Neues, altes Europa

geschrieben von Erika Klantz

26. Mai 2004

Wenn es nach der Bundesregierung gegangen wäre,

Wenn es nach der Bundesregierung gegangen wäre, hätten sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) bereits jetzt auf ihre erste Verfassung geeinigt, die, soweit es Deutschland betrifft, in Bundestag und Bun­desrat dann nur noch mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgenickt werden müsste. Dass dieses Szenario so vorerst nicht eintrat, hatte nichts mit wirklich inhaltlicher Kritik an diesem Verfassungsentwurf, sondern nur mit reinen Macht­fragen zwischen der EU und einigen abtrünnigen Mitgliedsstaaten zu tun.

An Hand einiger Thesen werde ich im Folgenden die Punkte, die mir positiv oder negativ an dieser Verfassung aufgefallen sind, näher erläutern.

A) Die EU bleibt undemokratisch

Der Verfassungsentwurf lässt zwei wesentliche Tendenzen gegenüber den vorigen EU-Verträgen, erkennen. Einerseits versuchen die Verfasser wesentliche Kompetenzen (Wirtschafts-, Finanz-, Außen-, Militär- und Asylpo­litik sowie die Grenzkontrollen) auf EU-Ebene zu zentralisieren. Andererseits gibt es die durchaus lobenswerte Tendenz durch die Verfassung die Zuständigkeiten gegenüber den Mitgliedsstaaten schärfer abzugrenzen als bisher. Auch wenn sich Brüssel über die so genannte Flexibilitätsklausel des Art. 17 von Teil I (im Folgenden: Art. I-17 EU-VerfE) ein Hintertürchen für jederzeitiges Eingreifen offen gelassen hat.

Fast unverändert, aber höchst umstritten, bleibt das Zusammenspiel zwischen den vier wichtigsten Organen der EU. Alle wichtigen Entscheidungen treffen nach wie vor der Rat (der Staats- und Regierungschefs) bzw. der Mi­nisterrat (bestehend aus den jeweiligen Fachministern). Wichtigster Streitpunkt in der EU ist derzeit, ob diese Gremien zukünftig nach wie vor fast alles einstimmig oder mehr nach ausgeklügelten Mehrheitssystemen ent­scheiden. Die ohne jegliche Demokratie agierende Kommission (sozusagen der Vorläufer einer EU-Regierung) arbeitet die Vorschläge für Rat und Ministerrat aus, setzt deren Beschlüsse auch mittels EU-Verordnungen und EU-Richtlinien um und hat die gesamte EU-Verwaltung unter sich.

Das einzige Organ, das demokratisch von den Bevölkerungen der EU-Länder gewählt worden ist, das EU-Parla­ment, darf nach wie vor den EU-Haushalt genehmigen und bei einigen (immerhin einigen mehr als bisher) Ent­scheidungen mitentscheiden. Die gesamte Konstruktion ist so intransparent, das die Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz (GG) regelrecht durchschaubar erscheint und erinnert mehr an die bismarcksche Reichsver­fassung zwischen 1871-1918, als an einen demokratischen Rechtsstaat.

