Ünterstützung der Arbeit für diskriminierte Roma

geschrieben von Juliane Nagel, Stephan Bosch, Richard Gauch

13. Januar 2013

Engagierte aus Ungarn und Deutschland rufen zur Unterstützung der Arbeit für diskriminierte Roma in Ungarn auf.

Engagierte aus Ungarn und Deutschland rufen zur Unterstützung der Arbeit für diskriminierte Roma in Ungarn auf. Gemeinsam mit dem ungarischen Schriftsteller György Dalos, Träger des Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2010, und der ungarischen Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky ruft die BürgerInneninitiative Leipzig Korrektiv zu Spenden für die Unterstützung von Roma in Ungarn auf…Exemplarisch für die brutale Gewalt gegen Roma stehen die Ereignisse von Gyöngyöspata. Aus dieser kleinen Gemeinde in Nordungarn mussten 2011 etwa 300 Roma-Frauen und Kinder evakuiert werden, weil die von faschistischen Gruppierungen ausgehende Bedrohung unter Duldung der Regierung außer Kontrolle geriet. …Der Verein “Bürgerrechtsbewegung für die Republik” in Ungarn, dem das Geld zukommen wird, hilft in erster Linie bedrohten Roma….“Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen systematisch diskriminiert und ausgegrenzt werden, ob durch staatliches Handeln oder unmittelbare Gewalt. Jeder humanistisch denkende Mensch ist aufgefordert Aufmerksamkeit auf die Besorgnis erregenden Entwicklungen in Ungarn zu richten. Helfen Sie, damit andere helfen können!“

Otmar Leist ist tot

geschrieben von Joachim"Bommel" Fischer

13. Januar 2013

Am 7. Dezember 2012 starb, unser Kamerad, der Schriftsteller und Pazifist Otmar Leist im Alter von fast 92 Jahren.

Am 7. Dezember 2012 starb, unser Kamerad, der Schriftsteller und Pazifist Otmar Leist im Alter von fast 92 Jahren. Wer war Otmar Leist? …Eine abwechslungsreiche Biografie prägte sein Leben….In sein literarisches Werk floss immer wieder seine pazifistische Haltung ein, …Otmar Leist galt vielen als „Gentleman der Bremer Friedensbewegung“ …In seinem literarischen Werk wie auch in den Gedanken und Erinnerungen jener, die ihn kannten, wird er jedoch weiterleben.

Die Breidbachs

geschrieben von Marlies Böner Zollenkopf

12. Januar 2013

Ich lernte Inge und Herbert Breidbach 2002 bei Recherchen zum Buch über den Buntentorfriedhof kennen.

Ich lernte Inge und Herbert Breidbach 2002 bei Recherchen zum Buch über den Buntentorfriedhof kennen. Breidbachs haben ein Familiengrab auf diesem Friedhof. Dort ist auch ihr Sohn Peter begraben, der knapp 19-jährig tödlich verunglückte. Ich sprach mit Inge und Herbert über das Grab, die Familie, über Peter und über ihre unermüdliche politische Arbeit. Sie erzählten mir von der Zeit, als die KPD illegal war, von der Gründung der DKP, von Reisen in viele Länder und von der Arbeit in „ihrem“ Stadtteil, der Bremer Neustadt. Ich fand es schade, über solch ein erfülltes Leben im Rahmen eines Friedhofsbuches nur wenig schreiben zu können. Herbert und Inge sind weit über 60 Jahre ein Paar und haben eine enge Beziehung zueinander. Was macht diese Beziehung aus? Wodurch hält Liebe mehr als 60 Jahre? Ende 2007 begannen wir mit einer Reihe langer Gespräche und überlegten, ob daraus ein Buch werden könnte. Herbert hat ein unglaubliches Erinnerungsvermögen, Namens und Datengedächtnis. Oft saßen wir am Esstisch in der Herrmannstraße und Herbert erzählte von der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion, von seiner Rückkehr als Kommunist und seiner Arbeit in der Partei. Wir sprachen über das Ende der DDR, über Herberts Arbeit als Zeitzeuge an Schulen und bei der Verlegung von Stolpersteinen. Ich erfahre auch viel aus Inges Leben. Kindheit in Oberneuland, Arbeitsamtsmitarbeiterin, junge Kommunistin, Mutter. Sie erzählte auch über ihre jahrzehntelange Mitarbeit im Beirat Neustadt. Herbert und Inge sind einen langen gemeinsamen Weg gegangen. Es waren die gleichen Ziele, für die sie sich einsetzten und für die sie sich noch heute engagieren. Nie wieder Krieg, Verbot rechtsradikaler Parteien, Gerechtigkeit und Frieden. Sich etwas zu sagen haben, sich auseinandersetzen, Leserbriefe formulieren, nicht alles hinnehmen, füreinander da sein, wenn im Alter das Leben anstrengend wird – das macht einen großen Teil der Liebe zueinander aus. Ich habe ein „subjektives“ Buch über Herbert und Inge Breidbach geschrieben, das mit Sicherheit nicht alle Facetten im Leben der beiden wiedergibt. Inge und Herbert sind zu Wort gekommen, aber auch Menschen, die sie ein Stück weit begleiteten. Sicher gibt es noch viele weitere Weggefährten, die Inge und Herbert gut kennen und zu ihnen etwas sagen könnten. Das Kriterium für die Auswahl meiner Gesprächspartner war meine persönliche Bekanntschaft mit ihnen. Alle sprachen mit viel Sympathie und Respekt über die Breidbachs. Ich wünsche Inge und Herbert, dass sie sich gegenseitig noch lange erhalten bleiben.

