Rachemotive

geschrieben von Raimund Gaebelein

14. März 2012

Klappentext: Zum Frühstück ein Mord – und Knall auf Fall befindet sich der ehemalige Studienrat Christian Strasser in der Rolle des einzigen Zeugen. Das Opfer des morgendlichen Schießfeuers ist der Franzose Didier Moriot, ehemaliges Mitglied der französischen Waffen-SS, die im Zweiten Weltkrieg an der Seite der Nazis für die Erfassung, Verhaftung und den Abtransport französischer Juden in die Vernichtungslager sorgte. Kommt der Killer aus dem Milieu der Épuration Sauvage, einer antifaschistischen Gruppierung, die sich der Rache an Kollaborateuren verschrieben hat?

Christian Strasser wird in einem Hamburger Café zufällig Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei französischen Geschäftsleuten. Als er kurz zur Toilette geht, fallen Schüsse, und der Händler Didier Moriot liegt tot am Boden. Als 19jähriger hatte sich Strasser in die Studentin Alexandrine Didier aus Neuilly bei Paris verliebt. Ob der 65jährige Tote wohl ihr Vater ist? Strasser möchte es genauer wissen und begibt sich auf die Suche nach seiner Jugendliebe. Das elterliche Haus ist inzwischen abgerissen, aufwändig gestalten sich Strassers Nachforschungen bei Polizei und Ämtern, im Telefonbuch, bei Zufallsbekanntschaften. Anlässlich der Beisetzung Moriots in Carcassonne macht er Bekanntschaft mit Kriminalkommissar Savarin. Von ihm erfährt er Näheres über Moriots Vergangenheit bei der französischen Waffen-SS. Kurz darauf fällt Savarin einem Anschlag zum Opfer. Strasser wird klar, dass er als Tatzeuge selbst gefährdet ist. Unter dem Schutz des ehemaligen Fremdenlegionärs Daniel Fourmonts vom Geheimdienst begibt er sich auf die Spur Alexandrine Didiers in Andorra. Von ihr erfährt er mehr über die Verbrechen ihres Vaters und von einem bevorstehenden Kameradschaftstreffen der Waffen-SS in Andorra. Ein erneuter Anschlag erfolgt. Die weitere Spurensuche führt Strasser und Fourmont ins italienische Bergamo, wo die Polizei stark von alten und neuen Faschisten unterwandert ist. Fiel Didier Moriot einem Fememord alter Kameraden oder einem Racheakt der Épuration Sauvage zum Opfer, einer Gruppe, die sich für legitime Rächer faschistischer Kriegsverbrecher hält und Rückhalt in der französischen Polizei hat? Melzers Romanfragment liest sich spannend, der sprachunkundige Leser ist allerdings gleich anfangs vom Gebrauch französischer und gegen Ende von italienischen Redewendungen verwirrt, die häufig ohne nochmalige Wiederholung in deutscher Sprache dastehen. In der zweiten Hälfte folgt eine unerwartete Fülle an Stichworten zu Verbindungen zwischen internationalen Geheimdiensten zu faschistischen Kameradschaften und terroristischen Vereinigungen, deren Wirken eigentlich einen sehr stark erweiterten Roman erwarten lassen, in dem Spuren der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte aufgedeckt werden. Wolfgang Melzer, Nach dem Tod ist vor der Geburt, Schardt Verlag Oldenburg 2011, 187 S., 12,80 Euro, ISBN 978-3-89841-601-6

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