Reden zur Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch

geschrieben von Auszug aus der Rede von Jens Böhrnsen und Pastor Rolf Sänger-Diestelmeier

4. November 2006

“ (…) In dieser Woche, am 4.November, wollen sich Nazis auf Straßen und Plätzen im Bremer Westen breit machen.

Jens Böhrnsen:

“ (…) In dieser Woche, am 4.November, wollen sich Nazis auf Straßen und Plätzen im Bremer Westen breit machen.

Ich sag Nazis, weil Neo-Nazis klingt irgendwie nach Neu.

Aber bitte, was ist neu an diesen Ewiggestrigen?

Nichts. Sie sind Nazis und nichts anderes.

Wir werden uns auch nicht von dem Biedermann-Gehabe einiger NPD-Funktionäre täuschen lassen.

Im Wahlkampf in Berlin oder Meck-Pomm, da haben diese Biedermänner Beifall geklatscht, wenn ihre Schlägertrupps Juso-Veranstaltungen gesprengt oder Wahlhelfer verprügelt haben. Die NPD, oder in Arbeitsteilung in Bremen die DVU, kämpft nicht um demokratische Mandate in der Bürgerschaft, sie will unsere Demokratie zerschlagen.

Dagegen müssen wir uns von Anfang an wehren, und nicht erst dann, wenn sie schon in Fraktionsstärke im Parlament sitzen.

Deshalb werde ich dabei sein, wenn sich die demokratischen Kräfte des Stadtteils und aus ganz Bremen zusammen gegen diesen Aufmarsch wehren.

Wir wollen keine Nazis.

Die Demonstration wird dafür am 04. November ein kraftvolles Zeichen setzen. (…)“

Pastor Rolf Sänger-Diestelmeier (Rede zur Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch)

Liebe Freundinnen und Freunde, Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Ich habe heute ein Plakat gesehen. Gröpelingen hat was – gegen Gewalt und Faschismus, stand drauf.

Ja, Gröpelingen hat was! Walle auch: Wir haben was gegen Gewalt und Rassismus, gegen Menschenverachtung, Verdummung und Demagogie. Und wir werden nicht vergessen die über hundert Toten, die in den letzten Jahren durch faschistische Gewalttäter in unserem Land umgebracht wurden, erstochen, erschlagen, zusammengetreten, vor S-Bahnzüge gestoßen.

Gröpelingen hat was! Walle auch. Unsere Stadtteile haben was, weil sie bunt sind. Und wir wollen nicht dass sie braun werden. Unsere Stadtteile haben was. Und wir wollen, dass unter uns leben können – ohne Angst – Menschen welcher Herkunft auch immer. Wir haben was gegen no go Areas. Wir haben was dagegen, dass Menschen unter uns angemacht, bedroht, entwürdigt, zusammengeschlagen werden, weil sie – sagen wir – punkig-bunte Haare tragen, Rollstuhl fahren, schwul sind oder hiphop mögen. Und wir haben was dagegen, wenn Menschen mit anderer Hautfarbe nicht mehr alleine Bahn fahren mögen. Wir haben was dagegen wenn die NAZIS unter dem Motto „Unsere Zeit wird kommen“ Anti-Hartz IV Demos prägen wollen, Schöffenplätze in Gerichte besetzen oder sich in Elternbeiräte wählen lassen.

Gröpelingen hat was, weil es hier zum Beispiel Schulen gegen Rassismus gibt wie das Pestalozzischulzentrum. Die machen vor, wie das geht, dass Schülerinnen und Schüler von fast 30 Nationen zusammen leben und miteinander und voneinander lernen. Wir wollen hinkucken, nicht wegkucken. Die Faschisten unter uns – wie immer sie sich auch nennen mögen – sie sind ja längst mehr als ein monolitischer Block von irregeleiteten kahlköpfigen Parolenschreiern. Sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie versuchen die Ohnmachtsgefühle in weiten Teilen der Bevölkerung umzupolen in Gefühle von Macht und nationaler Größe. Lasst sie uns aus dem Tritt bringen, ob sie nun mit Springerstiefeln durch unsere Straßen ziehen oder mit Nadelstreifenanzug in unsere Parlamente einziehen wollen. Lasst sie uns aus dem Tritt bringen wegen der Stolpersteine, die auch in unserem Stadtteil erinnern an unsere ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, an Widerstandskämpfer und verfolgte Antifaschisten, um des Gedenkens an die ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner des jüdischen Altersheimes hier in Gröpelingen und um des Gedenkens an die Gefangenen und Zwangsarbeiter in den Lagern, die es hier im Bremer Westen zwischen Schützenhof und Riespott gegeben hat.

Und lasst uns nicht nur vom Erstarken der anderen reden. Lasst uns reden von unserer eigenen Kraft. Menschen in dieser Stadt sind gemeinsam aufgestanden. Für heute sind 3 Demos, 6 Infostände, 3 Menschenketten, 2 Mahnwachen und 2 Gedenkgänge angemeldet worden. Und wir hätten uns dies alles von niemandem verbieten lassen.

Bloß: das wird nicht ausreichen. Das sind nur Re-Aktionen. Wir werden uns angewöhnen müssen zu agieren, statt zu reagieren. Und dieser beeindruckende Tag wäre nicht viel wert, wenn daraus nicht eine beharrliche Bewegung wird in Jugendcliquen, Moscheen und Kirchengemeinden, in Bürgerhäusern und Jugendzentren, in Schulen und Menschenrechtsgruppen – und auch in persönlichen Gesprächen oder bei Pöbeleien in der Straßenbahn, eine phantasievolle Bewegung, die dem heimlichen oder offenen Rassismus das Wasser abgräbt. (Damit eins klar ist: Gewalt ist in jedem Falle ein Ausdruck von hilflosem Antifaschismus) Doch auch unsere Parolen – so richtig sie sind – sie wären Ausdruck eines hilflosen Antifaschismus, – wenn wir nicht die Ursachen in Blick nehmen und an einer gerechten Gesellschaft mit Perspektiven und mit Teilhabe für alle arbeiten. Dabei wird der politische Streit unvermeidlich sein. Gut so! Aber wenn es darauf ankommt, werden wir zusammenstehen, Sportvereine, Schulen Religionsgemeinschaften und Initiativen, Gewerkschaften und demokratische Parteien, so wie gestern bei dem Gröpelinger Feuerspuren-Umzug sogar Teufel und Engel zusammenarbeiteten und sich verbündeten.

Gröpelingen hat was! Walle auch. Wir in Walle haben insbesondere was dagegen, dass die NPD in unserem Stadtteil ein Reihenhaus als Parteizentrale sucht – wie zu erfahren war. Wir rufen alle Wohnungseigentümer, Makler und Maklerinnen auf: verweigert ihnen die Zusammenarbeit, was immer sie auch bieten mögen. Es ist Drecksgeld. Wir werden dagegen aufstehen wie die Bevölkerung Delmenhorsts aufgestanden ist gegen den Verkauf eines Hotels an den Hamburger Nazi Rieger. In Walle gibt es vor Reihenhäusern ja noch nicht mal Vorgärten, in die sie einen Gartenzwerg stellen könnten, um sich als Biedermänner zu tarnen. Sie sind keine Biedermänner. Brandstifter sind sie. Und Brandstiftern überlassen wir nicht unsere Häuser und nicht unser Gemeinwesen. Lasst uns Toleranz leben und lernen. Aber den Nazis – null Toleranz und keinen Meter.