Zum Internationalen Gedenktag für die Opfer von Faschismus und Krieg

10. September 2011

11.09.2011

Zum Internationalen Gedenktag für die Opfer von Faschismus und Krieg

Sonntag, 11. September 2011, 11:00 Uhr

an Fritz Cremers Figur „der Freiheitskämpfer“ am rechten Seiteneingang der Ostertorwache

Es spricht Kristine Vogt (MdBB die Linke). Es spielt Aline Barthélémy. Im Anschluss Besichtigung der Gedenkstätte.

Sonntag, 11. September 2011, 11:00 Uhr an Fritz Cremers Figur „der Freiheitskämpfer“ am rechten Seiteneingang der Ostertorwache Es spricht Kristine Vogt (MdBB die Linke). Es spielt Aline Barthélémy. Im Anschluss Besichtigung der Gedenkstätte.

Zum Internationalen Gedenktag für die Opfer von Faschismus und Krieg

geschrieben von Kristina Vogt

10. September 2011

seit 1947 wird am 2. Sonntag im September in ganz Europa der Opfer von Faschismus und Krieg gedacht.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Freunde,

seit 1947 wird am 2. Sonntag im September in ganz Europa der Opfer von Faschismus und Krieg gedacht. In der BRD allerdings nur in den Hansestädten. In Bremen lud Wilhelm Kaisen am 12. September 1947 zu einer Großveranstaltung der VVN ins Rathaus und legte zwei Tage später den Grundstein für das Feld K für KZ-Häftlinge auf dem Osterholzer Friedhof. Die Bremische Bürgerschaft rief damals zur Teilnahme auf: Diese beiden Veranstaltungen werden für Bremen eines der Zeugnisse ablegen, in welcher die Gesinnung und die Auffassung der Lebenden für die Toten dokumentiert wird.“ Eberhard Peters schrieb am 09. September 1947 im Weser Kurier: „Der deutsche Staat ist ein Scherbenhaufen geworden, und auf dem gigantischen politischen Friedhof, den er hinterlassen hat, sollte auf jedem Gedenkstein für seine toten politischen Häftlinge und Soldaten stehen: „Für gewisse Konzerninteressen geopfert“. Das wäre die nackte Wahrheit… Die Toten mahnen – damit nicht unsere Kinder dem selben Moloch geopfert werden.“

Wir stehen heute an der Ostertorwache, einem Biedermeiergefängnis, einem wilheminischen Kerker, der Gestapofolterhölle, und bis in die Neunziger eine Wache, die zahlreiche TeilnehmerInnen von Demonstrationen von innen erleben „durften“ und zu letzt, auch das passt in die unsägliche Tradition, ein Abschiebeknast. Die Statue „Freiheitskämpfer“ von Fritz Crämer erinnert an die Gestapo-Opfer, die hier verhört und gefoltert wurden. Nach langen vorbereiteten Listen wurden Arbeiterfunktionäre am Tag nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 verhaftet. Vor ihrer Einlieferung ins KZ Mißler saßen hier auch der ehemalige Präsident der Bremischen Bürgerschaft August Hagedorn, und der Senator Willy Dehnkamp. 1944 waren bis zu 260 Männer und 98 Frauen zur gleichen Zeit in diesen Zellen eingesperrt, darunter wegen „Arbeitsbummelei“ mehr als 100 Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion.

Die Gestapo-Zentrale befand sich am Wall. Dort fanden die berüchtigten „Sonderbehandlungen“ der Gestapoleiter Herlein und Frieden statt. Drei große Prozesse gegen mehr als 200 Mitglieder von Arbeiterparteien wegen Fortsetzung ihrer politischen Arbeit und Fortführung ihrer Strukturen wurden vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht verhandelt. Das Bremer Sondergericht fällte 54 Todesurteile, von denen 45 vollstreckt wurden.

Wer nun aber denkt, der Terror des Nazi-Regimes gegen Arbeiter und ArbeiterInnen, gegen Menschen jüdischen Glaubens, gegen politisch anders Denkende, gegen Menschen, die einen anderen Lebensentwurf oder eine andere Sexualität lebten als es das Weltbild der Nationalsozialisten vorsah, sei seit 1945 Geschichte, der irrt. Rassismus und Ausgrenzung bestimmen in Europa längst wieder den politischen Zeitgeist und diktieren damit nicht nur vielen Mitbürgern und MitbürgerInnen einen unerträglichen Alltag, der zuweilen auch Todesopfer fordert, wenn braune Schlägerbanden ihre Vorstellung von „national befreiten Zonen“ in die Tat umsetzen. Nein Rassismus und Ausgrenzung bestimmen längst auch wieder politische Entscheidungen. Überall in Europa feiern rechtspopulistische Parteien Wahlerfolge und stellen sogar – wie in Ungarn – die Regierung. Asyl- und Aufenthaltsgesetzgebung wurden in den letzten Jahren EU-weit verschärft um die wenigen, die es trotz eines unerklärten Krieges an den EU-Außengrenzen, schaffen als Flüchtlinge nach Europa zu kommen, möglichst schnell wieder los zu werden.

