Trauerrede für die VVN-BdA von Monika Eichmann

12. August 2020

Abschied und Würdigung von Raimund Gaebelein,

Samstag, 1. August 2020, 14 Uhr, im BLG-Forum (Bremen, Überseestadt, Am Speicher XI/11)

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Kampfgenossinnen und Kampfgenossen von Raimund Gaebelein!

Der Landesverband Bremen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – VVN-BdA, hat euch heute hier eingeladen, um gemeinsam unseres Landesvorsitzenden und unseres Freundes zu gedenken.

Wir trauern um Raimund Gaebelein, der in den frühen Morgenstunden des 28.6. gestorben ist. Seit einigen Wochen ging es ihm nicht gut, aber nur wenige Termine sagte er ab. Um seinen politischen Idealen gerecht zu werden, hat er engagiert immer alles gegeben. Das Arbeitspensum, das er für unseren Bremischen Landesverband absolvierte, hat ihn, auch über seinen Stadtteil Gröpelingen hinaus, zu einer bekannten Persönlichkeit der Hansestadt gemacht.

Ray, wie ihn viele nannten, wurde 1947 in Marburg/Lahn geboren, ging dort zur Schule und machte sein Abitur. Von 1967 bis 1973 studierte er an der Philipps-Universität Geschichte, Politik und Philosophie.  Er wollte Lehrer werden, absolvierte sein Referendariat im hessischen Hünfeld 1977. Dort teilte man ihm mit, dass eine Einstellung nicht in Frage käme – Berufsverbot! Ray war damals Mitglied der DKP…

Er ging für ein Jahr nach Nordirland (Derry) und arbeitete dort mit Obdachlosen als Leiter eines Heimes. Hier entstand seine Liebe zur keltisch-irischen Kultur und Musik.
Vielfältige politische und persönliche Kontakte zwischen Marburg und Bremen brachten ihn dann 1978 in die Hansestadt Bremen. Hier arbeitete er bei Sozialverbänden und freien Trägern als Sprachlehrer und in sozialarbeiterischen Bezügen z. B. mit Schulvermeidern. Noch bis zuletzt unterrichtete er Geflüchtete ehrenamtlich.

Raimund war überzeugter Antifaschist und unermüdlicher Kämpfer gegen das Vergessen. Als Mitglied der VVN BdA wählte man ihn 1994 zum Vorsitzenden der Landes-vereinigung Bremen, als Nachfolger von Walter Federmann und in den Fußstapfen von Willy Hundertmark. Mit ihm gemeinsam entwickelte er auch Konzepte der „antifaschistischen Stadtrundgänge“, die viele hier kennen. Ray war auch Redakteur der Zeitung „Der Bremer Antifaschist“ und hat unzählige Beiträge geliefert.
Ray engagierte sich sehr für das Wohn- und Ferienheim Heideruh.
In Bremen kämpfte er für eine würdige Erinnerung an die Bremer Außenlager des KZ Neuengamme, vor allem die Aufarbeitung der Geschichte des Außenlagers Bremen-Schützenhof war sein Projekt.

Jährlich besuchte Raimund, oft mit Marion, Ulrich und mir, Treffen und Tagungen der Außenlager-Initiativen und -Gedenkstätten des ehemaligen KZ Neuengamme und berichtete dort über Fortschritte oder Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Erinnerungsorten für die Bremer Außenlager.

Prof. Dr. Detlef Garbe aus Hamburg schreibt in seinem Nachruf auf der Neuengamme-Homepage: „Wir werden diesen kleinen und doch großen Mann, seine kluge, stille, sanfte, liebevolle und freundliche Art sehr vermissen.“

Als ich Raimund bei Planung der Verlegung von Stolpersteinen in Blumenthal vor ca. 17 Jahren kennenlernte, mit seiner Baskenmütze auf dem Kopf, seinem immer präsenten kleinen Notizbuch, seiner nachdenklichen und klugen Art, ging mir das Bild von Ernesto Cardenal durch den Kopf.