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Marlies Böner Zollenkopf, Die Breidbachs, Kellner Verlag Bremen, 9,90 Euro, ISBN 978-3-939928-94-2

Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus, Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland,

geschrieben von Raimund Gaebelein

12. Januar 2013

In elf Beiträgen wird die Verfolgung der norddeutschen Sinti und Roma 1933/45 dargestellt, ergänzt durch vier Buchbesprechungen zum Thema.

In elf Beiträgen wird die Verfolgung der norddeutschen Sinti und Roma 1933/45 dargestellt, ergänzt durch vier Buchbesprechungen zum Thema. Ziel des Heftes ist es, auf konkrete Weise die regionalen Formen von Verfolgung, lokale Gemeinsamkeiten und Unterschiede nachzuzeichnen Einer ausführlichen Darlegung der faschistischen Verfolgungsmaßnahmen folgt eine Beschreibung des ideologischen Hintergrundes ihrer Ausgrenzung. Der Ende der Weimarer Republik einsetzende Integrationsprozess wird mit der faschistischen Vernichtungspolitik beendet. Die Zwangsghettoisierung in Großstädten wie Hamburg und Berlin ist der erste Schritt in den Völkermord. Dargestellt werden die Stationen der Deportation, Hamburg, Berlin-Marzahn, Moringen, Ravensbrück, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen vor allem anhand von Selbstzeugnissen. Die bedrückende Kontinuität der Verfolgung wird in Frank Reuters Aufsatz über die Rezeption des Völkermordes deutlich, und auch in den Bildungsmaterialien von Christian Wolpers. Oktober 1958 wurde Wilhelm Mündtrath in Bremen Oberkriminalsekretär. 1941-45 war er als Sachbearbeiter des „Zigeunerdezernats“ der Bremer Kriminalpolizei mitverantwortlich für die Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz-Birkenau. Mindestens einen Transport begleitete er persönlich. 1945 wurde Mündtrath aus dem Polizeidienst entlassen, was 1947 vom Berufungsausschuss bestätigt wurde. Im Januar 1949 zum Minderbelasteten abgestuft, wurde er bereits im Mai amnestiert. Die Aussagen der früheren Kollegen galten als gewichtiger als die von wenigstens sechs überlebenden Opfern, dass er mit Einlieferung ins KZ drohte, sollten sie einer Zwangssterilisierung nicht zustimmen. Sehr spät erst hat die Verfolgung der Sinti und Roma Eingang in die Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur gefunden. Die personelle Kontinuität dieser Zunft, die Fortsetzung der diskriminierenden Verfolgung in den frühen Jahrzehnten der BRD, das Fortbestehen rassistischer Vorurteile bis in die Gegenwart verhinderten die Auseinandersetzung. Erst mit einer wachsender Bürgerrechtsbewegung aus Reihen der Sinti und Roma selbst, mit spektakulären Besetzungsaktionen in KZ-Gedenkstätten setzte allmählich in den 80er Jahren ein Umdenken ein. Die Autoren schrecken davor zurück, Parallelen zwischen Judenverfolgung und der Verfolgung der Sinti und Roma im Faschismus zu bestätigen. Es bliebe zu fragen, „wie weit eine solche Parallelisierung trägt“, fragt Thomas Rahde mit Verweis auf Unterschiede, die von der historischen Forschung festgestellt wurden. Das gelte selbst für die „praktische Durchführung von Ausgrenzung, Festsetzung und Mordaktionen“. Sehr früh setzte bei Sinti und Roma die durchgehende Zwangssterilisierung ein, die Ghettoisierung erfolgte vor dem Krieg als polizeiliche Verfolgung „Asozialer“. Beim jüdischen Teil der Bevölkerung dagegen ging es um systematische Enteignung.