B) Die EU verfasst sich kapitalistisch

Hält das GG der BRD die Wirtschaftsordnung noch offiziell offen, so legt sich die EU mit ihrem Verfassungsent­wurf auf eine fast schon manchesterkapitalistische Wirtschaftsordnung fest (jedenfalls außerhalb der Landwirt­schaft). Natürlich statt dem bösem Wort „Kapitalismus“ immer „Marktwirtschaft“ geschrieben, doch am Ende kommt es auf das gleiche hinaus. In Art. I-3 Absatz 3 EU-VerfE strebt die EU zwar u.a. eine wettbewerbsfähige, soziale Marktwirtschaft an, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, doch bei dieser Absichtser­klärung bleibt es. Im Teil III, der Einzelregelungen in den Bereichen, wo die EU gesetzeskompetent wäre, ist von sozial nicht mehr die Rede. Die Wirtschaftspolitik der EU und der Mitgliedstaaten ist dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet (Art. III-69 EU-VerfE). Vorrangiges Ziel der Währungspolitik ist Preisstabilität (Art. III-77 EU-VerfE). Andere Ziele, wie Vollbeschäftigung, ausgewogenes Wirtschaftswachstum etc. spielen keine Rolle. Zur Beschäftigungspolitik heißt es „Die Union und die Mitgliedsstaaten arbeiten… insbe­sondere auf die Förderung der Qualifizierung, Ausbildung und Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer und der Fähigkeit der Arbeitsmärkte hin, auf die Erfordernisse des wirtschaftlichen Wandels zu reagieren“ (Art. III-97 EU-VerfE), d.h. der Arbeitnehmer hat sich als Humankapital uneingeschränkt den Wünschen der Wirtschaft anzupas­sen. So ist denn die Sozialpolitik der EU und der Mitgliedsstaaten auch der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der EU untergeordnet (Art. III-103 EU-VerfE). Sozialstaatsklausel des GG ade; dem Sozialkahlschlag sind Tür und Tor geöffnet.

C) Die EU verfasst sich militaristisch

Die wohl umfassendsten Änderungen zwischen dem EU-Verfassungsentwurf und den bisherigen EU-Verträgen ergeben sich bei der so genannten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Die GASP soll bei der EU zentralisiert werden. Die Mitgliedsstaaten sollen die GASP dann umsetzen. Eine zentrale EU-Armee ist auf dieser Stufe bisher noch nicht vorgesehen.

Im Prinzip denken sich die Mitglieder der Verfassungskommission den Ablauf folgendermaßen: Nach Art. I-39 EU-VerfE bestimmt der Rat die strategischen Interessen der EU und legt die Ziele der GASP fest. Wie das z. B. aussehen kann, zeigen Strucks Verteidigungspolitische Richtlinien. Ein Teil der GASP bildet die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Nach ihr erfolgen militärische und zivile (z.B. polizeiliche oder me­dizinische) Operationen. Solche Operationen können auch außerhalb der EU zur Friedenssicherung (z.B. Ein­greifen in laufende militärische Konflikte), Konfliktverhütung (Präventivkrieg im Falle eines bevorstehenden Kon­flikts) und Stärkung der internationalen Sicherheit (Eingreifen auch ohne Konflikt, wenn es den Interessen der EU bzw. ihrer Mitgliedsstaaten nützt) gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen (UN) (Art. I-40 Abs. 1 EU-VerfE) stattfinden. Beschlossen werden diese Operationen vom Ministerrat (Außenminister). Diese Be­schlüsse sind für die Mitgliedsstaaten bindend (Art III-198 Abs. 1,2 EU-VerfE). Praktisch hieße das, dass nach derzeitig gültigem deutschem Verfassungsrecht der Außenminister bei einem geplanten Auslandseinsatz der Bundeswehr das Votum des Bundestages abwarten müsste, bevor er im Ministerrat sein Votum abgibt.

Drei mögliche Entscheidungsalternativen hat ein Außenminister (Zustimmung, Enthaltung und Ablehnung). Lehnt ein Außenminister ab, kann die EU die Operation nicht durchführen (Einstimmigkeitsprinzip). Einzelne Mitglieds­staaten können die Operation natürlich im Rahmen von UN- oder NATO-Aktionen, bzw. aus eigener Machtvoll­kommenheit durchführen. Gibt es keine Gegenstimme, und ein Außenminister enthält sich, muss sich sein Staat militärisch und finanziell nicht an den Operationen beteiligen. Im „Geiste der Solidarität“ verhindert er aber nicht Maßnahmen, welche die anderen Staaten für erforderlich halten (z.B. Überflugrechte etc.). Enthalten sich min­destens ein Drittel der Minister und vertreten sie mindestens ein Drittel der Unionsbevölkerung so wird die Opera­tion als abgelehnt betrachtet (Art. III-201 EU-VerfE). Stimmt ein Staat zu, und kommt der Beschluss zustande, dann hat er keinerlei Einfluss mehr auf die zur Verfügung gestellten Truppen. Umsetzen sollen diese Operationen die Armeen der Mitgliedsstaaten (Art. I-40 Abs. 1 EU-VerfE).

