Skandal ohne Ende – Deutscher Umgang mit dem Rechtsextremismus,

geschrieben von Raimund Gaebelein

1. Juli 2013

So zitiert der Bremer Publizist Conrad Taler zu Beginn seines jüngsten Buches „Skandal ohne Ende – Deutscher Umgang mit dem Rechtsextremismus“ Walter Rathenau. Der liberale deutsche Außenminister wurde 1922 Opfer eines Attentats des Freikorps „Organisation Consul“. In der Einleitung entlarvt er die von konservativen Kreisen heraufbeschworene Angst vor dem Bolschewismus zur Zeit des Kalten Krieges. Um die Wiederbewaffnung gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen, scheute sich Konrad Adenauer nicht, als Kriegsverbrecher verurteilte Wehrmachtsgeneräle und hochbelastete SS- und SD-Chargen in höchste Führungsgremien einzusetzen. Ob Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt, viele der Spitzenleute „kamen aus dem braunen Sumpf“. Vergleichbares wie das 131er Gesetz zur Beendigung der „Naziriecherei“ (Adenauer) sollte es nach 1990 nicht geben, die DDR-Elite wurde abgewickelt.

Conrad Taler greift tief hinein in die Geschichte der Bundesrepublik und stellt umfassend dar, wie 1959/60 versucht wurde, Beschädigungen jüdischer Einrichtungen und Beschmierungen von Grabsteinen mit Hakenkreuzen durch faschistische Täter linken Kräften und der DDR-Führung anzulasten. Nach dem Oktoberfestattentat 1980 in München spielte Franz-Joseph Strauß dieselbe Karte. Zwei Dutzend Leute der Wehrsportgruppe Hoffmann seien aus der DDR gekommen. Belege dafür konnten zu keiner Zeit erbracht werden. In den Wahlkämpfen der 90er Jahre beschworen Unionspolitiker immer wieder die Gefahr von links. Der damalige Generalbundesanwalt schürte die Vorstellung, Faschismus und Rassismus seien nach 1990 aus der DDR herübergeschwappt. Nazilieder an Bundeswehrhochschulen und Erhalt der Namen von belasteten Wehrmachtsgenerälen an Kasernen hält Conrad Taler für symptomatisch für den Geist des erweiterten Deutschland.

Empört wies der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Mitte November 2011 die Frage Hans Leyendeckers in der Süddeutschen Zeitung zurück, ob es sein könnte, „dass Staatsbedienstete im Innersten verkappte Staatsfeinde sind und sich mit dem rechten Pack gemein gemacht haben?“ Die Spuren zu den Morden der Gruppe um Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos wurden jedenfalls gründlich verwischt, Hintergründe vertuscht, der Untersuchungsausschuss am Nasenring entlang geführt. Ein Haupthindernis für ein NPD-Verbot sieht Conrad Taler darin, „dass am rechten Rand der Unionsparteien mitunter ähnlich geredet wird wie bei der NPD.“

Er beendet das Buch mit einem ausführlichen Porträt unseres langjährigen Ehrenvorsitzenden Alfred Hauser von Ende März 1995. Conrad Taler zeichnet die aufrechte Haltung eines Mannes nach, den weder Verfolgung, noch Folter oder Einzelhaft zu brechen vermochten. Er schildert die breite Anerkennung, die sich Alfred Hauser durch seine offene Art erworben hat, als stete Mahnung gegen Wegsehen, Leugnung, trügerische wie falsche Legenden und Reinwaschen faschistischer Verbrechen. Conrad Talers Buch „Skandal ohne Ende“ ist ein Geschichtsbuch der Bundesrepublik, gehört in Schulen und Redaktionsstuben.

Conrad Taler, Skandal ohne Ende – Deutscher Umgang mit dem Rechtsextremismus, 174 S., 12,90 Euro, Papyrossa Verlag Köln 2012, ISBN 978-3-89438-503-3

Aufklärung holzschnittartig?

