Ansprache am 23. August 2007 zum 60. Jahrestags der Gründung der VVN Bremen im Bambergerhaus

geschrieben von Raimund Gaebelein (VVN-BdA Bremen)

22. August 2007

Am 26. April 1945 waren die letzten Kampfhandlungen in Bremen beendet, die Stadt von englischen Truppen besetzt. Die Bilanz von 12 Jahren Faschismus: fast 1.000 Bremerinnen und Bremer waren aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen ermordet worden, Tausende von Zwangsarbeitern durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen umgekommen. Die Stadt war eine Trümmerwüste.

Verehrte Bürgermeister, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Freunde aus Meensel-Kiezegem, sehr geehrte Anwesende,

Am 26. April 1945 waren die letzten Kampfhandlungen in Bremen beendet, die Stadt von englischen Truppen besetzt. Die Bilanz von 12 Jahren Faschismus: fast 1.000 Bremerinnen und Bremer waren aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen ermordet worden, Tausende von Zwangsarbeitern durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen umgekommen. Die Stadt war eine Trümmerwüste. Am 27. April trafen sich 28 Antifaschisten zu ihrer ersten legalen Zusammenkunft. Sie gründeten die Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus und erarbeiteten ein Sofortprogramm. Mitte 1945 gab es bereits 35 Ortsgruppen der KgF mit 6.500 Mitgliedern. Ihr aktiver Einsatz galt der Wiederingangsetzung der Produktion, der gerechten Verteilung von Arbeit, Lebensmitteln und Wohnungen. Trotz unterschiedlicher politischer Meinungen und religiöser Bekenntnisse stimmten sie darin überein, dass der Einfluss der Kräfte, die hinter dem Faschismus standen, endgültig gebrochen werden musste, dass es galt eine antifaschistisch-demokratische Friedensordnung zu schaffen. Am 16. Dezember 1945 beendete die KgF ihre Tätigkeit mit einem Appell an alle inzwischen wieder zugelassenen demokratischen Parteien und Organisationen, weiter für diese Ziele zu kämpfen. Die Welt wandelte sich grundlegend. Die Entnazifizierung in den drei westlichen Besatzungszonen geriet ins Stocken, die Enteignung der Monopole kam gar nicht erst zustande. Dieselben Kapitalkreise, die Hitlers Aufstieg ermöglicht hatten, blieben im Besitz der Fabriken und Banken. Belastete Nazis und Wehrwirtschaftsführer wurden rehabilitiert und gelangten wieder in wichtige Stellen in Wirtschaft, Politik, Justiz, Verwaltung und Bil­dungswesen. Die Mehrzahl der Nazimörder und Schreibtischtäter kam mit geringen Strafen davon oder wurde nicht belangt. Schrittweise wurden „immer mehr diejenigen Kräfte, die sich wirklich im Antinazikampf bewährt haben, aus der Öffentlichkeit weggezogen, weggezerrt, weggedrückt.“ So konnte es keinen wirklichen demokratischen Neuaufbau geben. In der ersten Septemberwoche 1947 wurde der Landesverband Bremen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes gegründet. Zu seinen Gründungsmitgliedern gehörten: Fritz Bolte, Fritz Böttcher, Heinrich Enderling, Ernst Fenner, Bob Fregin, unsere langjährigen Landesvorsitzenden Theo Gassmann und Schorse Gumpert, Horst Hackenbroich, Liesbeth Jessart, Maria Krüger, Hans-Ludwig Meier, Willy Meyer-Buer, Udo Meinecke, unser letztes noch lebendes VVN-Gründungsmitglied Alma Müller, Willi Müller, Ernst Niehoff, Johann Onasch, Erich Pape, Jakob Pfarr, Käthe Popall, Heinz Pophusen, Hermann Prüser, Willi Schäfter, Ella Schneider, Heinrich Schramm, Lina Schwarz, Willi Seipel und Kalli Weidner. Sie hatten Verhör und Folterung in der Ostertorwache, im Gösselhaus, KZ-Mißler und Ochtumsand hinter sich, jahrelange Gefängnisstrafen in Oslebshausen, Lübeck oder Vechta, KZ-Haft in Buchenwald, Dachau, Esterwegen, Mauthausen, Sachsenhausen