schiller, Deutschland und „seine“ Kroaten, Vom Ustaša-Faschismus zu Tudjmans Nationalismus, 227 S., 14,80 Euro, Donat Verlag Bremen 2010 ISBN 978-3-938275-70-2

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Reden vor Gericht, Plädoyers in Text und Ton

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. April 2012

Dem Angeklagten konnte bestenfalls die Entwendung des Hammers nachgewiesen werden, mit dem der Einbruch in die Kasse verübt wurde, der wurde schließlich beim Angeklagten in unmittelbarer Umgebung des Tatorts gefunden

Am 02. September endlich wurde in der Buchhandlung Leuwer das langerwartete Buch aus der Feder von Heinrich Hannover vorgestellt. Vor zahlreich erschienenem Publikum präsentierte er Ausschnitte zweier Fälle aus den 60er bis 80er Jahren. Um bei Ehrengerichtsverfahren originalgetreue Aussagen zur Verfügung zu haben, fertigte er mit Genehmigung der Gerichte Tonbandmitschnitte seiner Plädoyers. Diese bemerkenswerten Zeitzeugnisse lassen sich nun dank einer beigefügten CD auch im Originalton verfolgen, sorgfältig eingeleitet und mit Hintergründen kommentiert durch Heinrich Hannover. Der Fall des nigerianischen Medizinstudenten Effi Oku führt uns in die Zeit der sogenannten Studentenunruhen 1967 zurück. Bei einer Demonstration im Hauptbahnhof gegen die Abschiebung Effi Okus, eines nigerianischen Medizinstudenten, nahm die Hamburger Polizei zwei Personen wegen Landfriedensbruchs fest, die ihnen besonders aufgefallen waren. Studenten hatten eine schützende Mauer um Effi Oku gebildet. Um einer Klage wegen exzessiver Polizeigewalt zuvorzukommen, erging Strafanzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Anhand von Filmaufnahmen konnten die belastenden Aussagen der Polizisten entkräftet werden. In seinem Plädoyer belegte Heinrich Hannover die Haltlosigkeit der Abschiebung. Die Verfügung wurde Effi Oku zugesteckt, als er in das zum Abflug bereite Flugzeug gebracht wurde. Der gesetzlich vorgesehene Rechtsweg wurde ihm vorenthalten. Er verschwand auf Nimmerwiedersehen. In einem zweiten vorgetragenen Fall führte uns Heinrich Hannover in die Welt eines Kneipeneinbruchs. Trotz einer hinreichenden Fülle an einschlägigen Vorstrafen und trotz zahlreicher Indizien vermochte er es, eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit zu erwirken. Dem Angeklagten konnte bestenfalls die Entwendung des Hammers nachgewiesen werden, mit dem der Einbruch in die Kasse verübt wurde, der wurde schließlich beim Angeklagten in unmittelbarer Umgebung des Tatorts gefunden. Unter großem Beifall eines sehr interessierten Publikums trug Heinrich Hannover abschließend mehrere seiner bundesweit berühmten Kindergeschichten vor. Heinrich Hannover, Reden vor Gericht, Plädoyers in Text und Ton, Hardcover mit einer Audio-CD, 250 S., zahlreiche Abbildungen, Papyrossa Verlag Köln, EUR 29,90, ISBN 978-3-89438-438-8 Raimund Gaebelein

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Bei Einladung Mord

geschrieben von Marion Bonk

14. März 2012

Kappentext: Wie organisiert man seine eigene Ermordung? Herrlich amüsanter Krimi in bester Agatha-Christie-Tradition. – Finanziell ruiniert, geschieden und tödlich erkrankt, überlegt Olivia, wie sie ihr einst so perfektes Leben auf möglichst glamouröse Weise beenden kann. Sie entschließt sich, ihre ärgsten Feinde auf eine private Luxusyacht einzuladen – und ihr Plan geht auf: Bei einem Sturz muss die 43-jährige ihr Luxusleben endgültig hinter sich lassen. Aber war Olivias Tod nun ein Unfall, Selbstmord oder wurde sie gar ermordet? Zumindest hätten alle an Bord ein Motiv für die Tat …

