Rede zum 8. Mai 11 Uhr auf der Reitbrake von Ulrich Stuwe, Vorsitzender der VVN-BdA, LV Bremen
12. Mai 2022
Heute ist der 77. Jahrestag der Befreiung Europas vom Faschismus an der
Macht. Damit nahm auch der Große Vaterländische Krieg gegen Deutschland
ein Ende, der seit vor fast 81 Jahren begann. Die Menschen, deren Leichen die
Deutschen hier verscharren ließen, haben sich gegen den faschistischen
Überfall auf ihr Land gestemmt. Sie wurden nach ihrer Gefangennahme
gezwungen für die deutsche Kriegsmaschinerie zu arbeiten. Durch Hunger,
Auszehrung, Krankheiten oder Gewaltakte wurden sie um ihr meist noch junges
Leben gebracht.
Von den etwa 55 Millionen Toten des europäischen Krieges waren ungefähr 27
Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion. Rund die Hälfte der
Soldatinnen und Soldaten der Roten Armee in deutscher Kriegsgefangenschaft
lebte bei der Befreiung nicht mehr.
Trotz ihrer in der Geschichte der Kriege beispiellosen Anzahl an Toten und
Verwundeten gelang es der Roten Armee nicht nur die Sowjetunion, sondern
auch u.a. die Staaten Osteuropas, des Balkans und große Teile des Deutschen
Reichs vom Faschismus zu befreien.
Für Europa brachte dieses Ende des Zweiten Weltkriegs zwar nicht – wie die
deutsche Politik und Historie immer wieder verkündet – eine lange Periode des
Friedens. Bürgerkriege und militärische Aktionen in anderen Ländern fanden
auch in Europa in der Folgezeit immer wieder statt. Immerhin konnte ein Dritter
Weltkrieg bis zum Ende des Warschauer Paktes und der Sowjetunion aber
verhindert werden.
Erst das durch die Nato-Staaten unterstützte Auseinanderbrechen Jugoslawiens
in ihre Einzelstaaten führte zu längeren Kriegen. Bis sich die Nato-Staaten
entschlossen haben zugunsten der kosovarischen Unabhängigkeit einen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Rest-Jugoslawien zu führen. Ein
Umstand, der in der westlichen Propaganda auch heute noch gerne
verschwiegen wird.
Heute führt die Russische Förderation ebenfalls einen völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg in der Ukraine, der zehntausenden auf beiden Seiten bisher das
Leben gekostet hat und Millionen zur Flucht aus ihrer Heimat getrieben hat.Ich werde hier jetzt nicht auf die russische Rechtfertigung dieses Einmarsches
in die Ukraine eingehen. Sie ist in Teilen richtig und in anderen falsch bzw.
schlichtweg gelogen. Eine Berechtigung für diesen Krieg ist sie nicht. Das auch
von Seiten der Ukraine und der Nato, der EU und anderen die Ukraine
unterstützenden Staaten die Öffentlichkeit belogen und betrogen wird, wird
kaum jemand ernsthaft leugnen, rechtfertigt das russische Vorgehen aber
ebensowenig.
Das angesichts des russischen Angriffskriegs einige Staaten ihre
wirtschaftlichen und politischen Kontakte zur Russischen Förderation
einschränken und in Teilen beenden, mag noch nachvollziehbar sein. Warum
dies in kulturellen, sportlichen, persönlichen Bereichen auch passiert oder
zumindestens ein erheblicher Druck in dieser Hinsicht ausgeübt wird, bleibt mir
allerdings unklar. Angeblich sind im Westen diese Bereiche – im Unterschied zu
Russland – ja völlig unabhängig von politischer Einflussnahme. Das dies nicht
so ist, haben die Diskussionen und Handlungen der letzten Wochen auch in der
Bundesrepublik zur Genüge gezeigt. Dazu gehören auch Übergriffe auf wirklich
oder vermeintlich russischsprachige Menschen und Schändungen von
sowjetischen Kriegsdenk- und -ehrenmälern.
Auch hier an diesem Ort müssen wir verhindern, dass die russische Aggression
in der Ukraine dazu genutzt wird, die wirtschaftliche Nutzung dieses
Gräberfeldes zu rechtfertigen. Nicht nur, dass hier die sterblichen Überreste von
Menschen von allen ca. 100 Völkern der Sowjetunion – also auch Ukrainer –
liegen. Vor allem weil die Menschen der Sowjetunion nicht nur für ihre eigene,
sondern letztendlich auch für unsere Befreiung vom Faschismus gekämpft
haben. Dafür schulden wir ihnen – auch denen die meist elendig in
Gefangenschaft umgekommen sind – unseren Dank.
Die Aufrechterhaltung des persönlichen Austausches zwischen Menschen in
Deutschland und Russland in dieser Zeit ist eminent wichtig und richtig. Ein
solcher Dialog darf nicht bedeuten zur Konfliktvermeidung den Standpunkt des
anderen zu übernehmen oder dem anderen den eigenen Standpunkt aufzwingen
zu wollen. Doch auch dieser Krieg wird – hoffentlich recht bald – zu Ende
gehen. Auch danach sind so genannte zivilgesellschaftliche Kontakte zwischen
den Menschen der Russischen Förderation und der Bundesrepublik bitter nötig.
Damit diese Auseinandersetzung zwischen unseren verhärteten Regierungen
nicht doch noch zu einer weitaus größeren kriegerischen wird.