oder das Bewährungsbataillon 999 überlebt. Die VVN gründete sich, um politisch der Welt und dem deutschen Volk zu zeigen, dass „die besten, fortschrittlichsten, klarblickensten Menschen, Männer und Frauen, es sind, die gestern gelitten haben und die heute als Warner und Wegweiser antreten,“ so Dr. Hans Mayer in seinem Eröffnungsreferat anlässlich der Interzonalen Konferenz der VVN März 1947 in Frankfurt/Main. Als Hauptaufgabe stellte sich die VVN die Verwirklichung einer antifaschistischen Demokratie in Deutschland, den Kampf gegen alle Überreste von Nazismus und Militarismus, Rassenwahn und Antisemitismus gemeinsam mit allen fortschrittlichen Kräften. Die wirklich Schuldigen waren und sind gerecht zu bestrafen. Eine der wichtigsten Aufgaben sah und sieht die VVN in der Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere der Jugend über die faschistischen Verbrechen, um eine Wiederholung für immer zu verhindern. Über alle Grenzen von Weltanschauung und Parteischranken hinweg galt und gilt das Gedenken der Opfer des Widerstandskampfes, die Solidarität über alle Grenzen hinaus mit unseren ausländischen Bruderorganisationen und Opferverbänden. Die VVN erachtet es als Ehrenpflicht des Staates die durch den deutschen Faschismus angerichteten Schäden an Gesundheit und Eigentum aller ehemals Verfolgten, Angehörigen und Hinterbliebenen zu Lasten der Schuldigen und Nutznießer an Faschismus und Eroberungskrieg zu regeln. Gegen den Widerstand großer Teile der Bevölkerung wurde die Bundesrepublik aufgerüstet und in die NATO eingegliedert. Die ehemaligen Widerstandskämpfer waren in den ersten Reihen derer zu finden, die gegen Aufrüstung und den Abbau demokratischer Rechte kämpften. Die Gefährlichkeit dieser Tendenzen wird durch die Tatsache verstärkt, dass die Grenzen zwischen der konservativen Rechten, Militaristen und Revanchisten zum einen und Neofaschisten zum anderen fließend sind. Am 4. November 2006 haben sich 10.000 Menschen klar und deutlich gegen den Aufmarsch der NPD in Gröpelingen ausgesprochen. In der Durchsetzung ihrer Ziele setzt die NPD auf Gewalt und bietet den militanten Freien Kameradschaften Führungsstellen in ihren Vorständen. Unter dem Schutz der Immunität hetzen sie gegen alles Nichtdeutsche und greifen Behinderte und Obdachlose an. Rassismus und Antisemitismus durchziehen die Ansprachen bei ihren wöchentlichen Aufmärschen. Mit demagogischen Losungen hatten sie bereits Sitze in den Landtagen von Sachsen, Berlin und Mecklenburg erzielen können. Auch in Bremen haben sie über die DVU Beiratsmandate und das Bürgerschaftsmandat über Bremerhaven erhalten. Vor vier Jahren wurde der Verbotsantrag der höchsten Organe unseres Landes vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen. Die Verbotsgründe bestehen nach wie vor, mehr noch, sie treten immer deutlicher hervor. Daher sammelt unsere Vereinigung bundesweit Unterschriften für einen Appell an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, einen neuen Antrag auf ein Verbot zu stellen. Er wurde bundesweit bisher von mehr als 100.000 Menschen unterschrieben, weit über 3.600 alleine in Bremen. Wir appellieren an die demokratischen Fraktionen der Bürgerschaft, die NPD-Verbotskampagne zu un­terstützen und auf die Bremer Bundestagsabgeordneten einzuwirken, ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD auf den Weg zu bringen. Wir fordern den neugewählten Senat auf, sich der Initiative des Berliner Innensenators Eberhardt Körting anzuschließen und die Voraussetzungen zu schaffen, damit einem erneuten Verbotsverfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD endlich Erfolg beschieden ist.