Veranstaltung zu Ehren der Verteidiger_innen der Bremer Räterepublik
17. März 2014
95. Jahrestag der Niederschlagung der Bremer Räterepublik
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir haben uns heute hier auf dem Waller Friedhof versammelt zu Ehren der Verteidigung der Bremer Räterepublik, zum Gedenken an den 95. Jahrestag ihrer Niederschlagung. Die Bremer Räterepublik hängt eng mit dem Beginn des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren zusammen, der mit der russischen Oktoberrevolution und dem Matrosenaufstand in Kiel und der Novemberrevolution in Deutschland endete. Im 1. Weltkrieg hatte das ökonomisch erstarkte Deutsche Reich die Neuaufteilung der Welt und der Kolonien erreichen wollen. Dem Krieg vorausgegangen war ein gigantisches Wettrüsten auf allen Seiten. Im Vorfeld gab es Verabredungen der Arbeiter- und Friedensbewegung in Deutschland und Europa gegen einen drohenden Krieg. Die Sozialdemokraten in Deutschland hatten viele Beschlüsse gegen den Krieg gefasst und zum Widerstand aufgerufen. Trotzdem stimmten die Abgeordneten der SPD im August 1914 im Reichstag für die Kriegskredite. Nicht nur in Deutschland fanden sich bei Kriegsausbruch viele ehemalige Kriegsgegner in den Reihen der Vaterlandsverteidiger ihrer jeweiligen Nation wieder. Opportunismus führte zu Nationalismus. Die sog. Burgfriedenspolitik hielt jedoch nicht lange. Versorgungsengpässe und die Ausbeutung in der Rüstungs- und Kriegswirtschaft führten bereits ab 1915 überall im Reich und auch hier in Bremen zu Streiks und Demonstrationen. Mit zunehmender Dauer des Krieges verstärkten sich auch Proteste und soziale Unruhen. Und zum Ende des ersten Weltkrieges, im November 1918, weigerten sich dann Matrosen zu einer Entscheidungsschlacht gegen die britische Marine auszulaufen. Der Kieler Matrosenaufstand war der Anfang der Novemberrevolution und des Sturzes der Monarchie in Deutschland. In vielen Orten wie hier in Bremen wurden Arbeiter- und Soldatenräte zur Übernahme politischer Funktionen gebildet. Es waren dann Sozialdemokraten wie Noske, Ebert und Scheidemann, die zusammen mit Freikorps und ehemaligen Generälen gegen die revolutionären
Arbeiter- und Soldatenräte vorgingen und sie zerschlugen.
2 Liebe Freundinnen und Freunde,
Jahrzehnte nach dem Ende des zweiten Weltkrieges erleben wir eine Welt, in der Krieg wieder zum Mittel der Politik geworden ist. Dabei war und ist die Losung ,Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus‘! die Lehre aus den zwei Weltkriegen. Es waren wieder Sozialdemokraten, die zusammen mit den Grünen 1999 die Beteiligung Deutschlands an dem Krieg gegen Jugoslawien beschlossen. Nach dem Zusammenbruch der DDR und des Warschauer Vertrages war die deutsche Wirtschaft erstarkt und Deutschland wollte auch militärisch wieder Einfluss gewinnen. Kurz darauf beschloss Rot-Grün 2001 auch die Beteiligung am Krieg der USA gegen Afghanistan. Es ging und geht um den Zugang zu Ressourcen und um geostrategische Interessen in Zentralasien. Dass wollten deutsche Konzerne zusammen mit Schröder und Fischer nicht dem USKapital überlassen. Beim Krieg um das Öl im Irak ist Rot-Grün aufgrund der massenhaften weltweiten Proteste dann schnell wieder zum Kriegsgegner geworden und hat damit 2002 erneut die Bundestagswahlen gewonnen. In Wirklichkeit hat die damalige Bundesregierung auch diesen Krieg durch Geheimdienste und Überflugrechte sowie die Erlaubnis der Nutzung der US-Militärbasen unterstützt.
3 Seitdem ist Deutschland weltweit dabei, wenn es um militärische Interventionen und den Zugang zu Rohstoffen und die Sicherung von Handelswegen geht. Zurzeit sind 5.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in elf Staaten auf drei Kontinenten im Einsatz. Allerdings trat 2010 noch der damalige Bundespräsident Horst Köhler zurück, weil er nach einem Besuch der Truppen in Afghanistan erklärt hatte, im Notfall sei auch „militärischer Einsatz notwendig (…), um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege“. Die CDU-FDP hatte 2009 in ihrem Koalitionsvertrag eine „Kultur der Zurückhaltung“ beschlossen und sich nicht an jedem Kriegsabenteuer beteiligt. So enthielt sich Deutschland bei der UN-Abstimmung über einen Einsatz in Libyen und beteiligte sich nur in den NATO-Stäben. Beim NATO-Krieg gegen Libyen und dem Einsatz Frankreichs in Mali waren es SPD und Grüne, die für die Übernahme von Verantwortung und eine Beteiligung der Bundeswehr warben. Ausgerechnet die FDP mahnte, man müsse doch erst mal die Lehren aus der Niederlage in Afghanistan ziehen, bevor man sich an weiteren Kriegsabenteuern beteilige.
4 Nun will die große Koalition unter Beteiligung der SPD eine weltpolitische Offensive starten. Im Koalitionsvertrag steht: „Wir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten.“ Aus Sicht der großen Koalition ist die Zeit reif für noch umfassendere Einmischungen in Europa und der Welt. Die Euro-Krise hat die Machtverhältnisse in Europa eindeutig zugunsten Deutschlands geklärt. Zwischen CDU/CSU und der SPD gab es schon bei sämtlichen Banken- und Euro-Rettungspaketen keine Differenzen. Bei den Koalitionsgesprächen war man sich bei der Europa- und der Außen- und Verteidigungspolitik schnell einig. Die Vordenker der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) haben im Sommer ein Grundsatzpapier unter dem Titel „Neue Macht. Neue Verantwortung“ herausgebracht. Es begründet den Anspruch der EU als Weltmacht unter deutscher Führung. Sowohl SPD-Außenminister Steinmeier als auch die neue Kriegsministerin von der Leyen sprachen sich Anfang des Jahres für ein stärkeres Engagement der Bundeswehr in Afrika im Rahmen der EU aus. Und der Nachfolger von Horst Köhler, Bundespräsident Gauck, forderte am letzten Wochenende auf der Münchener Sicherheitskonferenz von Deutschland „mehr Engagement in der Welt“.
5 Deutschland solle sich an noch mehr Kriegen weltweit beteiligen, das weltpolitische Gewicht der BRD müsse verstärkt militärisch abgesichert und erweitert werden. Dabei solle es auch mehr Militäreinsätze unter Führung der EU geben. Die Worte von Bundespräsident Joachim Gauck und SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier erinnern in fataler Weise an das Trommeln des Deutschen Kaisers Wilhelm II. am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Die Parallele zu 1914 mahnt zur äußersten Wachsamkeit gegen Aufrüstung und Krieg. Für ein „Wehret den Anfängen“ ist es schon zu spät. Die Bundeswehr ist seit 1999 aktiv an Kriegen beteiligt. Wie vor 100 Jahren ist es die SPD, die sich schamlos für Militarisierung und Krieg ausspricht. Wir sollten umso intensiver für Frieden und Abrüstung werben. Wir wollen globale soziale Gerechtigkeit und eine Kultur des Friedens. Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus! Das sind wir auch den Matrosen von Kiel und den Verteidigern der Bremer Räterepublik, den Opfern von Krieg und Faschismus schuldig!