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Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus, Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland, Heft 14, 232 Seiten, Edition Temmen, Bremen 2012, 14,90 Euro ISBN 978-3-8378-4039-1

Strafverteidigung im Konflikt mit dem Zeitgeist.

7. Januar 2013

08.01.2013

Dr. Heinrich Hannover zu

Strafverteidigung im Konflikt mit dem Zeitgeist.

Dienstag, 08. Januar 2013, 20 Uhr

Villa Ichon Goetheplatz 4

MASCH Bremen

Er schildert an Beispielen aus seiner Verteidigerpraxis, wie sich das aus dem Nazi-Reich übernommene Feindbild „Kommunismus“ und später das in jahrelangen Medienkampagnen angeheizte Feindbild „Terrorismus“ auf die Wahrheits- und Rechtsfindung der bundesdeutschen Strafjustiz ausgewirkt hat… oft wurden die Verteidiger der Angeklagten, selbst wenn es nur um rechtswidrige Haftbedingungen oder unhaltbare Anschuldigungen ging, im Gerichtssaal und in der Medienöffentlichkeit als Komplizen ihrer als Staatsfeinde geltenden Mandanten hingestellt und behandelt.

Dienstag, 08. Januar 2013, 20 Uhr Villa Ichon Goetheplatz 4 MASCH Bremen Er schildert an Beispielen aus seiner Verteidigerpraxis, wie sich das aus dem Nazi-Reich übernommene Feindbild „Kommunismus“ und später das in jahrelangen Medienkampagnen angeheizte Feindbild „Terrorismus“ auf die Wahrheits- und Rechtsfindung der bundesdeutschen Strafjustiz ausgewirkt hat… oft wurden die Verteidiger der Angeklagten, selbst wenn es nur um rechtswidrige Haftbedingungen oder unhaltbare Anschuldigungen ging, im Gerichtssaal und in der Medienöffentlichkeit als Komplizen ihrer als Staatsfeinde geltenden Mandanten hingestellt und behandelt.

Von Arisierung bis Zwangsarbeit, Verbrechen der Wirtschaft an Ruhr und Ruhr 1933 bis 1945

geschrieben von Ulrich Stuwe

10. Dezember 2012

Die Zeit des Faschismus in Deutschland zwischen 1933 – 1945 gilt als die historisch bestaufgearbeitete Periode der deutschen Geschichte.