geschrieben von Richard Keßler

27. Juni 2013

Interessierte ZuhörerInnen drängten sich am 30. Mai in der Villa Ichon, um Heinz-Gerd Hofschens Vortrag über die Entnazifizierung in Bremen zu hören. Der Referent skizzierte die Situation nach der Befreiung, die alliierten Gesetze zur Entnazifizierung und Entmilitarisierung, die Aussagen dazu im Potsdamer Abkommen, um sich dann der Bremer Praxis zuzuwenden. Er skizzierte den Unterschied zwischen der Besatzungspraxis der ersten beiden Jahre gegenüber den späteren Spruchkammerverfahren….Die Fragebogenpraxis führt sehr schnell zur Ausstellung von Leumundszeugnissen, zur Praxis der Persilscheine, mit der in wenigen Jahren nicht wenige stark Belastete zu Mitläufern herabgestuft wurden…Ein Karl Schulz, Mitarbeiter Nebes im Reichskriminalamt, wurde Leiter der Bereitschaftspolizei…..Nicolas Holm verantwortlich für die Ermordung von 60.000 Einwohnern Stalinows im Frühjahr 1942, darunter 17.000 Juden. 1954 übernahm er die Leitung der Gröpelinger Wache…Bode konnte Gerichtspräsident werden, zu Beginn des Krieges hatte er in Danzig für die Hinrichtung der Verteidiger der polnischen Post gesorgt….Hätte man nicht auf belastete Personen verzichten sollen und riskieren, dass unbelastete Demokraten erst einmal ohne Fachkompetenz die Geschäfte führten?

Gedenkstätte Esterwegen

geschrieben von Hartmut Stinton

27. Juni 2013

Da ich 1997 im alten Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager (DIZ) in Papenburg ein Praktikum absolviert hatte, war ich schon länger sehr gespannt auf die Neuauflage in Esterwegen…gehörte auch ich – noch nicht Rentner – zur 33-köpfigen Gruppe, die am 21. Mai den Tag dort verbrachte…Das einzige neu erbaute Gebäude ist die Eingangshalle zwischen zwei umgebauten Magazin-Hallen   Thema ist hier ein Überblick über die 15 Emslandlager sowie ein Modell des Lagers Esterwegen zu sehen….Blick in die Moorlandschaft führt, wo die Gefangenen Schwerstarbeit verrichten mussten…Während Kurt uns den ganzen Tag äußerst kompetent und zugewandt begleitete…Der Kampf um die erste Gedenkstätte, immerhin von den siebziger bis in die neunziger Jahre, kam zu kurz.

588 Stolpersteine

geschrieben von Wilhelm Henkel

27. Juni 2013

Bis zum 29. Mai wurden in Bremen 588 Stolpersteine für Opfer des Faschismus verlegt. Bewegend waren die letzten sieben Verlegungen von Sebaldsbrück bis Gröpelingen für alle Beteiligten. Erschütternd sich vor Augen zu halten, wie gering zwischen 1933  und 1945 der Wert des Menschen taxiert wurde…Tief bewegend war das Gedenken der Schülerinnen und Schüler des Alten Gymnasiums für Familie Bickart vor dem Steintor. Mit klassischer Musik, Gedichten und einer eindrucksvollen Rede erinnerten sie an die systematische Verfolgung und warnten vor der Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Verfolgten. Dabei schlugen sie den Bogen von der Vergasung des elfjährigen Peter-Arnold Bickart zur Mordserie des sog. NSU, der seine Morde über lange Jahre unter den Augen der Sicherheitsbehörden betreiben konnte.

Die zweite Generation

geschrieben von Raimund Gaebelein

4. Juni 2013

Oktaaf und Freddy Duerinckx, Fernand Vansevenant und Tom Devos (dritte Generation) schilderten Freidenkern, linken Jugendlichen und VVN-KameradInnen am 28. April in unserer Antifaschistischen Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh ihre Erinnerungen an zwei Razzien der belgischen SS, Feldhüter und Werkschutz unter deutschem Kommando.
… Gefragt wurde, warum kurz vor der Befreiung gerade dieses Dorf ausgewählt wurde, um Geiseln zu einzufangen. ….Alle wurden sehr still, als Oktaaf Duerinckx schilderte, wie sein Vater von Schwarzhemden zusammengeschlagen und abgeführt wurde, als er seiner mit seinem Bruder Freddy hochschwangeren Frau zu Hilfe kommen wollte. …Nein, befreit fühlen sich die einhundert Waisenkinder und ihre Mütter in Meensel-Kiezegem nicht. Es dauerte viele Jahre, bis die heimliche Hoffnung auf Rückkehr der Verschleppten erlosch. …Die Anerkennung blieb den Witwen verwehrt, auch eine Entschädigung gab es nicht, galten sie doch nicht als bedürftig ..SS-Obersturmführer Robert Verbelen wurde zwar 1947 in Abwesenheit zu Tode verurteilt, betätigte sich aber im Dienst des CIA in Österreich als Verhörspezialist. Andere rühmten sich, dass die rechtspopulistische Bewegung „Vlaams Blok/Belang“ ihre SS-Ideale weiter verkörperten. Die Kriegswaisen erlebten, wie die Erben der Schwarzhemden im Verlaufe des Kalten Krieges wieder erstarkten. …Für das Jahr 2014 sind Veranstaltungsreihen zur Mahnung an den Beginn des 1. Weltkriegs geplant. Klar wurde allen im Raum, dass es nur im Zusammenhang mit Faschismus, Kollaboration und Kriegsentfesselung 1939 betrachtet werden kann.