Ein antimuslimischer Rassismus vergiftet auch hier das Klima. Zugleich darf man in der BRD wieder ungestraft gegen alle der so genannten Unterschicht hetzen: gegen Hartz-IV-EmpfängerInnen, SozialhilfebezieherInnen und auch gegen Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Man darf nicht vergessen, dass ein Thilo Sarrazin zunächst gegen Hartz IV-EmpfängerInnen wetterte, bevor er die BRD durch die angeblich natürliche Dummheit und die Fruchtbarkeit von MigrantInnen bedroht sah. Ausgrenzung und Hetze gegen MigrantInnen und Menschen, die in dieser kapitalistischen Gesellschaft von vielen für überflüssig angesehen werden, weil sie angeblich nichts leisten, findet man in allen Gesellschaftsschichten. Aber wenn Vertreter aus Politik und Wirtschaft mediengerecht ihre Parolen verbreiten dürfen; dann kann man getrost behaupten: das rechte Lager bekommt sein Fanal von ganz oben.

Welche Auswirkungen das hat, haben wir vor wenigen Wochen in Norwegen erlebt: 77 Meschen starben bei den Anschlägen, die Anders Breivik verübt hat. Er ermordete 77 Menschen, weil sie nicht in sein Weltbild passten. In einem 1.500-seitigen Manifest voller Hass gegen EinwandererInnen und SozialistInnen machte er deutlich, dass für ihn alle auf die Todesliste gehören, die seinem Ideal von Weltbeherrschung durch eine auserwählte Kaste nicht entsprechen. Der Attentäter von Oslo steht nicht alleine. Er war Mitglied der rassistischen norwegischen Fortschrittspartei. Vorbilder hatte er im amerikanischen Oklahoma-Bomber Timothy McVeigh und im Oktoberfest-Attentäter Gundolf Köhler. Wie sie steht er in der Tradition des Faschismus, geprägt durch Wehrsportübungen und Fortschrittshass.

In einem politischen Zeitgeist, in dem Angst vor MigrantInnen, vor allem vor muslimischen MigrantInnen, geschürt wird, fühlen sich solche rechten Mörder sicher und im Recht.

Bremen hat am 22. Mai dieses Jahr gewählt. Bei der sehr niedrigen Wahlbeteiligung konnte nicht verhindert werden, dass die faschistische NPD in die Beiräte Gröpelingen und Blumenthal eingezogen ist, und sechs weitere Mandate an die rechtspopulistischen „Bürger in Wut“ fielen. Beide Parteien stellen das nachhaltige Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Muttersprache und Religion in Frage. Sie nutzen die Perspektivlosigkeit vieler Erwachsener und Jugendlicher, um Hass und Diskriminierung gegen Teile der Bremer Bevölkerung zu schüren. Beide Parteien haben sich nur gezwungener Maßen von dem doppelten Anschlag in Norwegen distanziert.

156 Menschen wurden seit 1190 durch faschistische und rechte Schlägertrupps ums Leben gebracht. Sie sprachen türkisch, hatten eine schwarze Hautfarbe, hörten gerne Punkmusik, waren politisch links orientiert oder einfach nur obdachlos.

Wir gedenken hier an dieser Stelle der Opfer des Faschismus damals und heute. Ihre Namen sollen nicht vergessen sein, sonst kann sich faschistische Gewalt jederzeit wiederholen. Die Voraussetzungen dafür sind leider gegeben: soziale Kälte und die elitäre Vorstellung des Rechts des Stärkern sind in unseren Gesellschaftsstrukturen eingebettet. Es ist unsere Sache, für eine Gesellschaft einzutreten, in der kein Platz für Ausbeutung und Ausgrenzung und in letzter Konsequenz daher auch kein Platz für einen Genozid ist, wie wir ihn durch die Nationalsozialisten erlebt haben. Wir fangen heute im Kleinen an, hier an dieser Stelle.