Der Art. I-40 Abs. 3 Satz 3 EU-VerfE hat unter Friedensfreunden am meisten Aufsehen erregt, denn dort heißt es schön versteckt lapidar „Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“. Dies ist eine ständige Aufrüstungsverpflichtung. Um dies zu überwachen, wird ein Europäisches Rüstungsamt eingerichtet. Zu seinen Aufgaben wird es u.a., gehören den operativen Bedarf zu ermitteln, Maß­nahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und tech­nologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen ggf. durchzuführen. So erhält der militärisch-industrielle Komplex Europas eine eigene Behörde, die zumindest erheblichen Druck auf einzelne Mitgliedsstaaten ausüben kann, dieses oder jenes Waffensystem von diesem oder jenem Rüstungskon­zern zu kaufen bzw. entwickeln zu lassen.

An Atomwaffen Frankreichs und Großbritanniens kommt wahrscheinlich weder die EU noch ein anderer Mit­gliedsstaat heran. Staatsgeheimnisse dürfen die EU-Staaten nämlich für sich behalten (Art. III-342 EU-VerfE). Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die beiden offiziellen europäischen Atommächte von dieser Klausel Gebrauch machen. Das gilt aber auch für die möglichen biologischen und chemischen Waffen der Bundesrepublik.

D) Die EU verfasst ihren Grundrechtskatalog minimalistisch

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte legt die EU Grundrechte für ihre UnionsbürgerInnen (dies sind Staatsangehö­rige der Mitgliedsstaaten) und andere Menschen in der EU fest. Das Grundrechtsniveau entspricht in etwa dem des GG und unterschreitet ausdrücklich nie das Niveau der (von allen neuen und alten Mitgliedsstaaten unter­zeichneten) Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (Art II-52 Abs. 3).

Im Vergleich mit den Grundrechten des GG fällt auf, dass der EU-VerfE bestimmte Rechte (z.B. Versammlungs-, Koalitions- und Berufsfreiheit) als Menschen- und nicht als Bürgerrechte bestimmt. Der EU-VerfE erklärt auch dem GG fremde Rechte, wie z.B. die unternehmerische Freiheit (Art II-16), Rechte für Kinder (II-24) und ältere Menschen (Art. II-25), auf soziale Unterstützung und Sicherheit (Art. II-34), das Recht auf eine gute Verwaltung (Art. II-41 EU-VerfE) und ähnliche. Doch bleiben diese Rechte entweder sehr allgemein oder verweisen, wo sie konkreter werden, auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten.

In einigem bleibt die EU-Verfassung hinter deutschem Verfassungsrecht zurück. So erlaubt Art. II-28 EU-VerfE nicht Arbeitnehmern und Gewerkschaften, sondern auch Arbeitgebern und ihren Verbänden „bei Interessenkon­flikten kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen… zu ergreifen.“ Dies konstituiert auch ein Recht auf Aussperrung, das zumindest die Arbeitgeber aus dem GG nie ableiten konnten.

Schlimmer wirkt sich die EU-VerfE allerdings beim Abschiebeschutz aus. Nach Art. II-19 Abs. 2 EU-VerfE darf niemand abgeschoben, ausgewiesen oder an einen Drittstaat ausgeliefert werden, wenn dort für ihn das „ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter… droht.“ Wann ein Risiko ernsthaft ist, bleibt offen. Da die EU eine gemeinsame (sprich einheitliche) Asyl- und Einwanderungspolitik anstrebt, scheinen zukünftig Abschiebungen in (der EU freundschaftlich verbundene) Folterstaaten – z.B. die Türkei – durchaus möglich.