Der neue Kriminalroman von Carmen Posadas beginnt mit einem Zitat aus Agatha Christies Roman „Blausäure“: „Alle hassen Rosemary Barton. Wenn Gedanken töten könnten, hätten sie sie garantiert längst umgebracht.“. Im ersten Teil des Buches wird der Leser mit Einblicken in das Leben Olivia Uriates, ihrer Schwester Agata und von sieben ihrer allerbesten Freunde vertraut gemacht. Zur Feier ihrer Scheidung lädt die Hauptakteurin Olivia Schwester und Freunde zu einer Kreuzfahrt auf der Segeljacht ihres Ex-Mannes ein. Auf der „Sparkling Cyanide“ (Blausäure) erfahren sie, warum sie wirklich eingeladen wurden und warum gerade sie es sind. Nach dem plötzlichen Ableben Olivias auf der Jacht beginnt ihre Schwester Agata im zweiten Teil mit Aufzeichnungen von Begebenheiten kurz vor Olivias Tod. Mit diesen Aufzeichnungen und Recherchen führt sie den Leser langsam zum wahren Grund ihres Todes. Das Puzzle, das Carmen Posadas in ihrem Roman für die Leser versteckt hat, baut sich langsam aber sehr spannend zu einem Ganzen zusammen. Denkt man, man hat wieder ein Stück gefunden, stellt man fest, es könnte auch zu einer anderen Stelle passen. Bis zum Schluss reißt die Spannung nicht ab, und man weiß nicht, war es Mord, ein Unfall oder Selbstmord. Das stellt sich erst am überraschenden Ende heraus. Der Schreibstil von Carmen Posadas ist flüssig und gut verständlich, was dazu führt, dass man das Buch bis zum Ende gar nicht mehr aus der Hand legen mag. Carmen Posadas „Bei Einladung Mord“, edtion zeilenreich, Gütersloh, Februar 2012, 400 Seiten, 16,95 EUR, EAN:206004122352

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Rachemotive

geschrieben von Raimund Gaebelein

14. März 2012

Klappentext: Zum Frühstück ein Mord – und Knall auf Fall befindet sich der ehemalige Studienrat Christian Strasser in der Rolle des einzigen Zeugen. Das Opfer des morgendlichen Schießfeuers ist der Franzose Didier Moriot, ehemaliges Mitglied der französischen Waffen-SS, die im Zweiten Weltkrieg an der Seite der Nazis für die Erfassung, Verhaftung und den Abtransport französischer Juden in die Vernichtungslager sorgte. Kommt der Killer aus dem Milieu der Épuration Sauvage, einer antifaschistischen Gruppierung, die sich der Rache an Kollaborateuren verschrieben hat?

Christian Strasser wird in einem Hamburger Café zufällig Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei französischen Geschäftsleuten. Als er kurz zur Toilette geht, fallen Schüsse, und der Händler Didier Moriot liegt tot am Boden. Als 19jähriger hatte sich Strasser in die Studentin Alexandrine Didier aus Neuilly bei Paris verliebt. Ob der 65jährige Tote wohl ihr Vater ist? Strasser möchte es genauer wissen und begibt sich auf die Suche nach seiner Jugendliebe. Das elterliche Haus ist inzwischen abgerissen, aufwändig gestalten sich Strassers Nachforschungen bei Polizei und Ämtern, im Telefonbuch, bei Zufallsbekanntschaften. Anlässlich der Beisetzung Moriots in Carcassonne macht er Bekanntschaft mit Kriminalkommissar Savarin. Von ihm erfährt er Näheres über Moriots Vergangenheit bei der französischen Waffen-SS. Kurz darauf fällt Savarin einem Anschlag zum Opfer. Strasser wird klar, dass er als Tatzeuge selbst gefährdet ist. Unter dem Schutz des ehemaligen Fremdenlegionärs Daniel Fourmonts vom Geheimdienst begibt er sich auf die Spur Alexandrine Didiers in Andorra. Von ihr erfährt er mehr über die Verbrechen ihres Vaters und von einem bevorstehenden Kameradschaftstreffen der Waffen-SS in Andorra. Ein erneuter Anschlag erfolgt. Die weitere Spurensuche führt Strasser und Fourmont ins italienische Bergamo, wo die Polizei stark von alten und neuen Faschisten unterwandert ist. Fiel Didier Moriot einem Fememord alter Kameraden oder einem Racheakt der Épuration Sauvage zum Opfer, einer Gruppe, die sich für legitime Rächer faschistischer Kriegsverbrecher hält und Rückhalt in der französischen Polizei hat? Melzers Romanfragment liest sich spannend, der sprachunkundige Leser ist allerdings gleich anfangs vom Gebrauch französischer und gegen Ende von italienischen Redewendungen verwirrt, die häufig ohne nochmalige Wiederholung in deutscher Sprache dastehen. In der zweiten Hälfte folgt eine unerwartete Fülle an Stichworten zu Verbindungen zwischen internationalen Geheimdiensten zu faschistischen Kameradschaften und terroristischen Vereinigungen, deren Wirken eigentlich einen sehr stark erweiterten Roman erwarten lassen, in dem Spuren der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte aufgedeckt werden. Wolfgang Melzer, Nach dem Tod ist vor der Geburt, Schardt Verlag Oldenburg 2011, 187 S., 12,80 Euro, ISBN 978-3-89841-601-6