Lese- und Gedenkfahrt nach Leipzig

geschrieben von Marion Bonk

4. Juni 2013

Am 2. Mai brachen Raimund und ich auf Einladung des BdA-Leipzig zur Lese- und Gedenkfahrt nach Leipzig auf. Am Bahnhof wurden wir von unseren Kameraden Richard und Renate herzlich empfangen.
….Am nächsten Tag übernahm Richard dann die Führung durch die Stadt zu weiteren Orten des Faschismus. Am Abend fand dann unsere Filmvorführung über Meensel-Kiezegem in der „Bäckerei“, einem besetzen Haus in der Josephstr., statt. …Abends war dann die Nacht der Museen angesagt und wir besuchten zusammen mit Richard eine Ausstellung und Lesung zu den Hasag Werken, in denen Zwangarbeiter arbeiten mussten. Die Lesung über die Todesmärsche wurde von jungen Mitarbeitern der Gedenkstätte gehalten. Sie war sehr informativ und gut vorgetragen. …Der Samstag stand ganz im Zeichen der Todesmärsche… Über Bennewitz und Machern, wo wir an Gedenksteinen ein kurzes Gedenken abhielten, ging es dann nach Wurzen auf den Friedhof, auf dem die Abschlusskundgebung mit einer sehr guten Rede der sächsischen SPD Abgeordneten Petra Köpping stattfand. ….Den Montagvormittag verbrachten wir dann mit Dieter im ehemaligen Reichsgericht, wo eine Ausstellung über seine Geschichte zu sehen war…Dann ging es wieder in die Josephstraße zur „Bäckerei“ Dort lasen wir im Kreis von Kameraden und Jugendlichen aus Raimunds Broschüre „Begegnung ohne Rückkehr“ und Gedichte von Ina Staaberg und diskutierten hinterher noch mit den Anwesenden. …An dieser Stelle noch mal ein herzlichen Danke schön an die Leipziger Kameraden für ihre freundliche Aufnahme, die tollen Führungen und den sehr ergreifenden Gedenkmarsch

Neues aus Bremen-Nord

geschrieben von Ulrich Stuwe

4. Juni 2013

Am 5. Mai fand ab 11 Uhr die alljährliche Gedenkfeier zur Befreiung vom Faschismus auf der Bahrs Plate statt
doch das diesjährige Highlight waren die Belgier der Amicale um Victor Malbecq. …Victor hielt eine kurze Rede auf deutsch, und anschließend legten die Belgier und wir die mitgebrachten Gebinde am Stein der Hoffnung ab. …Am 8. Mai verlieh die Internationale Friedensschule Bremen ebenfalls auf der Bahrs Plate den Franco-Paselli-Friedenspreis an Wiltrud Ahlers. …Unter dem Beifall der ca. 60 Anwesenden erhielt Wiltrud Ahlers den Preis für außergewöhnliches Engangement bei Erforschung der Biographien von NS-Opfern im Rahmen der Stolperstein-Aktion…Am Ende der Veranstaltung wurden drei weitere Plaketten in den Stein der Hoffnung auf der Bahrs Plate eingelassen. Sie sind für die drei Franzosen André Frachon, der auf dem Todesmarsch bei Lübeck umkam, Mario Serpieri und Georges Billatstarben, die auf der „Cap Arcona“ auf der Ostsee bei einem Fliegerangriff starben.