Einen Lapsus scheinen sich die Autoren des EU-VerfE beim Anwendungsbereich des Grundrechtskatalogs ge­leistet zu haben, denn danach gelten die Grundrechte nur für Organe bzw. Behörden der EU und für die Mit­gliedsstaaten bei der Durchführung des Rechtes der EU. Danach ist z.B. die Versammlungsfreiheit der EU völlig sinnentleert. Jede Versammlung (Kundgebung, Demo etc.), selbst wenn sie reine EU-Themen beträfe, fände auf dem Staatsgebiet eines Mitgliedsstaates (ein EU-Staatsgebiet, das nicht gleichzeitig zu einem Mitgliedsland ge­hörte, gibt es nicht) nach dessen gesetzlichen Regeln statt. Die Behörden, die sich mit der Versammlung be­schäftigen (in der BRD Polizei und Ordnungsämter), führen auch kein EU-Recht aus, denn die EU hat beim Ver­sammlungsrecht keinerlei Gesetzgebungskompetenz. Der wirkliche Grund für diesen Anwendungsbereich der EU-Grundrechte ist, dass einzelne Mitgliedsstaaten nicht über das EU-Recht (das ansonsten nationales Recht verdrängen würde) zur nationalen Einführung von ihnen unbekannten Grund- und Menschenrechten gezwungen werden wollen. So sind z.B. Datenschutzrechte meines Wissens in Großbritannien fast unbekannt.

E) Die EU entwickelt stufenweise eigene Strafkompetenzen

In dem EU-Verfassungsentwurf (EU-VerfE) wird auch die Tendenz der EU, sich schrittweise eigene Kompetenzen in der Strafverfolgung und Strafgerichtsbarkeit zu verschaffen, verstärkt. Dies wird unter der sympathischen Überschrift „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ abgehandelt. Doch wie häufig bei schönen Über­schriften handelt es sich lediglich darum, mit repressiven Methoden Kriminalität und was man dafür hält zu be­kämpfen. So erlaubt z.B. Art. III-172 Abs. 1 EU-VerfE über europäische Rahmengesetze Mindestanforderungen an Straftaten und Strafen festzulegen. Dies mag in Einzelfällen (aber nicht in der Regel) sinnvoll sein. Aber wenn die Kriminalitätsbereiche, in denen dies erlaubt sein soll, von Terrorismus, über Menschen und illegalen Drogen-, illegalen Waffenhandel bis zur einfachen Computerkriminalität und zur Leerformel der „organisierten Kriminalität“ reicht, dann plant man nicht sinnvolle Harmonisierungen in bestimmten Bereichen der Schwerkriminalität. Es wird eher beabsichtigt, eine fast allumfassende Kompetenz für die noch in den Kinderschuhen steckenden EU-Straf­verfolgungsbehörden zu schaffen.

Für die Einwohner dieses „Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ und auch für ihre Anwälte wird dann noch weniger durchschaubar, welche Polizeitruppe in welchen Fällen ermitteln, welche Staatsanwaltschaf­ten welches Delikt anklagen und welches Gericht verurteilen darf. Es hängt dann noch mehr vom Geldbeutel oder Beziehungen – und weniger von Schuld oder Unschuld – ab, ob strafrechtliche Ermittlungen mit einem Freispruch oder einer Verurteilung enden.

Diese EU-Behörden sind im Grundsatz im EU-VerfE bereits festgelegt. Eurojust soll nach Art. III-174 vorerst die Koordinierung und Zusammenarbeit von unterschiedlichen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedsstaaten bei grenzüberschreitenden Straftaten erleichtern.

Nach Art. III-175 EU-VerfE kann ausgehend von Eurojust eine europäische Staatsanwaltschaft geschaffen wer­den, die in noch eng begrenzten Fällen bereits eigene Ermittlungs- und Anklagekompetenzen besitzt.

