Rede für die Kundgebung zum Hiroshimatag
29. August 2022
In gut drei Wochen erinnern wir uns an den Tag, an dem das faschistische Deutschland mit seinem Überfall auf Polen den 2. Weltkrieg auslöste.
Heute erinnern wir uns an den letzten barbarischen Akt am Ende dieses Krieges: an den Abwurf von zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki durch die Luftwaffe der USA.
Die USA waren neben der Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich Teil der Anti-Hitler-Koalition, der wir den Sieg über das faschistische Deutschland verdanken. Militärisch nutzlos, diente das Verbrechen der Atombombenabwürfe aber dazu, der Sowjetunion und dem Rest der Welt die militärische Überlegenheit der USA zu demonstrieren.
Am 15. August war mit der Kapitulation durch den Kaiser Japans der Kampf um eine neue Aufteilung der Welt vorübergehend beendet. Er hat ca. 60 Millionen Menschen das Leben gekostet.
Die deutschen Wehrmachtsgenerale und Kriegsgewinnler konnten nur vier Jahre nach ihrer Niederlage im Schutz der Westmächte den Staat gründen, der für ihre reorganisierte Armee gebraucht wurde. 1955 wurde dieser Staat Mitglied der NATO, noch bevor im selben Jahr die ersten Soldaten in die nach Kriegsverbrechern benannten Kasernen der Bundeswehr einrückten. Zeitgleich wurde ein Bundesministerium für Atomfragen gegründet, der zuständige Minister hieß Franz Josef Strauß. Der wurde ein Jahr später Verteidigungsminister und machte sich massiv für die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen stark, ersatzweise für die Stationierung von US-amerikanischen Atomwaffen in der Bundesrepublik. Die frühe Förderung der zivilen Kernspaltung diente natürlich auch der Möglichkeit der atomaren Bewaffnung. Am 25. März 1958 beschloss der Bundestag die Ausrüstung der Bundeswehr mit Trägersystemen für Atomwaffen. Dieser Beschluss wurde nie aufgehoben, entspricht dem NATO-Konzept der nuklearen Teilhabe und es werden neue Kampfflugzeuge dafr gekauft.. Die Bundesregierungen weigern sich bis heute, dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten.
Doch nicht nur die geschätzt 12.700 Atombomben auf der Welt bedrohen das Leben auf unserem Planeten.
SIPRI meldet in seinem Rüstungsbericht für das Jahr 2021: die globalen Militärausgaben sind auf ein Rekordhoch von über zwei Billionen Dollar gestiegen. Sie wuchsen das siebte Jahr in Folge, sie kennen offenbar keine Krise. Und SIPRI kannte da noch nicht den vom Bundestag im Juni beschlossenen Kriegskredit von 100 Milliarden und die Erhöhung des Militärhaushalts auf 2% des Bruttoinlandsprodukts, eine Erhöhung von zuletzt 50 Milliarden Euro auf dann 70 Milliarden.
Der Kampf um Einflusszonen, Absatzmärkte, Zugang zu billigen Rohstoffen, Maximalgewinne geht weiter und hat sich zugespitzt. Kapital wandert um den Globus auf der Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten und stößt dabei an immer mehr Grenzen. Die Konkurrenz verschärft sich.
Millionen Menschen blieben und bleiben dabei auf der Strecke. Hunger ist für bis zu 828 Millionen Menschen täglicher Begleiter, weltweit stirbt alle dreizehn Sekunden ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger (Deutsche Welthungerhilfe).
Der Kapitalismus tötet auch schon vor dem Einsatz von Atombomben und durch sein sozusagen normales Wirken.
Doch es rumort in der Welt, die Menschen gehen auf die Straße, weil sie so nicht mehr weiterleben können und wollen:
In Indien wurden Bahnlinien besetzt gegen die Privatisierung der Bahn. Bauern kämpfen gegen die Öffnung des indischen Agrarmarkts für internationale Lebensmittel-Konzerne. Es erwartet sie dadurch noch mehr Überschuldung. Die Selbstmorde in landwirtschaftlichen Betrieben gehen in die Tausende.
In Sri Lanka wurde die Regierung gestürzt. Die Lage für die Bevölkerung ist nicht mehr erträglich.
Das Land ist hoch verschuldet, es fehlt der Dünger in der Landwirtschaft, es fehlt an Treibstoff und Medikamenten.
In Brasilien streikten Arbeiter in Stahlbetrieben und Erzminen nach Jahren ohne Lohnerhöhung und steigender Inflation um mehr Lohn zum Leben.
Es gibt heftige Proteste gegen ein neues Pestizidgesetz, für das sich Bayer, BASF und andere bei der Bolsonaro-Regierung stark machen. So besetzte die Jugendorganisation der Landlosen-bewegung MST am 10. Juni eine Niederlassung von BAYER. Sie schrieben: „
„Während die europäische Pestizid-Industrie danach strebt, ihre Profite zu maximieren, stirbt in Brasilien jeden zweiten Tag ein Mensch an einer Pestizid-Vergiftung. Und rund 20 Prozent dieser Todesopfer sind Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren.“
In Norwegen streikten Anfang Juli Arbeiter auf den Öl- und Gasplattformen nach gescheiterten Lohnverhandlungen und bei steigender Inflation. Die Betreiber hatten einen Quartalsgewinn von 18 Milliarden Dollar eingestrichen.
In Frankreich legte im Juli ein landesweiter Warnstreik der Bahngewerkschaften den größten Teil des Bahnverkehrs lahm. Nach acht Jahren Lohnstopp und steigender Inflation ist die Wut groß.
In Großbritannien fand der größte Bahnstreik seit 30 Jahren statt: Mehr als 40 000 Bedienstete legten an drei Tagen etwa die Hälfte des britischen Bahnnetzes lahm. Wegen der hohen Inflation fordern sie mehr Lohn. „Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten, die durch unsere Aktion entstehen, aber wir wollen einfach nur das, was uns zusteht: mehr Lohn, damit die Kolleginnen und Kollegen auch künftig ihre Gasrechnungen bezahlen können.“ Im August werden sich die Streiks ausdehnen.
Hoffnung machten bei vielen von uns die Flughafen- und Hafenarbeiter in Pisa, Livorno und Genua mit ihrem Streik gegen Waffenlieferungen in die Ukraine. In Rom streikten und demonstrierten 5000 Beschäftigte unter der Losung „Die Waffen nieder – die Löhne rauf – Streik!“
Atombomben töten und zerstören, Rüstung tötet und zerstört, das kapitalistische Konkurrenzsystem tötet und zerstört.
John Heartfield schrieb unter seine berühmte Fotomontage mit der Hyäne:
„Krieg und Leichen, die letzte Hoffnung der Reichen“.
Und Bertolt Brecht schrieb zum Völkerkongress für den Frieden im Dezember 1952:
Denn der Menschheit drohen Kriege,
gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind,
und sie werden kommen ohne jeden Zweifel,
wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,
nicht die Hände zerschlagen werden.
Vielleicht sind wir zu denen zu freundlich.
Regine Albrecht (VVN-BdA Bremen)