„Und sie werden uns nicht vernichten!“

11. März 2013

Vortrag Jörg Wollenberg

12.03.2013

„Und sie werden uns nicht vernichten!“

Vortrag Jörg Wollenberg

Dienstag, 12. März 2013, 17:00 Uhr

DGB Haus Bahnhofsplatz 22-28

Die letzte freie Rede in der Bremer Bürgerschaft am 10.März 1933 mit den Zeitzeugen Emil Theil (SPD), Hermann Prüser (KPD) und Bürgermeister Donandt

Dienstag, 12. März 2013, 17:00 Uhr DGB Haus Bahnhofsplatz 22-28 Die letzte freie Rede in der Bremer Bürgerschaft am 10.März 1933 mit den Zeitzeugen Emil Theil (SPD), Hermann Prüser (KPD) und Bürgermeister Donandt

Shoa aus Rassenwahn

geschrieben von Richard Keßler

10. März 2013

Der Frage nach den Ursachen für die Shoa, den millionenfachen Völkermord am europäischen Judentum, ging Prof. Kurt Pätzold vor 50 interessierten ZuhörerInnen am 19. Februar in einem Vortrag in der Villa Ichon nach.

Der Frage nach den Ursachen für die Shoa, den millionenfachen Völkermord am europäischen Judentum, ging Prof. Kurt Pätzold vor 50 interessierten ZuhörerInnen am 19. Februar in einem Vortrag in der Villa Ichon nach….Antisemitismus begleitete den Faschismus an die Macht. Öffentliches Aufsehen erregen vor allem Bilder vom Geschäftsboykott gegen kleine Geschäfte am 1. April 1933. …Mit den Nürnberger Rassegesetzen 1935 wurden die Kriterien auf Menschen ausgedehnt, deren Vorfahren nicht schon 1811 oder 1848 ihr Bekenntnis wechselten, um in Preußen oder anderen deutschen Bundesstaaten berufliche Aufstiegsmöglichkeiten zu erlangen. Erst nach der Novemberrevolution 1918 war es Juden in Deutschland möglich in höchste Staatsämter zu gelangen. Die so genannte Arisierung der Betriebe sei bis zum 9. November 1938 eher schleichend vonstatten gegangen, der Schein der Legalität sei gewahrt worden, alleine schon wegen Befürchtungen um das Ansehen im Ausland. ….Kurt Pätzold verwies darauf, dass es Rassismus und Sozialdarwinismus auch in anderen Gesellschaften gab….die Dimension der Shoa aber einmalig gewesen sei

Lesung zum Buch „Die Breidbachs…“ in der Zionsgemeinde

geschrieben von Herbert Breidbach

10. März 2013

Auf Initiative der Pastorin und bekannt gemacht durch den Gemeindebrief fand am Abend des 17. März im kleinen Saal der Zionsgemeinde eine Lesung des Buches „Die Breidbachs – Lebenslang politisch aktiv! statt.

Auf Initiative der Pastorin und bekannt gemacht durch den Gemeindebrief fand am Abend des 17. März im kleinen Saal der Zionsgemeinde eine Lesung des Buches „Die Breidbachs – Lebenslang politisch aktiv! statt. …Darunter einen „Feldpostbrief“ des damals zwanzigjährigen Neustädter Jungen Herbert Breidbach, dessen Bericht über die fast fünf Jahre währende Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion, den Besuch der dortigen Antifaschule im Jahr 1947 und die Freude über das Wiedersehen mit den Eltern und der Omi, die nach der Zerstörung ihres kleinen Hauses in der Hermannstraße 1944 in einer Mansardenwohnung in Gröpelingen untergekommen waren. …Die Autorin las dann Auszüge über den unermüdlich Einsatz der Beiden für ein antifaschistisch-demokratisches, friedliebendes und sozial gerechtes Deutschland vor. So z.B. in den Bewegungen „Remilitarisierung ohne uns“, gegen das drohende KPD-Verbot, im Ostermarsch gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr, gegen die Notstandsgesetze und den Vietnam-Krieg….Herbert seit 1969 als DKP-Vorsitzender im Bezirk Bremen-Niedersachsen/Nord und Inge zunächst als ehrenamtliche Mitarbeiterin für Kommunalpolitik und als „Motor“ der Arbeit im Stadtteil Neustadt/Buntentor….Es gab eine lebhafte Diskussion. Das Buch – so einige der Teilnehmer – ist so „gefühlvoll“ geschrieben. Es ist wirklich eine Lebensgeschichte vor dem Hintergrund des politischen Geschehens. In diese Richtung zielten auch die meisten Fragen an Inge und mich. z.B.

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