Eröffungsansprache

geschrieben von Raimund Gaebelein

4. Mai 2010

„Für eine neue Welt des Friedens und der Freiheit“ stritten vor 65 Jahren 3.500 Bremerinnen und Bremer in der „Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus“.

Verehrte Anwesende. liebe Frau Dr. Mathes, cher René Thirion, beste burgemester Desaever-Cleuren, chers amis de l’Amicale Belge de Neuengamme, beste vrienden van het Stichting Meensel-Kiezegem 44, liebe Schülerinnen und Schüler unserer Gesamtschulen West und Mitte,

„Für eine neue Welt des Friedens und der Freiheit“ stritten vor 65 Jahren 3.500 Bremerinnen und Bremer in der „Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus“. Neun Tage zuvor war Bremen von der Herrschaft des Faschismus befreit worden. 965 Bremerinnen und Bremer waren aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen umgebracht worden. Die Brücken waren zerstört, Produktion und Versorgung der Bevölkerung lagen danieder. In der ersten Ausgabe ihres Publikationsorgans „der Aufbau“ schrieben sie über die Zeit des Faschismus und die unmittelbar vor ihnen liegenden Aufgaben:

„In Nacht und Grauen war Deutschland verstrickt, wie ein lastender Alp lag die Hitlerherrschaft auf allen, die noch menschlich fühlten, die noch freiheitlich empfinden, die noch selbständig denken konnten… Ungeheuer ist die Zahl der Opfer, die dieses fluchbeladene System gefordert hat. Nirgends war ein Menschenleben so wenig wert wie im Reich Hitlers. Die Besten und Aufrechtesten fielen durch Henkershand, wurden in Zuchthäusern und Konzentrationslagern zu Tode gequält… Der deutsche Name wurde mit Fluch und Schande beladen durch die grauenhaften, unmenschlichen Taten, die das Hitlertum in der ganzen Welt verübte und verüben ließ… Mit Wehmut und Trauer gedenken wir der Toten! Ihr Sterben soll uns Gelöbnis sein, eine Welt zu bauen, die eine Wiederkehr dieses Wahnsinns unmöglich macht, in der für preußischen Militarismus und nationalsozialistische Weltherrschaftspläne und Überheblichkeit kein Raum mehr ist.“

Der Aufbau einer neuen Welt sollte kein Wiederaufbau sein. Den Männern und Frauen der „Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus“ stand vor Augen, dass es Faschisten und ihren Hintermännern nie wieder möglich sein sollte noch einmal die Welt mit Krieg und Vernichtung zu überziehen. Mit Beginn des „Kalten Kriegs“ wurden die Weichen in unserem Lande anders gestellt. Kriegsverbrecher wurden schrittweise begnadigt und zu Mitläufern umgestuft, Konzernherrn und Banker zum Aufbau der Wirtschaft entlastet, Lehrer, Richter, Ärzte und Verwaltungsbeamte konnten schrittweise wieder in ihre alte Stellung zurückkehren. Dafür wurden die Männer und Frauen der ersten Stunde von ihnen erneut unter Beobachtung gestellt, oftmals kriminalisiert und aus den Ämtern vertrieben.

Wie sieht es heute, 65 Jahre danach aus? Die Hakenkreuzschmierereien am Ostermontag in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die Bombenbasteleien eines NPD-Kreisverbands an der Schweizer Grenze, die Beschmierungen jüdischer Friedhöfe sind Anzeichen, dass es Kräfte in unserem Lande gibt, denen daran liegt, dass der 8. Mai in den Köpfen unserer Bevölkerung nicht als Tag der Befreiung empfunden wird. Wann wird die Keimzelle der Wiedererweckung faschistischen Denkens endlich das Handwerk gelegt? Ein Verbot der faschistischen NPD ist unbedingt erforderlich. In hohem Maße trägt auch unsere Bundesregierung dazu bei, dass ein neues militaristisches Weltbild am Wachsen ist. Mit dem Einsatz deutscher Soldaten am Hindukusch wird der Auftrag in unserer Verfassung verdreht, dass nie wieder ein Angriffskrieg von deutschem Boden ausgehen darf. Nach acht Jahren Krieg zeigt sich, dass die sogenannte Hilfsmission sich in den Augen der Bevölkerung als schnöde Besatzungspolitik erweist. Keines der Ziele ist erreicht worden, mit denen die damalige Bundesregierung ihre Eroberungsmission für freien Zugang zu Rohstoffquellen und Transportwegen antrat. Erneut und schmerzlich erleben wir, dass deutsche Soldaten tot aus einer Kriegsmission im Ausland zurückkehren. Diese unselige Mission ist zu beenden, ein sofortiger Abzug zu erklären, ohne erst noch zusätzliche Kräfte hineinzuschicken. Ich danke.