Die Zeit des Faschismus in Deutschland zwischen 1933 – 1945 gilt als die historisch bestaufgearbeitete Periode der deutschen Geschichte. Unzählige Bücher kann man zu fast jedem Thema finden. Selbst zur Rolle deutscher Eliten in allen Phasen gibt es zunehmend seit den achtziger und neunziger Jahre immer mehr Literatur. Dagegen gehört die Beteiligung der deutschen Wirtschaft an Machtübergabe, Machterhaltung und Verbrechen der Nazis zu den eher vernachlässigten Gebieten. Dem Buch „Von Arisierung bis Zwangsarbeit“, das auch aus der Rallye Spurensuche „Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945“ entstanden ist, wurde das Ziel gesetzt dem abzuhelfen. Dies ist auch weitestgehend gelungen. Da viele der damaligen Konzerne und Trusts ihren Sitz im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen hatten, konnten die Autorinnen und Autoren nachweisen, dass sich die „Industriekapitäne“ spätestens seit 1931/32 für eine Kanzlerschaft Adolf Hitlers einsetzten und nicht nur von der Bekämpfung der Arbeiterbewegung, der Aufrüstung, der Eroberung von Rohstoffquellen und Industriebetrieben in ganz Europa und Zwangsarbeit profitierten, sondern dies alles vom Regime forderten und umsetzten. Der Schwerpunkt wird dabei auf das Großkapital gesetzt, wie Thyssen, Krupp, die IG Farben, die Deutsche Bank, Henkel, Mannesmann, Rheinmetall, Stinnes, die Flicks, die Quandts und Verbandsorganisationen des Großkapitals. Exemplarisch für den Mittelstand – wegen seiner heutigen Bedeutung – wurde aber auch der Bertelsmann Verlag beleuchtet und zu mindestens im Kapitel über Düsseldorf finden sich auch kleinere Firmen, die vom NS-Regime profitierten. Ebenso gelang den Autoren der Nachweis, dass nach dem Krieg vielfach die Firmenleitungen aktiv verhindert haben, dass es zur Aufdeckung der aktiven Tätigkeit kapitalistischer Firmen an allen Aktivitäten des NS-Regimes kam und dass Opfer des NS-Regimes entschädigt wurden. Auch zur Zwangsarbeiterentschädigung wurden die global agierenden deutschen Unternehmen gezwungen. Mal abgesehen davon, dass nicht alle schuldigen Firmen zahlten und die ausgezahlten Summen nicht einmal annähernd die gemachten Schäden (nichtbezahlter Lohn, Gesundheitsschäden) deckten. Einschränkend muss man allerdings sagen, dass bei einigen wenigen Schlussfolgerungen die „Beweisdecke“ doch etwas dünn bleibt. Zwar gelingt der Nachweis einer „Mitverantwortung“ wichtiger Teile des Kapitals für das „nationalsozialistische Unrechtsregime“ und auch der Nachweis, dass die gesamte Industrie die Kanzlerschaft Hitlers „gleichgültig unter welchen Umständen wünscht“. Es fehlt allerdings am Beweis, dass dies ausschlaggebend für die Entscheidung von Reichspräsident Hindenburg war, Hitler am 30.01.1933 zu berufen. Abträglich für das Buch wirkt allein der Abschnitt „Antikommunismus – die Grundtorheit unserer Epoche“ der Thesen der VVN-BdA (Aachen), wo den Westalliierten vorgeworfen wird aufgrund ihrer antikommunistischen Haltung nicht nur die faschistischen Kriegsvorbereitungen gegen die UdSSR geduldet zu haben, sondern auch durch die späte Landung in der Normandie den Krieg unnötig verlängert zu haben (S. 111). Diese Haltung ist mir zu verkürzt und einseitig. Doch im ganzen gesehen kann das Buch seine Intention, nämlich die Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse über den Anteil, den das deutsche Großkapital am NS-Regime und seiner Verbrechen hatte, erreichen. Allerdings müsste es hierzu eine breite Leserschaft erreichen, was ich ihm sehr wünsche.

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Ulrich Sander (Hrsg.), Von Arisierung bis Zwangsarbeit, Verbrechen der Wirtschaft an Ruhr und Ruhr 1933 bis 1945, 348 S. PapyRossa Verlag, Köln 2012, Euro 16,90, ISBN 978-3-89438-489-0.

Wehrmacht und Konzentrationslager

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. Dezember 2012

Eine Reihe bemerkenswerter Beiträge zur Rolle der Wehrmacht in Neuengamme erschien unlängst bei der Edition Temmen.

