Blut und Ehre – Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland

23. Dezember 2013

Wie oft müssten wir den Satz „Das haben wir nicht gewusst“ schon gehören? Im Nachkriegsdeutschland will kaum jemand die KZs und Wehrmachtsgräuel gekannt haben. Der Oktoberfestmörder war natürlich ein Einzeltäter und Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda waren auch kein Zeichen der Fremdenfeindlichkeit.
So gut wie alle Politiker vom „Alten“ über „Schmidt Schnauze“ bis „Angie“ waren sich der Gefahr von Rechts bewusst und haben sie genutzt, gebraucht und doch geleugnet.
Andrea Röpke und Andreas Speit (und ihre drei Mit-Autoren Andreas Förster, Julia Jüttner und Anton Maegerle) weisen in ihrem Buch „Blut und Ehre – Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland“ auf, dass Uwe Böhnhard, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe keine Einzeltäter waren, sondern durchaus ein großes Unterstützernetzwerk gehabt haben. Der Unterschied zu anderen Büchern zum Thema Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ist, dass die beiden Autoren nicht Ende der 1990ern beginnen, sondern 1945. So entstand Nazi-Deutschland ja auch nicht erst 1933 – der Beginn liegt bereits vor 1914. Einer der „Vorläufer“ der NSU war der Technische Dienst (TD) des Bund Deutscher Jugend (BDJ – 1953 verboten). Zusammen mit Gladio (eine paramilitärische Geheimorganisation von NATO, CIA und MI6 während des Kalten Krieges) baute der TD Waffenlager in der BRD auf (z.B. in Bremen-Huchting). Eines der Ziele war die Liquidierung „unzuverlässiger“ Sozialdemokraten (z.B. Wilhelm Kaisen). Nach dem Verbot wurden alle Informationen über Personen und Aktionen vom CIC (Counter Intelligence Corps [Spionageabwehr]) eingesammelt und verschlossen. Der Adenauer-Regierung war das alles bekannt und sie schwieg selbstredend.
Wie sehr gewaltbereites rechtes Denken in Gesellschaft und Politik verwurzelt ist, zeigt die Tatsache, dass seit 1990 über 180 Menschen durch rechte Gewalttäter gestorben sind, die Bundesregierung jedoch nur gut 60 von ihnen als „Morde von Rechts“ anerkennt. Also warum waren so viele Politiker erschüttert von den NSU-Morden? Gehen doch (rein statistisch) zwei Angriffe pro Tag in Deutschland auf das Konto von Neo-Nazis.
So wurde der Anfang der NSU-Mordserie als „Döner-Mord“ tituliert. Wie schön verharmlosend! Folglich müssten die Täter aus dem Familienumkreis kommen. Wie mögen sich Angehörige fühlen, wenn sie als potentieller Täter bzw. Täterin gelten? Sand in den Augen – gestreut von Polizei und Verfassungsschutz. Alle Indizien, die nach rechts wiesen, wurden negiert. Auch das ist nichts Neues: Dass Gundolf Köhler zur neonazistischen und paramilitärischen Wehrsportgruppe Hoffmann Verbindungen hatte, war auch bekannt und wurde – richtig – negiert. Unsere Behörden und Politiker sind auf dem rechten Auge blind – vielleicht nicht ganz, denn sonst würde man ja nicht die schützende Hand über die „Rechten“ halten. Sie werden ja womöglich noch gebraucht.
Das Buch zeigt aber auch die anderen Begleitumstände auf. Seien es Szene-Treffs (z.B. aus Bremer Sicht: Sportsfreund, Bells, Klause 38) oder Nazi-Bands und -Label (auf Bremen bezogen wird die Band Endstufe von Jens Brandt erwähnt, weitere sind z.B.: Kategorie C, Endlöser [früher Schlachtruf], Patriotic Bois und bei den Label: Hanse-Records, Heimdall-Shop, sieg-oder-spielabbruch.de). Auch werden Verbindungen ins Rockermilieu beleuchtet.
Das Buch von Andrea Röpke und Andreas Speit „Blut und Ehre – Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland“, erschienen im Ch. Links Verlag, Berlin, hat 288 Seiten und kostet 19,90 EUR (ISBN978-3-86153-707-6). Es ist vielleicht eher ein Nachschlagewerk denn ein Lesebuch für den Feierabend. Dafür verfügt es über ein gut geführtes Sach-, Orts- und Personenregister.

9783861537076