Nordkonferenz

geschrieben von Raimund Gaebelein

27. Februar 2011

Gut besucht war die Nordkonferenz am 25./27. Februar in Heideruh zweifellos, und die Vorträge von Prof. Dr. Ludwig Elm (Jena) und Dr. Angelika Königseder von Zentralinstitut für Antisemitismus in Berlin am Samstag erfüllten alle Erwartungen.

Gut besucht war die Nordkonferenz am 25./27. Februar in Heideruh zweifellos, und die Vorträge von Prof. Dr. Ludwig Elm (Jena) und Dr. Angelika Königseder von Zentralinstitut für Antisemitismus in Berlin am Samstag erfüllten alle Erwartungen. Heideruh bot in seiner charmanten Weise schneebedeckt einen angenehmen Hintergrund für die intensiven Gespräche, und das literarische Kulturprogramm abends mit Jonny Schacht hatte das lange Warten gelohnt. Die meisten Anwesenden hatten inzwischen Erfahrungen mit der VVN-Ausstellung über den „Neofaschismus in Deutschland“ gesammelt, das Schwerpunktthema „Konservatismus“ war als theoretische Fundierung für die allfällige Auseinandersetzung mit Behörden und Parteien gewählt worden. Als Historiker legte Ludwig Elm den Schwerpunkt seines Vortrags auf die Wandlungsprozesse konservativen Denkens nach den einschneidenden Zäsuren des 20. Jahrhunderts, dem Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, der Befreiung vom Faschismus 1945 und die Umbruchsituation 1989/90. Gleichzeitig war sein Anliegen, die Grundkonstante konservativen Denkens deutlich zu machen: ein gegen Aufklärung, vernunftbegabtes Denken und Handeln, sowie jede Gleichheitsvorstellung gerichtetes Bewahren traditioneller Werte und Verhältnisse. Für Ludwig Elm setzt konservative Ideologie mit Edmund Burkes Betrachtung der Französischen Revolution von 1789 ein. Das Feindbild konservativer Politik wandte sich nach der November-Revolution 1918 der Arbeiterbewegung zu, geriet doch der Begriff konservativ in Bedrängnis und wurde durch den Begriff Volkspartei ersetzt. Konservativ wurde bis in die jüngste Zeit zum Begriff für völkische Vordenker des aufkommenden Faschismus. Neokonservative Publizisten wirkten nach der Befreiung vom Faschismus auf den Restaurationsprozess der Adenauer-Ära ein. Verstärkt wurden in der Diskussion die Tendenz zur Militarisierung der Gesellschaft und Übergänge zu rechtsextremen Gesellschaftsvorstellungen in der aktuellen Sozialdebatte hervorgehoben. Antimuslimischer Alltagsrassismus war Schwerpunktthema von Angelika Königseder. Die Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh 2004 sieht sie als Ausgangspunkt einer neuen Qualität in der Feindbildung. Überfremdungsängste werden als Motiv für Bewegungen gegen Moscheebau, Kopftuchtragen, Schächten geltend gemacht. Zwei von vier Millionen Bürgern muslimischen Glaubens besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie sind in der Gesellschaft angekommen und wollen das auch sichtbar vorzeigen. Selbst Alice Schwarzer verbündet sich mit Konservativen Integrationsgegnern, um Muslime in Bausch und Bogen als rückständig, frauenfeindlich, darzustellen und der einzelnen Muslima ein Recht der Selbstbestimmung darüber zu bestreiten, wie sie aussehen will, wie sie ihre Freiheit auslegt. Prozessiert wird vor Gerichten über die Höhe von Minaretten, über das Tragen von Kopftuch im öffentlichen Raum. Verschwörungstheorien sollen eine angebliche Übernahme der Gesellschaft durch muslimische Einwanderer belegen. Parallelen zum Aufkommen des Antisemitismus in der Wirtschaftskrise 1875/78 im Bismarckreich drängen sich auf. In der Diskussion wurde verstärkt die Wechselbeziehung von Innen- und Außenpolitik angesprochen, die Bedeutung für die Stabilisierung der sozialpolitischen Auseinandersetzung und der abenteuerlichen Expansionspolitik am Hindukusch. Wie die Sarrazin-Debatte zeigt, finden sich Befürworter einer anti-aufklärerischen Wende bis weit in die die gesellschaftliche Mitte. Am Sonntag wurde die aktuelle Fassung der Küstenseite der Neofaschismus-Kommission im Internet vorgestellt. Beteiligt sind die Landesverbände Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, sowie Stade. Verstärkt wird der Austausch untereinander mit Verbesserungen bei Links, Aktualität, Einstellung von Kurzfilmen, Dossiers zur Neofa-Ausstellung. Besprochen wurde die Schaffung einer moderierten Infobörse ähnlich wie bei der NPD-Verbotskampagne. Die nächste Nordkonferenz findet voraussichtlich am letzten Februarwochenende 2012 in Heideruh statt. Als Themen für den Samstag sind Gedenkstättenpolitik und Militarisierung auf dem Plan. Näheres wird im Herbst spruchreif.