Aber es war Leere

16. November 2015

Eine 86-jährige Regisseurin und Drehbuchautorin Marceline Loridan zieht in einem Brief an ihren Vater Bilanz. Sie erinnert sich ihres Tagebuchs, in dem, sie ihre innersten Gedanken vor der Deportation festhielt. Mit 15 wurde sie mit ihm kurz vor der Befreiung nach Auschwitz verschleppt. Er kam auf dem Todesmarsch um, ihr half sein Vertrauen zu überleben. Ihre Fröhlichkeit habe sie bewahrt, „trotz allem, was uns widerfahren ist“. Sie verspürt den Verlust, ihr steht seine letzte Botschaft vor Augen, auf einem beschriebenen Papierstückchen, hineingeschmuggelt ins Frauenlager über den Lagerelektriker. Für Tomate und Zwiebel, die er ihr bei ihrer letzten Begegnung auf dem Weg zur Krematoriums-Baustelle zustecken konnte, nahm sie die Schläge des SS-Aufsehers in Kauf. Sie erinnert sich des erbitterten Kampfs ums Überleben, den sie mit ihrer Tätigkeit in der Kleiderkammer und dem Beerdigungskommando gewann.
Sie ging auf Transport, über Bergen-Belsen nach Theresienstadt, wo sie von der Roten Armee befreit wurde, von dort zurück nach Bollène. Nach ihrer Rückkehr suchte sie Überlebende ihrer Familie, in ihren Gedanken durchlebt sie Auschwitz stets aufs Neue. Ihre nächsten Angehörigen erlebten eine kurze Frühlingszeit, verstarben aber schon sehr früh. Bindeglied blieb der Vater. Die amtliche Todeserklärung machte seinen Tod so endgültig. Sie versucht es in einem Film einzufangen. Vergeblich bemüht sich Marceline Loridan, bei einem Besuch in Auschwitz verlorene Spuren wiederzufinden. Alles kam in ihr wieder hoch. Aber es war Leere. Paris wird ihr Lebensmittelpunkt, sie setzt sich ein für ein gemeinschaftliches Zusammenleben.
Marceline Loridan-Ivens, Und Du bist nicht zurückgekommen, Insel Verlag Berlin 2015, 110 S. 15 Euro, ISBN 13: 9783458176602

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