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Schwanensterben – Ein Bremen-Krimi

geschrieben von Marion Bonk

14. März 2012

Klappentext:DIE TOTE IM WASSER An einem Novembermorgen wird die Leiche der jungen Russin Sonja Achmatova in einem Wassergraben auf einem Reiterhof am Rande Bremens gefunden. Schnell ist ein Verdächtiger gefunden: ein Pferdepfleger, der ein Verhältnis mit dem Opfer hatte – ein Routinefall für Kriminalhauptkommissar Heiner Hölzle. Doch im Laufe der Ermittlungen entdecken Hölzle und seine Kollegen zunächst Parallelen zu zwei ungeklärten Mordfällen aus den 70er-Jahren und stoßen schließlich auf eine Spur, die bis in das Jahr 1943 reicht …

Was hat der Pferdepfleger Pjotr mit dem Tod der jungen Russin Sonja zu tun, die man an einem Novembermorgen im Wassergraben eines Reiterhofs bei Bremen fand? Heiner Hölzle, der schwäbische Kriminalhauptkommissar, der Bremer Mordkommission und sein Team kommen nur langsam mit ihren Ermittlungen weiter. Sie müssen feststellen, dass es auch Parallelen zu zwei Morden im Rotlichtmilieu von vor 30 Jahren gibt. Was verbirgt sich hinter den alten Aufzeichnungen von Sonjas Großmutter Olga und was haben sie mit Bremen zu tun? Wer ist Valentin, der immer wieder in diesen Aufzeichnungen erwähnt wird. Bis zum unerwarteten Ende bleibt es spannend. Obwohl die Handlung in drei verschiedenen Jahren spielt, bleibt der Leser doch immer auf dem Laufenden und muss nicht zurückblättern, um die Zusammenhänge zu verstehen. Der Bremenbezug ist ganz toll dargestellt, und als Bremer kann man sich wunderbar in den beschriebenen Teilen Bremens zu Recht finden. Für Nicht-Bremer dürfte es vielleicht ein Anreiz sein, Bremen mal zu besuchen und ein wenig auf den Spuren der Beteiligten zu wandern. Für eingefleischte Thrillerfans, zu denen ich nicht unbedingt gehöre, mag dieser Krimi vielleicht etwas zu unblutig sein. Aber das macht gerade diesen Krimi aus. Er geht mehr in die Tiefe und zeigt Details rund um den Mord. Der Bezug auf die Zwangsarbeiter im Dritten Reich ist mal wieder ein Hinweis darauf, dass das Geschehene nicht vergessen werden darf und man sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen sollte. Mit diesem Buch ist den beiden Autorinnen Liliane Skalecki und Biggi Rist eine wunderbare Mischung aus Krimi, Reiseführer und historischem Hintergrund gelungen. Der schwäbische Bremer Kommissar bringt einen immer wieder zum Schmunzeln, wenn er in seinen schwäbischen Dialekt verfällt, was dem Ganzen noch eine humoristische Note verleiht. Ich kann Jedem das Buch nur empfehlen, der mal was Anderes lesen möchte als die harten Krimis bekannter Autoren. Es wäre schön, wenn von diesem Autorenteam noch mehr Romane erscheinen würden. Schwanensterben, von Liliane Skalecki /Biggi Rist, Gmeiner Verlag, ISBN 9783839212301. 422 Seiten, 11,90 €

