Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus, Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland,

geschrieben von Raimund Gaebelein

12. Januar 2013

In elf Beiträgen wird die Verfolgung der norddeutschen Sinti und Roma 1933/45 dargestellt, ergänzt durch vier Buchbesprechungen zum Thema.

In elf Beiträgen wird die Verfolgung der norddeutschen Sinti und Roma 1933/45 dargestellt, ergänzt durch vier Buchbesprechungen zum Thema. Ziel des Heftes ist es, auf konkrete Weise die regionalen Formen von Verfolgung, lokale Gemeinsamkeiten und Unterschiede nachzuzeichnen Einer ausführlichen Darlegung der faschistischen Verfolgungsmaßnahmen folgt eine Beschreibung des ideologischen Hintergrundes ihrer Ausgrenzung. Der Ende der Weimarer Republik einsetzende Integrationsprozess wird mit der faschistischen Vernichtungspolitik beendet. Die Zwangsghettoisierung in Großstädten wie Hamburg und Berlin ist der erste Schritt in den Völkermord. Dargestellt werden die Stationen der Deportation, Hamburg, Berlin-Marzahn, Moringen, Ravensbrück, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen vor allem anhand von Selbstzeugnissen. Die bedrückende Kontinuität der Verfolgung wird in Frank Reuters Aufsatz über die Rezeption des Völkermordes deutlich, und auch in den Bildungsmaterialien von Christian Wolpers. Oktober 1958 wurde Wilhelm Mündtrath in Bremen Oberkriminalsekretär. 1941-45 war er als Sachbearbeiter des „Zigeunerdezernats“ der Bremer Kriminalpolizei mitverantwortlich für die Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz-Birkenau. Mindestens einen Transport begleitete er persönlich. 1945 wurde Mündtrath aus dem Polizeidienst entlassen, was 1947 vom Berufungsausschuss bestätigt wurde. Im Januar 1949 zum Minderbelasteten abgestuft, wurde er bereits im Mai amnestiert. Die Aussagen der früheren Kollegen galten als gewichtiger als die von wenigstens sechs überlebenden Opfern, dass er mit Einlieferung ins KZ drohte, sollten sie einer Zwangssterilisierung nicht zustimmen. Sehr spät erst hat die Verfolgung der Sinti und Roma Eingang in die Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur gefunden. Die personelle Kontinuität dieser Zunft, die Fortsetzung der diskriminierenden Verfolgung in den frühen Jahrzehnten der BRD, das Fortbestehen rassistischer Vorurteile bis in die Gegenwart verhinderten die Auseinandersetzung. Erst mit einer wachsender Bürgerrechtsbewegung aus Reihen der Sinti und Roma selbst, mit spektakulären Besetzungsaktionen in KZ-Gedenkstätten setzte allmählich in den 80er Jahren ein Umdenken ein. Die Autoren schrecken davor zurück, Parallelen zwischen Judenverfolgung und der Verfolgung der Sinti und Roma im Faschismus zu bestätigen. Es bliebe zu fragen, „wie weit eine solche Parallelisierung trägt“, fragt Thomas Rahde mit Verweis auf Unterschiede, die von der historischen Forschung festgestellt wurden. Das gelte selbst für die „praktische Durchführung von Ausgrenzung, Festsetzung und Mordaktionen“. Sehr früh setzte bei Sinti und Roma die durchgehende Zwangssterilisierung ein, die Ghettoisierung erfolgte vor dem Krieg als polizeiliche Verfolgung „Asozialer“. Beim jüdischen Teil der Bevölkerung dagegen ging es um systematische Enteignung.

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Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus, Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland, Heft 14, 232 Seiten, Edition Temmen, Bremen 2012, 14,90 Euro ISBN 978-3-8378-4039-1