Vorläufig ohne polizeiliche Eingriffskompetenzen bleibt Europol. Nach Art. III-177 Abs. 2 EU-VerfE ist die Haupt­aufgabe dieser Behörde die Informationsverarbeitung, der Informationsaustausch (auch mit Drittstaaten) und die Koordinierung, Organisation und Durchführung von EU-weiten Ermittlungen.

Doch lange wird es angesichts der Terrorhysterie in Europa nicht mehr dauern, bis die Kompetenzen der euro­päischen Staatsanwaltschaft soweit erweitert und diejenigen Europols geschaffen sind, dass sie von ihren Pen­dants in den USA (FBI, Bundesanwaltschaften und Bundesgerichte) kaum noch zu unterscheiden sein werden. Auch EU-Strafgerichte lassen dann nicht mehr lange auf sich warten.

Einziger Lichtblick des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ ist, dass nach Art. III-158 Abs. 3 die EU u.a. „durch Maßnahmen der Prävention und Bekämpfung von Kriminalität sowie von Rassismus und Frem­denfeindlichkeit… ein hohes Sicherheitsniveau“ gewährleisten will. Selbst wenn hieraus keine Gleichsetzung zwischen Kriminalität und Rassismus bzw. Fremdenfeindlichkeit durch die EU abgeleitet werden kann, so wird doch alles drei zusammen verurteilt. Bezeichnenderweise wurde der Neofaschismus nicht verdammt. Hier gäbe es meines Erachtens für die antifaschistische Bewegung in Europa einen Ansatzpunkt für die Ergänzung des EU-Verfassungsentwurfes.

F) Bewertung

Den EU-Verfassungsentwurf muss man im Großen und Ganzen eher negativ bewerten. Zwar ist vielfach der Versuch erkennbar, die Kompetenzen der EU von denen ihrer Mitgliedsstaaten stärker abzugrenzen, doch lässt der Entwurf der EU fast immer ein Hintertürchen, um sich weitere Kompetenzen anzueignen. Die undemokrati­schen und undurchschaubaren Verhältnisse der EU und die Größe des EU-Raumes machen es für den einzelnen Bürger bzw. Bürgerbewegungen (ganz gleich welcher Art) schwer, Einfluss auf die Entscheidungen der EU zu nehmen. Für Wirtschafts- und Lobbyverbände, die in Brüssel usw. schon jetzt ausgezeichnet vertreten sind, gilt dies natürlich nicht in gleicher Weise.

Außenpolitisch erlaubt dieser Verfassungsentwurf der EU und ihren Mitgliedsstaaten die Durchsetzung ihrer Inte­ressen (analog zu den Mitteln der USA) durch wirtschaftlichen Druck, durch die Androhung oder den Einsatz militärischer Mittel. Hierzu werden die militärischen und rüstungswirtschaftlichen Kompetenzen der EU ausge­baut. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten bleiben zwar in militärischen Angelegenheiten die Entscheidungsträ­ger. Aber die Einflussmöglichkeiten der einzelnen Parlamente der Mitgliedsstaaten werden erheblich verringert. Das EU-Parlament bleibt sowieso außen vor.

Innenpolitisch wird der Primat der Wirtschaft über die anderen Politikbereiche (in der EU schon immer ausge­prägter als in der BRD) noch stärker betont. Zur besseren Bekämpfung von Kriminalität und allem was dafür gehalten wird, schafft die EU sich immer mehr eigene Kompetenzen. Auch in dieser Hinsicht ist die Kompetenz­verteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten nicht wirklich durchschaubar.

Es zeigt sich sowohl im militärischen als auch in anderen Bereichen, dass der vorliegende EU-Verfassungsent­wurf keine endgültige Regelung der Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten darstellt. Es werden dieser wohl noch einige EU-Verfassungen folgen. Doch bedarf es unserer Aktivitäten, damit sich die aggressiv kapitalistische und aggressiv militaristische Tendenz dieses Verfassungsentwurfes in den zukünftigen Verfassungen nicht mehr finden wird.