Eine Reihe bemerkenswerter Beiträge zur Rolle der Wehrmacht in Neuengamme erschien unlängst bei der Edition Temmen. Sie beruhen weitgehend auf Vorträgen auf einem Workshop Juni 2010 in Neuengamme. Stefan Hördler und Reimer Möller schreiben über den Einsatz von Wehrmachtssoldaten 1944/45 in den KZ-Wachmannschaften, Marc Buggeln geht der Frage nach, ob sich daraus unterschiedliche Bedingungen für die KZ-Häftlinge in den Außenlagern ergaben. Rolf Keller und Christian Römmer beleuchten die Lage der sowjetischen Kriegsgefangenen im KZ, Albert Knoll und Astrid Ley Menschenversuche in Dachau und Sachsenhausen. Dokumentiert wird die Zusammenarbeit der NS-Militärjustiz und der SS bei Vollstreckung von Todesurteilen. Der Band enthält außerdem eine Reihe von Meldungen, Forschungsberichten, Besprechungen. Literaturhinweisen. Dem rassistischen Weltbild folgend wurden 1941/42 in Sachsenhausen und Buchenwald mindestens 19.000 sowjetische Kriegsgefangene ermordet. Weitere 50.000 übergab dir Wehrmacht wegen Arbeitsbummelei der Gestapo. Himmler forderte von der Wehrmacht die Überstellung von 350.000 sowjetischen Kriegsgefangenen für den Arbeitseinsatz. Für Neuengamme unterscheidet Christian Römmer drei Gruppen, etwa 600 ausgesonderte zum Tode bestimmter Kandidaten, 1.000 Arbeitssoldaten, von denen 348 den Winter überlebten, sowie 2-3.000 Kriegsgefangene, die in die Zwangsarbeit entlassen wurden. Hunderttausende Wehrmachtsangehöriger wurden in Stutthof für den Einsatz im KZ geschult. Fast vollständig erhalten sind die Kommandanturbefehle. In Neuengamme kam es wegen der Landung der Alliierten im Herbst 1944 zu einem erheblichen Personalaustausch. Nicht mehr fronttauglichen Offizieren und Unteroffizieren der Wehrmacht wurde die Führung der zahlreichen Außenlager übertragen. Marc Buggeln zufolge stieg ab Herbst 1944 aufgrund der mangelhaften Versorgung und Überbelegung der Unterkünfte die Häftlingssterblichkeit in den KZ-Außenkommandos sprunghaft an. Ein weiterer Komplex des Bandes behandelt medizinische Versuche an KZ-Häftlingen. Dr. Siegmund Rascher führte 1942 in Dachau für die Luftwaffe 300 Versuche mit Unterdruck und 400 Versuche mit Unterkühlung durch. Ab Ende 1944 wurden in Sachsenhausen im Auftrag der Marine leistungssteigernde Medikamente an Häftlingen erprobt

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Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland Band 13 Wehrmacht und Konzentrationslager, Edition Temmen, Bremen 2012, 267 S., 14,90 Euro ISBN 978-3-8378-4033-9

Bremen

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. Dezember 2012

Als frühe Hausbesetzer sind sie uns vertraut, die Stadtmusikanten.

Als frühe Hausbesetzer sind sie uns vertraut, die Stadtmusikanten. Ob sie wohl das beliebte Bremer Bier gelockt hat, das hier seit 700 Jahren gebraut wird? In seinem 126 Seiten starken Büchlein geht Johann-Günther König auf liebenswerte Weise von bekannten oder nicht so bekannten Anekdoten und Werbeslogans über Bremen aus. Auswanderung steht dabei im Mittelpunkt, wohin aber und warum? Das erste Auswandererschiff segelte doch erst 1832 vom gerade erworbenen Bremerhaven aus los. Die auch im Rentenalter höchst teamfähigen Flüchtlinge wollten wirklich nach Bremen, mit dem festen Ziel Musiker zu werden. Das taten sie auch 400 Jahre lang bei Staatsempfängen und Hochzeiten. Überhaupt ist Bremen die Stadt der Innovationen. Wie sonst hätte Friedrich Wagenfeld auf das Märchen von den Sieben Faulen kommen sollen? Bremen als Griechenland der Bundesrepublik? Da sei der Roland vor! Schließlich geht es hier um die siebtgrößte Hightechregion, wenn auch die traditionelle Industrie so nicht mehr besteht. Auch die schwierige politische Lage wird erläutert. Friedrich Ebert und Wilhelm Pieck, Ludwig Quidde und Johann Gottfried Seume haben neben Wilhelm Kaisen und Johan Smidt ihren Platz in der Hansestadt gefunden. In gesellschaftlichen Dingen gaben sich die Bremer Pfeffersäcke eher etwas ruppig, von der Niederschlagung der Stedinger, über die Hinrichtung der Friesenhäuptlinge Gerold und Edo bis hin zur Zerschlagung der Bremer Räterepublik. Dafür haben sie sich redlich Mühe gegeben durch Mäzenatentum ein liebenswertes Bild nach außen zu vermitteln. Aber damit nicht genug, werden in Bremen doch alljährlich Literatur- und Friedenspreis vergeben. Schmuck, freie Fahrt und Rechtsprechung ergaben das dreifache Bremer Recht, damit wird der Leser verschmitzt in die Bedeutung Bremer Redensarten eingeführt. Plattdeutsch als Leitkultur? Aus Solidarität mit den Zugereisten wird es als Mischings ins Hochdeutsche eingeführt. Sicher ein lohnenswertes Geschenk für Freunde und Besucher.