Für meinen Geschichtsunterricht in der Oberstufe verwendete ich z. T. seine Publikationen und lernte so mit ihm, einerseits die Arbeit im Autorenkollektiv für die Schriften-Reihe der „Stolpersteine in Bremen“. Andererseits lernten Marion, Uli und ich mit ihm die Stichting Meensel-Kiezegem `44 in Belgien kennen, zu deren Mitgliedern Ray engen und freundschaftlichen Kontakt hielt. Regelmäßig entstanden so auch in meinem Arbeitsalltag Begegnungen zwischen Zeitzeugen und Schulklassen und Oberstufenkursen.

Unvergessen bleiben unsere gemeinsamen Besuche in Meensel-Kiezegem, wo wir zu Gast bei Freunden waren, z. B. im Sommer 2014 oder letztes Jahr bei der Eröffnung des neuen Friedensmuseums in Meensel. Wir konnten vieles von Raimund lernen. Gegenbesuche der Meenseler, aber auch der Amicale Belge oder der Amicale Francaise de Neuengamme fanden jährlich in Bremen statt und wurden von Raimund stets engagiert begleitet. Auch zu Freundschaften Verfolgten des Naziregimes und Zeitzeugen aus den Niederlanden, wie hier Cees Ruijter pflegte Raimund.

Für die Partei DIE Linke wurde er seit 2003 wiederholt in den Stadtteil Beirat gewählt. Noch in seiner letzten Woche nahm er als stellvertretender Beiratssprecher an der Beiratssitzung in Gröpelingen teil. Raimund hat in seinem „Arbeiterstadtteil“ auch immer „Politik vor Ort“ gemacht parteiübergreifend akzeptiert.
Keine 5 m konnte man mit Raimund in Gröpelingen unterwegs sein, ohne dass jemand rief „Hallo Ray!“

Ray war Knotenpunkt und Stern der antifaschistischen Bewegung und Vernetzung in Bremen. Dabei konsequent, aber nie ausgrenzend, sondern immer versucht zu integrieren, wenn es möglich erschien.

Mit Raimund sind zahlreiche und beeindruckende Gedenkveranstaltungen verbunden, wie „Menschen gegen Rechts“ im Mai 1994 auf dem Bremer Marktplatz, ein Jahr nach dem feigen Mord von Neonazis in Solingen oder die große Demo 2006 gegen den NPD-Aufmarsch in Gröpelingen. Ausstellungen der VVN brachte Raimund in verschiedene Schulen – Kooperationen mit Lehrer*innen entwickelten sich. Die internationale Ausstellung der FIR „Widerstand in Europa“ in der unteren Rathaushalle 2014 war ein Highlight.

2015 erhält Raimund den Franco Paselli Preis der Internationalen Friedensschule Bremen im Bürgerhaus in Vegesack. Eigentlich mochte er kein Aufhebens um seine Person, aber diese Ehrung hat ihn doch gefreut.

 Eines seiner neueren Projekte war die Aufstellung der
Gedenk-Steele zur Erinnerung an den Standort
des ehemaligen Jüdischen Altersheims in Gröpelingen.  

Für Bremen besonders wichtig, war aus meiner Sicht als Geschichtslehrerin, Raimunds konstantes kompetentes Eintreten für das traditionelle Gedenken an die Bremer Räterepublik von 1918/19, ihre Verteidiger, die Kämpfe und Errungenschaften der Arbeiterinnen und Arbeiter. Jedes Jahr organisierte er mit anderen die Gedenkfeiern auf dem Waller Friedhof und das anschließende Kulturprogramm im Westend.

Vielen von uns war Raimund ein guter Freund, hilfsbereit und unterstützend.

Er wird uns unermesslich fehlen.

Die Bremer Landesvereinigung der VVN-BdA – hier bei unserer Jahresauftakt-Versammlung im Januar – wird ohne Raimund nicht mehr dieselbe sein. Wir müssen uns anstrengen und werden doch diese Lücke nicht füllen.

Berthold Brecht sagt: Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.
Wir behalten ihn unvergessen.