Demokratische Kontrolle?

geschrieben von Richard Keßler

14. März 2012

Wer sich einen äußerst spannenden Vortrag erhofft hatte, behielt auch diesmal Recht. Rolf Gössner schilderte auf Einladung der Humanistischen Union am 9. Februar in der Villa Ichon die langjährigen mühevollen Versuche einer öffentlichen Kontrolle des Verfassungsschutzes.

Wer sich einen äußerst spannenden Vortrag erhofft hatte, behielt auch diesmal Recht. Rolf Gössner schilderte auf Einladung der Humanistischen Union am 9. Februar in der Villa Ichon die langjährigen mühevollen Versuche einer öffentlichen Kontrolle des Verfassungsschutzes. Selbst wurde er 38 Jahre lang ausgespäht, weil er sich über Jahre in Niedersachsen als Justiziar der Landtagsfraktion der Grünen und später als Verfassungsrichter und Innendeputierter für die Bremer Linksfraktion um die Entschleierung eines Geheimdienstes bemühte, der sich bislang der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen wusste. Ein Urteil des Kölner Verwaltungsgerichtes legte kürzlich klar, dass nicht etwa Rolf Gössner als irgendwelcher undemokratischer Aktivitäten Verdächtiger ausgeforscht wurde, sondern weil er in seiner Anwaltstätigkeit und seinen Ämtern mit Menschen in Berührung kam, die irgendwie ins Visier der 17 Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder geraten waren. Die Kopien seiner zu 80% geschwärzten Akte ließen sich sehr gut in der Kunsthalle ausstellen. In einem Interview hatte er der Bremer TAZ gegenüber am selben Tag ausgeführt: „die geheimen Strukturen des Verfassungsschutzes (VS) widersprechen den demokratischen Prinzipien der Transparenz und Kontrollierbarkeit. Über seine V-Leute etwa verstrickt er sich zwangsläufig in kriminelle Machenschaften… Die bezahlten V-Leute sind hartgesottene Neonazis, gnadenlose Rassisten und Gewalttäter – sie beobachten nicht bloß. Der VS schützt sie mitunter gegen Ermittlungen der Polizei, schottet sie ab, unterdrückt Beweise.“ Rolf Gössner belegte es mit zahlreichen Hinweisen auf die finanzielle Unterstützung von NPD-Aktivitäten durch den Aufbau eines Informanten-Systems. Der Verbotsprozess 2003 hatte nicht stattfinden können, da die V-Mann-Führer z.T. keinerlei Aussageerlaubnis hatten, die für das Verfahren benannten Zeugen oft selbst und mit Zuwendungen des VS die Beweise produziert hatten, die die aktiv kämpferische Demokratiefeindlichkeit belegen sollten. Um die umwitterten Arbeitsmethoden geheim zu halten, erhalten nicht einmal Richter Einsicht in die Originalakten, die Öffentlichkeit bleibt ausgeschlossen, die Zeugen werden nur aus zweiter Hand zitiert. Rolf Gössners Fazit: die bundesdeutschen Inlandsgeheimdienste müssen soweit möglich einer öffentlichen demokratischen Kontrolle zugeführt werden, wenn schon ihre Auflösung aus Staatsraison nicht möglich erscheint. Sie bleiben ein Fremdkörper im demokratischen Staatswesen, was ihre Entstehungsgeschichte im Kalten Krieg mit Führungspersonal aus Gestapo und SD nahelegt. Ihre Aufgaben könnten effizienter und kontrollierbarer von wissenschaftlichen Forschungsinstituten übernommen werden.