Der achte Zwerg

geschrieben von Raimund Gaebelein

10. Dezember 2012

Aus gesundheitlichen Gründen ist Minor Jackson Mitte 1945 aus dem Dienst des OSS, des Nachrichtendienstes des amerikanischen Kriegsministeriums, ausgeschieden.

Aus gesundheitlichen Gründen ist Minor Jackson Mitte 1945 aus dem Dienst des OSS, des Nachrichtendienstes des amerikanischen Kriegsministeriums, ausgeschieden. Ein Jahr später etwa beauftragt ihn Franz Oppenheimer (60), jüdischer Emigrant aus Frankfurt/Main, in Deutschland nach seinem Sohn Kurt zu suchen. Immerhin geht es um 1.500 US-Dollar. Den Oppenheimers gelang 1937 die Flucht in die Schweiz und nach Kriegsbeginn im letzten Moment weiter nach England. Kurt Oppenheimer dagegen setzte aus Überzeugung die Untergrundarbeit im deutschen Widerstand fort. Den Kontakt zu Kurt Oppenheimer und seiner Tochter Leah stellt Nicolae Ploscau her, dem Ex-Agent Minor Jackson in Los Angeles das Leben gerettet hat. Ploscau, genannt der Zwerg, ist offenbar nicht nur dem britischen und amerikanischen militärischen Geheimdienst bekannt, hatte er doch gegen 20.000 britische Pfund zu Kriegsende in Rumänien Verstecke für amerikanische Piloten organisiert und Informationen zur Wirkung der Bombenangriffe auf die Ölraffinerien in Ploeşti beschafft. Mit Unterstützung des OSS gehen Jackson und Ploscau nach Frankfurt/Main, um sich dort mit Leah Oppenheim zu treffen und die Spur ihres Bruders aufzunehmen, der inzwischen Nazis jagt und ermordet. Die Suche nach Kurt Oppenheimer wird immer verwirrender. Auch Otto Boddan, ein befreiter Bergen-Belsen-Häftling, ist im Auftrag des sowjetischen Militärgeheimdienstes in Frankfurt/Main auf der Suche nach ihm. Geht es überhaupt darum, seine Jagd auf untergetauchte Nazis zu stoppen? Warum will der britische Geheimdienst unbedingt verhindern, dass er ins britische Mandatsgebiet Palästina geht? Warum interessiert sich Major Gilbert Baker-Bates so auffällig für die Person Nicolae Ploscaus? Warum ist Leah Oppenheimers Jugendfreundin Eva Scheel eng liiert mit Leutnant LaFollette Meyer vom CIC(US Gegenspionage)? Ross Thomas’ Roman „Der achte Zwerg“ führt den Leser in die Nachkriegssituation und den beginnenden Kalten Krieg mit Schwarzmarkt, Prostitution, Mangel an Brennstoff, Zigaretten als Tauschwährung. Vor den Toren der späteren Bundeshauptstadt Bonn kommt die Suche zum überraschenden Ende.

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Ross Thomas, Der achte Zwerg, 350 S. 14,90 Euro, Alexander Verlag Berlin, erste vollständige deutsche Ausgabe April 2012, ISBN 978-3-89581-251-4

Hellers allmähliche Heimkehr

geschrieben von Gerold Fleßner

10. Dezember 2012

Martin Heller ist im besten Alter, ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder, die ihn anfangs ignorieren, aber im Laufe der Zeit annehmen.