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Demokratische Kontrolle?

geschrieben von Richard Keßler

14. März 2012

Wer sich einen äußerst spannenden Vortrag erhofft hatte, behielt auch diesmal Recht. Rolf Gössner schilderte auf Einladung der Humanistischen Union am 9. Februar in der Villa Ichon die langjährigen mühevollen Versuche einer öffentlichen Kontrolle des Verfassungsschutzes.

Wer sich einen äußerst spannenden Vortrag erhofft hatte, behielt auch diesmal Recht. Rolf Gössner schilderte auf Einladung der Humanistischen Union am 9. Februar in der Villa Ichon die langjährigen mühevollen Versuche einer öffentlichen Kontrolle des Verfassungsschutzes. Selbst wurde er 38 Jahre lang ausgespäht, weil er sich über Jahre in Niedersachsen als Justiziar der Landtagsfraktion der Grünen und später als Verfassungsrichter und Innendeputierter für die Bremer Linksfraktion um die Entschleierung eines Geheimdienstes bemühte, der sich bislang der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen wusste. Ein Urteil des Kölner Verwaltungsgerichtes legte kürzlich klar, dass nicht etwa Rolf Gössner als irgendwelcher undemokratischer Aktivitäten Verdächtiger ausgeforscht wurde, sondern weil er in seiner Anwaltstätigkeit und seinen Ämtern mit Menschen in Berührung kam, die irgendwie ins Visier der 17 Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder geraten waren. Die Kopien seiner zu 80% geschwärzten Akte ließen sich sehr gut in der Kunsthalle ausstellen. In einem Interview hatte er der Bremer TAZ gegenüber am selben Tag ausgeführt: „die geheimen Strukturen des Verfassungsschutzes (VS) widersprechen den demokratischen Prinzipien der Transparenz und Kontrollierbarkeit. Über seine V-Leute etwa verstrickt er sich zwangsläufig in kriminelle Machenschaften… Die bezahlten V-Leute sind hartgesottene Neonazis, gnadenlose Rassisten und Gewalttäter – sie beobachten nicht bloß. Der VS schützt sie mitunter gegen Ermittlungen der Polizei, schottet sie ab, unterdrückt Beweise.“ Rolf Gössner belegte es mit zahlreichen Hinweisen auf die finanzielle Unterstützung von NPD-Aktivitäten durch den Aufbau eines Informanten-Systems. Der Verbotsprozess 2003 hatte nicht stattfinden können, da die V-Mann-Führer z.T. keinerlei Aussageerlaubnis hatten, die für das Verfahren benannten Zeugen oft selbst und mit Zuwendungen des VS die Beweise produziert hatten, die die aktiv kämpferische Demokratiefeindlichkeit belegen sollten. Um die umwitterten Arbeitsmethoden geheim zu halten, erhalten nicht einmal Richter Einsicht in die Originalakten, die Öffentlichkeit bleibt ausgeschlossen, die Zeugen werden nur aus zweiter Hand zitiert. Rolf Gössners Fazit: die bundesdeutschen Inlandsgeheimdienste müssen soweit möglich einer öffentlichen demokratischen Kontrolle zugeführt werden, wenn schon ihre Auflösung aus Staatsraison nicht möglich erscheint. Sie bleiben ein Fremdkörper im demokratischen Staatswesen, was ihre Entstehungsgeschichte im Kalten Krieg mit Führungspersonal aus Gestapo und SD nahelegt. Ihre Aufgaben könnten effizienter und kontrollierbarer von wissenschaftlichen Forschungsinstituten übernommen werden.

