10. Dezember 2012
Die Zeit des Faschismus in Deutschland zwischen 1933 – 1945 gilt als die historisch bestaufgearbeitete Periode der deutschen Geschichte.
Die Zeit des Faschismus in Deutschland zwischen 1933 – 1945 gilt als die historisch bestaufgearbeitete Periode der deutschen Geschichte. Unzählige Bücher kann man zu fast jedem Thema finden. Selbst zur Rolle deutscher Eliten in allen Phasen gibt es zunehmend seit den achtziger und neunziger Jahre immer mehr Literatur. Dagegen gehört die Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Machtübergabe, Machterhaltung und Verbrechen der Nazis zu den eher vernachlässigten Gebieten. Dem Buch „Von Arisierung bis Zwangsarbeit“, das auch aus der Rallye Spurensuche „Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945“ entstanden ist, wurde das Ziel gesetzt dem abzuhelfen. Dies ist auch weitestgehend gelungen. Da viele der damaligen Konzerne und Trusts ihren Sitz im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen hatten, konnten die Autorinnen und Autoren nachweisen, dass sich die „Industriekapitäne“ spätestens seit 1931/32 für eine Kanzlerschaft Adolf Hitlers einsetzten und nicht nur von der Bekämpfung der Arbeiterbewegung, der Aufrüstung, der Eroberung von Rohstoffquellen und Industriebetrieben in ganz Europa und Zwangsarbeit profitierten, sondern dies alles vom Regime forderten und umsetzten. Der Schwerpunkt wird dabei auf das Großkapital gesetzt, wie Thyssen, Krupp, die IG Farben, die Deutsche Bank, Henkel, Mannesmann, Rheinmetall, Stinnes, die Flicks, die Quandts und Verbandsorganisationen des Großkapitals. Exemplarisch für den Mittelstand – wegen seiner heutigen Bedeutung – wurde aber auch der Bertelsmann Verlag beleuchtet und zu mindestens im Kapitel über Düsseldorf finden sich auch kleinere Firmen, die vom NS-Regime profitierten. Ebenso gelang den Autoren der Nachweis, dass nach dem Krieg vielfach die Firmenleitungen aktiv verhindert haben, dass es zur Aufdeckung der aktiven Tätigkeit kapitalistischer Firmen an allen Aktivitäten des NS-Regimes kam und dass Opfer des NS-Regimes entschädigt wurden. Auch zur Zwangsarbeiterentschädigung wurden die global agierenden deutschen Unternehmen gezwungen. Mal abgesehen davon, dass nicht alle schuldigen Firmen zahlten und die ausgezahlten Summen nicht einmal annähernd die gemachten Schäden (nichtbezahlter Lohn, Gesundheitsschäden) deckten. Einschränkend muss man allerdings sagen, dass bei einigen wenigen Schlussfolgerungen die „Beweisdecke“ doch etwas dünn bleibt. Zwar gelingt der Nachweis einer „Mitverantwortung“ wichtiger Teile des Kapitals für das „nationalsozialistische Unrechtsregime“ und auch der Nachweis, dass die gesamte Industrie die Kanzlerschaft Hitlers „gleichgültig unter welchen Umständen wünscht“. Es fehlt allerdings am Beweis, dass dies ausschlaggebend für die Entscheidung von Reichspräsident Hindenburg war, Hitler am 30.01.1933 zu berufen. Abträglich für das Buch wirkt allein der Abschnitt „Antikommunismus – die Grundtorheit unserer Epoche“ der Thesen der VVN-BdA (Aachen), wo den Westalliierten vorgeworfen wird aufgrund ihrer antikommunistischen Haltung nicht nur die faschistischen Kriegsvorbereitungen gegen die UdSSR geduldet zu haben, sondern auch durch die späte Landung in der Normandie den Krieg unnötig verlängert zu haben (S. 111). Diese Haltung ist mir zu verkürzt und einseitig. Doch im ganzen gesehen kann das Buch seine Intention, nämlich die Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse über den Anteil, den das deutsche Großkapital am NS-Regime und seiner Verbrechen hatte, erreichen. Allerdings müsste es hierzu eine breite Leserschaft erreichen, was ich ihm sehr wünsche.
Ulrich Sander (Hrsg.), Von Arisierung bis Zwangsarbeit, Verbrechen der Wirtschaft an Ruhr und Ruhr 1933 bis 1945, 348 S. PapyRossa Verlag, Köln 2012, Euro 16,90, ISBN 978-3-89438-489-0.