Martin Heller ist im besten Alter, ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder, die ihn anfangs ignorieren, aber im Laufe der Zeit annehmen. Er fängt mehr gezwungenermaßen den Job als Chefredakteur einer Tageszeitung in der norddeutschen Kleinstadt an, der er vor 25 Jahren entfloh. Es gibt dort noch ein paar Freunde und Bekannte. Bald lebt er sich ein, lernt eine symphytische Frau kennen und findet eine neue Wohnung. Alles hätte so schön werden können. Doch schnell muss er erkennen, dass sich im Ort nichts verbessert hat. Im Gegenteil – aus den rechtskonservativen Ideen etlicher Bürger ist ein rechtsnationales Gedankengut geworden. Am 1. Mai wird ihm klar, dass da vieles im Argen liegt. Während der Rede des örtlichen DGB-Chefs skandieren einige „Passanten“ Sprüche wie „Ausländerinvasion stoppen“ oder „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“. Als Ordner sie beruhigen wollen, kommt es zum Handgemenge. Erst jetzt schreitet die Polizei ein und greift sich – natürlich – die Ordner und nicht die Neonazis. Der Polizeichef begründet das Vorgehen der Polizei mit Meinungsfreiheit. In der Folgezeit zeigt sich mehr und mehr eine Kameraderie von Polizei, Verfassungsorganen und Honoratioren mit den Neonazis. Bekannt ist auch, dass sie auf einem Bauernhof ungeschoren Wehrsportübungen abhalten, gefördert vom Rektor des Gymnasiums. Bei „unliebsamen“ Bürgern werfen sie Fensterscheiben ein, sprühen Nazi-Schmierereien an den Wänden, demolieren Hellers Auto und traktieren die Zeitung zu Hauf mit Hass-Mails. Doch letztendlich bringt ein Brandanschlag auf das griechische Restaurant viele Bürger soweit, dass sie merken, dass gehandelt werden muss. Am Ende heißt es wie so oft: „Wir hätten nie geglaubt, dass hier so etwas geschehen kann – noch dazu unter den Augen unserer Verfassungsschützer.“ Schrittweise beginnt die miefige Fassade, hinter der sich alle Beteiligten verstecken, zu bröckeln. Heller stellt in einem Kommentar die Frage, was denn noch alles passieren muss, damit endlich gegen die Neonazis ermittelt wird. Der Polizeichef muss gehen, sein Vize wird strafversetzt, weitere Polizisten müssen gehen. Auch der Rektor des Gymnasiums „fliegt“. Am Ende wird auch Heller entlassen – was ihn weder wundert noch berührt. Die Parallelen zum NSU-Skandal sind natürlich nicht zu übersehen (wird im Buch sogar angedeutet). Auch da scheinen sich Nazi-Terroristen und Geheimdienste zu beschützen. Hier gibt es einen Maulkorb, da werden Akten geschreddert und dort hat einer einen Blackout. Das Buch ist nicht zu¬letzt ein eindringlicher Ap¬pell für eine freie Presse. Auch die lokalen Zeitungen und Magazine müssen sich die notwendige Distanz erhalten. Es ist eine kurze und prägnante Geschichte, die es sicher lohnt gelesen zu werden. Wolfgang Bittner ist in Gleiwitz ge¬boren und im ostfriesischen Wittmund aufge¬wachsen. Er ist promovierter Jurist. Seit etwa 50 Jahren ist er als Autor tätig. Mit sei¬nem Buch „Rechts-Sprü¬che – Texte zum Thema Justiz“ sorgte er für Aufsehen. Heute ist er ein viel gefragter Autor und verfasste über 60 Bücher für Erwach¬sene, Jugendliche und Kinder. Er ist auch als freier Mitarbeiter für viele Zeitungen, den Hörfunk und das Fernsehen tätig. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Er erhielt viele Litera¬turpreise (u.a. 2010 den Kölner Karls-Preis). Er ist Mitglied des PEN sowie im Verband deutscher Schriftstel¬ler. Ebenso ist er ein Bildender Künstler (Malerei und Plastiken).

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Johann-Günther König, Bremen, 126 S., davon sechs Seiten Namens- und Ortsregister, Hoffmann und Campe Verlag Hamburg 2012, ISBN 978-3-455-50233-6, 15 Euro

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