Als Meinungsfreiheit verkauft

geschrieben von Raimund Gaebelein

14. März 2012

Am Puls der Zeit war die Nordkonferenz auch am diesjährigen 25./26. Februar. Mit Yves Müller, Mathias Wörsching (beide Verein für demokratische Kultur in Berlin) und Alexander Häusler (Arbeitsstelle Neonazismus FH Düsseldorf) standen am Samstag drei kenntnisreiche und engagierte Referenten zum Schwerpunkt Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus im politischen Raum zur Verfügung.

Am Puls der Zeit war die Nordkonferenz auch am diesjährigen 25./26. Februar. Mit Yves Müller, Mathias Wörsching (beide Verein für demokratische Kultur in Berlin) und Alexander Häusler (Arbeitsstelle Neonazismus FH Düsseldorf) standen am Samstag drei kenntnisreiche und engagierte Referenten zum Schwerpunkt Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus im politischen Raum zur Verfügung. Deutlich wurde, dass die NPD und die mit ihr verbundenen Kameradschaften nicht das Monopol auf Verbreitung extrem Rechten Denkens halten. Mit flächendeckender Verbreitung und ihrer militanten Vorgehensweise können sie allerdings derzeit weitaus größere Erfolge erzielen. Kulturreligiös daherkommende globalisierungsfeindliche Haltungen aus der Mitte der Gesellschaft bedienen sich allerdings auch anderer Varianten autoritätshörigen Staatsverständnisses. Bewegungen wie PRO-Deutschland, Schill-Partei, Bürger in WUT, Pro-DM, auch die REPs kommen als rechtskonservative Bewahrer daher und bestärken Ängste vor einem Abstieg des kleinen Mittelstandes in einer veränderten Weltsituation. Der moderne Rassismus führt kulturreligiöse Ausgrenzungsgründe an, ist vorwiegend gegen den muslimischen Teil der Bevölkerung gerichtet. Die Schweizer Kampagne gegen den Minarettbau wurde mehrfach in verschiedenen Bundesländern nachgeahmt, konnte aber aufgrund vehementer Ablehnung breiter Demokratiebündnisse keine Erfolge einfahren. Im Anschluss fand eine spannende Diskussion um Handlungskompetenz in der Abwehr extrem rechter und faschistischer Propaganda und Aktivitäten statt. Anders als gleichgesinnte Bewegungen in den europäischen Nachbarländern vermögen sie die hohe Akzeptanz etlicher ihrer Argumente nicht in Wählerstimmen umsetzen. Das geht vermutlich auf die immer noch recht hohe Tabuschwelle zurück, als Ergebnis der Niederlage des Faschismus und Rechtskonservatismus im Zweiten Weltkrieg. Größere Ost-West-Unterschiede sind nicht zu erkennen. Sarrazins Thesen sollten zum Dammbruch werden, konnten aber nur begrenzt Wirkung entfalten und wurden durch die Morde in Norwegen und die Aufdeckung der sog. Zwickauer NSU-Zelle in der öffentlichen Diskussion in den Hintergrund gedrängt. Dem schloss sich ein Vortrag von Bernd Meimberg zur Zuspitzung der Sicherheitslage im Mittleren Osten an. Hingewiesen wurde auf die Propagierung eines Szenarios, wie es schon bei der Bombardierung Jugoslawiens und Libyens abgespielt wurde. Zu Unrecht wurde auch jetzt wieder die UN-Charta als Begründung für Kriegsvorbereitungen gegen die Regierungen Syriens und Irans bemüht. Der Abend war gefüllt von Achim Bigus’ Programm mit Liedern aus dem Spanischen Bürgerkrieg, das alle in Bann zog und zum Mitsingen einlud. Sonntagvormittag stand unter dem Vorzeichen einer Würdigung der Arbeit der VVN mit einem Bilder-Vortrag unseres Kameraden Ulrich Sander. Eine Öffnung der Vereinigung gegenüber der nachfolgenden Generation erfuhr die Organisation schon in den 50er Jahren mit der Einbeziehung der Kinder des Widerstands. Zum Abschluss der diesjährigen Nordkonferenz wurden einige Festlegungen für die Arbeit bis zur nächsten Konferenz getroffen.

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